Der China Grand Prix war ein spannendes Rennen, obwohl Nico Rosberg im Mercedes mit komfortablem Vorsprung gewann. Die Rennstrategie war für das Endergebnis entscheidend, außerdem konnten wir viel darüber lernen, wie sich die Formel 1 2012 verändert hat. Das Feld ist bei der Leistung näher zusammengerückt, also können sich die Top-Teams nicht mehr darauf verlassen, dass sie einen Vorsprung auf das Mittelfeld herausfahren, um dann nach den Boxenstopps wieder locker freie Fahrt zu haben.

Die Spitzenteams müssen härter arbeiten, Foto: Sutton
Die Spitzenteams müssen härter arbeiten, Foto: Sutton

Die Spitzenteams werden viel härter an kreativen Rennstrategien arbeiten müssen als im Vorjahr und die Fahrer werden zu viel mehr Überholmanövern gezwungen sein. Im zweiten freien Training am Freitag war es eindeutig, dass viele Teams noch das beste Setup an ihren Autos finden müssen, um sowohl das Qualifying als auch das Rennen zu meistern, in dem die Tankfüllung von voll zu leer geht.

Wie Mercedes mit seiner Rennpace überrascht hat

McLaren schien eine Rennpace zu haben, die 0,5 Sekunden pro Runde schneller war als jene von Mercedes, doch über Nacht von Freitag auf Samstag machte Ross Brawns Team einige Änderungen am Setup, um das Reifenleben zu verlängern und am Ende der Session am Samstagmorgen fuhr Michael Schumacher eine Handvoll Runden mit viel Benzin, um diese Änderungen zu bestätigen. Das merkten viele im Fahrerlager, doch es stellte sich letztendlich als entscheidend für den Sieg von Mercedes heraus.

Die Reifen reagieren sensibel auf Temperatur-Schwankungen, Foto: Sutton
Die Reifen reagieren sensibel auf Temperatur-Schwankungen, Foto: Sutton

Die wichtigste Rolle bei den Überlegungen der Strategen während der Rennvorbereitung spielte die Streckentemperatur; die Pirelli-Reifen 2012 reagieren sehr sensibel auf Temperaturänderungen und im Qualifying war deutlich zu sehen, dass der Abfall um nur ein paar Grad einen großen Unterschied ausmachte. Die grobe Daumenregel dafür ist: Mercedes mag die niedrigeren Temperaturen, so wie auch Sauber. Die Red Bulls, Lotus und McLaren funktionieren bei höheren Temperaturen besser. Das ist ein Trend, der sich wohl die ganze Saison fortsetzen wird, also könnte das Bild in Bahrain anders aussehen als in China.

So wie voriges Jahr in Shanghai lag die Strategie-Entscheidung zwischen zwei oder drei Stopps und wie das Timing dafür aussehen soll. Die Vorhersagen vor dem Rennen besagten, dass zwei Stopps um bis zu sieben Sekunden schneller sein würden als drei, die Gefahr bestand aber darin, dass die Zweistopp-Fahrer in den letzten fünf Runden auf abgefahrenen Reifen angreifbar sein würden. Die Entscheidung darüber, welche Strategie die schnellere ist, variierte von Team zu Team, abhängig davon, wie schnell man auf dem Medium-Reifen war. McLaren schätzte ihn beispielsweise langsamer als den Soft ein, während andere Teams, darunter Mercedes, Lotus und Williams, es anders sahen.

Rosberg vs. Button vs. Hamilton

McLaren ging auf drei Stopps, Mercedes auf zwei, damit war die Marschrichtung vorgegeben. Einer der Gründe, warum vor allem Lewis Hamilton drei Stopps machen musste, lag im Qualifying. Er fuhr seine schnellste Zeit auf einem Satz Reifen, der laut UBS Strategy Report bereits sechs Runden hinter sich hatte, als das Rennen begann. Das bedeutete, er würde es schwer haben, bis Runde 13 zu kommen, wo das Fenster für zwei Stopps aufging.

Nico Rosberg musste den ersten Stint lange genug ausdehnen, Foto: Sutton
Nico Rosberg musste den ersten Stint lange genug ausdehnen, Foto: Sutton

Mercedes wusste das und wollte das ausnutzen. Rosberg und Schumacher hatten die Anweisung, zumindest bis Runde 13 zu kommen, dann sollten sie auf einen Medium-Reifen wechseln und einen Mittelstint von 21 Runden fahren. Danach war der Schlussstint mit noch einem Satz Mediums vorgesehen. Jenson Button war mit seiner Dreistopp-Strategie die größte Gefahr, da er zwei Stints mit dem weichen Reifen fahren sollte. Doch sein Angriff wurde durch einen schlechten letzten Boxenstopp zunichte gemacht. Der Wechsel des linken Hinterrades dauerte zu lange und kostete sechs Sekunden.

