Der Malaysia Grand Prix bot einen spannenden Blick darauf, was wir 2012 erwarten können - aus strategischer Sicht und aus Sicht der Rennen. Wir sahen zudem ein Phänomen, das zum Schlüssel für die Saison werden könnte: die Fähigkeit, auf allen Reifen bei allen Bedingungen schnell zu sein. Geht man nach dem Rennen in Sepang, dann scheinen alle Teams Schwierigkeiten zu haben, das in den Griff zu bekommen. So war beispielsweise Polesetter Lewis Hamilton bei allen Bedingungen nicht besonders schnell, während der Sauber auf gebrauchten Intermediates und harten Slicks sehr schnell war.

Auf Slicks war Pastor Maldonado bis zu seinem Motorschaden sehr schnell, Foto: Sutton
Auf Slicks war Pastor Maldonado bis zu seinem Motorschaden sehr schnell, Foto: Sutton

Der Williams von Pastor Maldonado war derweil auf Intermediates nicht wirklich flott unterwegs, sobald er aber auf Slicks fuhr, war er extrem schnell. Es war ein fantastisches Rennen, das Sergio Perez gewinnen hätte können und sollen - selbst ohne den Fahrfehler sechs Runden vor Schluss, wie wir sehen werden. Die Strategie-Vorhersagen am Morgen des Rennens sagten für einen trockenen Nachmittag voraus, dass der harte Reifen sogar schneller gewesen wäre; die Schätzungen sprachen von einem Vorteil von 0,2 Sekunden pro Runde. Hätte sich das als wahr herausgestellt, wäre es entscheidend gewesen, einen neuen statt einen gebrauchten Satz Reifen zu haben. Das zeigte sich beim Duell um die Spitze in der Schlussphase.

Perez und Sauber - der verlorene Sieg

Sergio Perez und Sauber waren an diesem Nachmittag in zwei wichtigen Phasen die schnellste Auto-Fahrer-Reifen-Kombination - im langen zweiten Stint auf gebrauchten Intermediates und vor allem im letzten Stint auf Slicks. Aber ein möglicherweise historischer Sieg kam nicht nur wegen eines Fahrfehlers abhanden. Die Strategie, die zu Anfang noch etwas verwegen war, wurde mit fortlaufender Renndauer sehr vorsichtig und das kostete ihn ebenfalls die Chance auf den Sieg.

Als der Regen in den ersten Runden stark fiel, holte Sauber Perez in Runde drei für Regenreifen herein. Er war der erste Fahrer im vorderen Feld, der das tat und der Rest folgte bald darauf - allerdings nicht innerhalb von zwei Runden. Auf Regenreifen war Perez rund drei Sekunden schneller als die führenden Autos und als in Runde fünf jeder an die Box kam, rückte er auf Platz drei vor. Dieser mutige Schritt von Sauber war die Basis für ein starkes Ergebnis. Aber dann wurde das Team vorsichtig.

Das Verhalten nach der Safety-Car-Phase war bei Sauber zu vorsichtig, Foto: Sutton
Das Verhalten nach der Safety-Car-Phase war bei Sauber zu vorsichtig, Foto: Sutton

Im Zuge der zweiten Boxenstopps war Perez vor Fernando Alonso. Bei diesen Stopps folgte der Wechsel von Regenreifen auf Intermediates, Perez kam zwei Runden nach Jenson Button und eine Runde nach Alonso herein. Die Strecke trocknete ab und am Ende von Runde 13, als das Safety Car wieder hereingekommen war, war es offensichtlich, dass die Intermediates der schnellere Reifen waren. Doch Sauber ging auf Nummer sicher und ließ Perez eine weitere Runde fahren, in der er die Führung übernahm. Dieser Fehlgriff führte aber dazu, dass er Streckenposition an Alonso verlor.

Als Perez in Runde 15 aus der Box kam, war er immer noch vor Alonso, er musste aber erst ein Gefühl auf den Intermediates finden, während Alonso sich bereits eine Runde an sie gewöhnen konnte. In dieser Runde kam der Spanier dann auch an Perez vorbei. Auf der anderen Seite gewann der Mexikaner eine Position gegen Hamilton, der von McLaren in der Box zurückgehalten wurde, damit er nicht mit dem ankommenden Felipe Massa kollidierte. Alonso konnte eine Führung von sechs Sekunden auf den Sauber herausfahren, doch als die Intermediates nachließen, schloss Perez rasch wieder zu Alonso auf. In Runde 39 war er auf 1,3 Sekunden an ihm dran.

Zu der Zeit ließ Daniel Ricciardo die Zeitenlisten aufleuchten, er war der erste Fahrer auf Slicks und es war klar, dass man seinem Beispiel folgen sollte. Die Sauber-Strategen warteten aber wieder. Sie waren sehr vorsichtig, ihren relativ unerfahrenen Piloten nicht zu früh auf Slicks fahren zu lassen. Zudem hatten sie ein Auge aufs Wetter, da in der Nähe der Strecke einige Schauer angezeigt wurden. Dadurch verlor das Team die Initiative, denn Ferrari riskierte es und holte Alonso herein. Als Führender musste der Spanier die Bedrohung eines deutlich schnelleren Autos abwehren und das tat er. Dieser Fehler warf Perez sieben Sekunden hinter Alonso zurück.

Sauber hatte beim letzten Stopp einen neuen Satz harter Reifen ausgesucht, Alonso fuhr mit gebrauchten Mediums. Die Entscheidung von Ferrari war interessant, da sich viele Strategen nicht sicher waren, ob der Medium die 16 noch verbleibenden Runden durchhalten würde. Auf dem Papier bot der mittlere Reifen das bessere Warm-Up, tatsächlich wärmte sich aber der harte Reifen am Sauber schneller auf und war sofort flotter. Perez holte Alonso wieder relativ einfach ein und hätte ihn dank DRS und des Reifenvorteils in den letzten sechs Runden wohl sicher überholen können.

Daniel Ricciardo war der Slick-Vorreiter, Foto: Sutton
Daniel Ricciardo war der Slick-Vorreiter, Foto: Sutton

Doch er verlor anscheinend etwas die Konzentration, als das Team ihm sagte, er solle darauf achten, seinen Platz auch nach Hause zu bringen, was zu einem Fehler führte, der vier Sekunden kostete. Es gab Vermutungen, wonach das politisch eng mit Ferrari verbundene Sauber-Team, das noch dazu Motorkunde der Scuderia ist, irgendeine Abmachung mit den Roten getroffen hätte. Doch Sauber und Ferrari erteilten diesen Theorien noch am Sonntagabend eine Absage .Es sah eher so aus, dass Sauber seine Chance auf das beste Ergebnis seit fünf Jahren nicht wegwerfen wollte.

Ungeachtet dessen sahen wir im letzten Stint etwas, das für die weitere Saison für Spannung sorgen sollte. Nach sechs Runden erreichten wir laut UBS Strategy Report den Crossover-Punkt, an dem der harte Reifen schneller war als der Medium. Das wollte Pirelli in diesem Jahr erreichen und es wird die Strategien extrem interessant machen. Da viele Autos bei der Leistung eng beisammen liegen und es zahlreiche Strategie-Optionen gibt, wird es ein tolles Rennjahr.

Toro Rosso - taktisch gerissen

Toro Rosso Technikdirektor Giorgio Ascanelli war früher bei McLaren Renn-Ingenieur von Ayrton Senna und er ist einer der schlauesten Füchse in der Boxengasse. Am Sonntag sahen wir ein paar klassische Ascanelli-Manöver: zunächst ließ er Jean-Eric Vergne auf Intermediates, als der starke Regen kam. Der Franzose musste sich nur auf der Strecke halten, während der Rest für Regenreifen stoppte und das schaffte er. Als der Renndirektor das Rennen unterbrach - Ascanelli wusste, dass das passieren würde -, war Vergne auf Platz sieben. Da der Restart hinter dem Safety Car erfolgte, mussten Regenreifen aufgezogen werden, also erhielt Vergne einen Satz Regenreifen ohne stoppen zu müssen. Das verhalf ihn zu seinem achten Platz.

Jean-Eric Vergne musste mit Intermediates etwas riskieren, Foto: Sutton
Jean-Eric Vergne musste mit Intermediates etwas riskieren, Foto: Sutton

Doch Ascanelli hatte auch mit seinem anderen Fahrer einen klugen Schachzug parat. Als die Strecke abtrocknete, entschied er, dass Ricciardo als Erster auf Slicks gehen soll. Das machte Sinn, da er zu dem Zeitpunkt 17. war und irgendwie wieder zurück ins Spiel kommen musste. Es gab keinen Grund, Vergnes Position zu riskieren. Also ging das Team mit Ricciardo das Risiko ein und gewann dadurch drei Positionen; das war nicht genug für einen Punkterang, aber den Versuch war es wert. Risiko und Belohnung, darum geht es bei der Strategie in der Formel 1.