Als er wieder auf die Strecke kam, lag er 17 Runden vor Schluss auf fünf Runden frischeren Reifen als Rosberg nicht 14 Sekunden zurück sondern 20. Doch das Boxen-Problem - nicht das erste, das McLaren diese Saison in entscheidenden Momenten hatte - hatte noch weitere Auswirkungen. Denn Button kam in einem Zug von Autos heraus, der hinter Felipe Massa und Kimi Räikkönen fuhr, die beide zwei Mal stoppten. Statt auf Rosberg aufzuholen, konnte Button keinen Vorteil aus seinen neuen Reifen ziehen, verlor eine Sekunde pro Runde und das Rennen war vorbei.

Lewis Hamilton hatte nur selten freie Fahrt, Foto: Sutton
Lewis Hamilton hatte nur selten freie Fahrt, Foto: Sutton

Auch ein Großteil von Hamiltons Rennen lief im Verkehr ab, da er nach seiner Getriebe-Strafe vom siebten Platz starten musste. Er konnte sich nie von den starken Mittelfeld-Autos absetzen und frei fahren, daher war es schwierig, sich mit seiner unvermeidbaren Dreistopp-Strategie durch das Feld zu arbeiten. So eine Strategie verlangt nach genügend Gelegenheiten, um bei freier Bahn Vollgas zu fahren.

Harter Wettkampf im Mittelfeld

Einige Autos im Mittelfeld versuchten es mit zwei Stopps, bei dem zwei Stints mit dem Medium-Reifen gefahren wurden. Die Ergebnisse waren unterschiedlich; der Schlüssel war es, den Mittelstint auszudehnen, damit man am Ende auf dem letzten Reifensatz nicht zu viele Runden fahren musste. Sebastian Vettel versuchte es, um sich von seinem elften Startplatz nach vorne zu bringen, Massa machte es von Startplatz zwölf ebenso, genauso wie Bruno Senna von 14 und die zwei Lotus-Fahrer. Räikkönen startete als Vierter, Romain Grosjean als Zehnter.

Es ist interessant, die Ergebnisse der Fahrer zu vergleichen, die alle mit der gleichen Taktik unterwegs waren. Das extremste Beispiel für einen Fehlschlag war Räikkönen - er fiel von Platz zwei neun Runden vor Schluss noch bis Platz 14 beim Zieldurchlauf zurück. Ein Grund dafür waren die abgefahrenen Reifen nach einem Stint von 28 Runden, doch er kam auch von der Linie ab, als er seine Position gegen Vettel etwas zu verbissen verteidigen wollte. Seine Reifen wurden dabei schmutzig und dadurch kamen weitere Autos an ihm vorbei. Er kam in einen Teufelskreis: während er verteidigte, wurden seine Reifen noch schmutziger und damit hatte er keine Chance.

Kimi Räikkönens Reifen hielten nicht bis zum Ende durch, Foto: Sutton
Kimi Räikkönens Reifen hielten nicht bis zum Ende durch, Foto: Sutton

Der Grund dafür, dass er sich in dieser Position fand, lag an seinem zu frühen zweiten Stopp in Runde 26. Sein Mittelstint auf dem Medium-Reifen war nur 16 Runden lag, also hatte er beim zweiten Stopp einfach etwas zu früh abgebogen. Im Gegensatz dazu startete Senna auf dem Medium-Reifen, fuhr den Mittelstint mit seinem neuen Satz Softs, kam in Runde 29 zum zweiten Mal an die Box, wo er auf den Medium wechselte und konnte Plätze gewinnen, als die Dreistopper für ihren letzten Wechsel reinkamen. Er schaffte es so auf Platz sieben und seine Fahrt zeigte, wie ausbalanciert und konkurrenzfähig der Williams in diesem Jahr ist. Vettel kam von Startplatz elf auf Rang fünf und setzte seine Strategie gut um, da er einen langen Mittelstint auf Medium-Reifen fuhr.

Grosjean fuhr gut und holte seine ersten Punkte der Saison, aber es hätte besser laufen können. Er konnte seinen Mittelstint vier Runden länger gestalten als Teamkollege Räikkönen und dadurch war er Richtung Platz fünf unterwegs. Zwölf Runden vor Schluss war er auf diesem Rang unterwegs, doch er machte einen Fehler, als er gegen Webber kämpfte und verlor dadurch drei Positionen. Zwei davon holte er wieder zurück, was zeigte, dass er noch etwas Leben in seinen Reifen hatte, obwohl sie nur wenig Runden frischer waren als jene von Räikkönen.