Der Schmetterlingseffekt besagt, dass der Flügelschlag eines Insekts in Brasilien an einem anderen Ort einen Hurrikan auslösen kann. Ein ähnliches Phänomen war in diesem Jahr in der Formel 1 zu betrachten. Der internationale Automobilverband legte fest, dass sich die Nasenspitze beziehungsweise alle Karosserie-Bauteile in einem Abstand von mehr als 1.950 Millimetern zum Cockpit-Anfang aus Sicherheitsgründen nur noch 550 Millimeter - vorher 625 - über dem Boden befinden dürfen. Wahrscheinlich ahnte keiner der Regelmacher, welchen bahnbrechenden Veränderungen damit Tür und Tor geöffnet waren.

Weil nach der 1.950-Millimeter-Grenze weiterhin die Maximalhöhe des Cockpits von 625 Millimetern zulässig ist, kommt nun ein Großteil der neuen Boliden mit einem markanten Höcker auf der Fahrzeug-Nase daher. Der Aufschrei bei Fans und Medien war riesig: Wortschöpfungen wie Schnabeltiere und Nasenbären machten die Runde, von den hässlichsten Formel-1-Autos aller Zeiten war die Rede. Einzig McLaren und Marussia folgtem dem gängigen Trend nicht und setzen weiterhin auf eine konservative Gestaltung der Fahrzeug-Front.

Auch der neue RB8 trägt den scheinbar unvermeidlichen Höcker auf der Nase, Foto: Sutton
Auch der neue RB8 trägt den scheinbar unvermeidlichen Höcker auf der Nase, Foto: Sutton

Doch die Beschränkung der Nasenhöhe war nicht die einzige neue Regel für das Jahr 2012 - auch wenn sich die anderen Änderungen weit weniger drastisch auswirkten. Motorsport-Magazin.com stellt die wichtigsten Neuerungen vor.

Fahr-Regeln

Die Ordnungshüter der FIA schränken die Verteidigungsmöglichkeiten gegen Überholversuche weiter ein. Die Fahrer dürfen keinen Richtungswechsel zum Verteidigen ihrer Position ausführen. Bei der Rückkehr auf die Ideallinie müssen sie mindestens eine Fahrzeugbreite zwischen ihrem Auto und dem Streckenrand lassen. Andernfalls ist das Zurückwechseln verboten. Ein Duell wie in Monza, als Michael Schumacher Lewis Hamilton mit seiner beinharten Kampflinie rundenlang zur Verzweiflung trieb, gehört damit wohl der Vergangenheit an.

Die Fahr-Regeln wurden noch in einem weiteren Punkt abgewandelt. Auch das Abkürzen ist von nun an verboten. Beim Grand Prix von Südkorea 2011 kürzten Sebastian Vettel und einige andere Piloten im Qualifying ab, um schneller beziehungsweise reifen- und kraftstoffsparender in die Box zu kommen. Die Übeltäter kamen ungeschoren davon, weil eine Bestrafung des Vergehens nicht im Regelbuch vorgesehen war. 2012 sind solche raffinierten Winkelzüge nicht mehr gestattet. Das Verlassen der Strecke wird nur aus vertretbaren Gründen -Reifensparen gehört sicherlich nicht dazu - anerkannt, auch in langsamen Installationsrunden.

Der Grand Prix von Montreal dauerte 2011 über vier Stunden, Foto: Pirelli
Der Grand Prix von Montreal dauerte 2011 über vier Stunden, Foto: Pirelli

Safety-Car

Fahrende Hindernisse gehören von nun an der Vergangenheit an. Überrundete Autos dürfen sich ab 2012 während der Safety-Car-Phase eine verlorene Runde zurückholen und hinten im Feld einreihen. Die FIA will verhindern, dass die Hinterbänkler beim Neustart zwischen den führenden Autos festhängen und so die Entscheidung des Rennens beeinflussen. So geschehen beim Singapur 2011, als Sebastian Vettel nach dem Neustart in einer Runde neun Sekunden auf Jenson Button herausfuhr, weil dieser durch Überrundungen aufgehalten wurde.

Renndauer

Montreal war vorerst der letzte Regen-Marathon. Der Große Preis von Kanada 2011 dauerte 4:04:39.537 Stunden, davon absolvierte das Feld aufgrund teilweise sintflutartiger Regenfälle allerdings nur 57:10 Minuten im Renntempo. Um solche Hängepartien in Zukunft zu vermeiden, wird die Maximaldauer eines Grands Prix auf vier Stunden begrenzt.

2012 können sich die Teams die Verwendung der Reifensätze frei einteilen, Foto: Sutton
2012 können sich die Teams die Verwendung der Reifensätze frei einteilen, Foto: Sutton

Reifen

Die Reifenvergabe wird 2012 deutlich flexibler gestaltet. Im Vorjahr standen den Rennställen drei Sätze für den ersten Trainingstag und zwei weitere für das Samstagstraining zur Verfügung. Hinzu kamen sechs Reifensätze für Qualifikation und Rennen. In dieser Saison dürfen sich die Teams die Verwendung der Pneus nach ihren eigenen Wünschen einteilen. Im vergangenen Jahr wurden von den Teams, vor allen von denen die bereits in der ersten Quali-Runde ausgeschieden waren, einige ungebrauchte Sätze zurückgegeben. Diese mussten, obwohl vollkommen ungenutzt, verschrottet werden. Die Abwandlung der Vorschriften soll einen ähnlichen Exzess verhindern.

Im Gegensatz zur 2011-Saison muss nun kein vollständiger Mischungsgrad mehr zwischen der Prime- und der Option-Variante liegen: Die Kombinationen hard/soft und medium/soft sind beide möglich. Darüber hinaus ist es den Rennställen von nun an erlaubt, einen Satz der Trockenreifen mit in den Samstag zu nehmen, wenn beide Freitagssessions verregnet sind.

Testfahrten

Innerhalb der Saison gibt es nur einen dreitägigen Test. Dieser findet vom 1.-3. Mai in Mugello statt.

Sperrstunde

Nachdem die Ausgangssperre beim Grand Prix in Singapur von einigen Teams falsch interpretiert worden war, wurden die Vorschriften, für die Sperrstunde des Personals praktikabler gestaltet. Catering-, Marketing- und Pressemitarbeiter sind von jetzt an vom Zapfenstreich ausgeschlossen. "Wir haben einige Änderungen an der Ausgangssperre vorgenommen. Damit wird sichergestellt, dass die Ruhepausen durch die gesamte Rennsaison konstant eingehalten werden, unabhängig vom Zeitpunkt der Trainings und der Rennen", erklärte ein FIA-Sprecher.

Technik

Katzenjammer bei Red Bulls Designchef Adrian Newey, Frohlocken bei der Konkurrenz: Durch das Verbot des angeblasenen Diffusors müssen die Bullen bei der Jagd nach Titeln und Triumphen auf das Nonplusultra des vergangenen Jahres verzichten. Die FIA verspricht sich von der Regelmodifikation mehr Spannung im WM-Rennen. Um sicherzugehen, dass weder Newey noch einer seiner Gegenspieler ein Schlupfloch im Regelwerk ausmachen, wurde die Sektion, die sich mit den Bestimmungen für Motorsteuerung und Auspuffpositionierung befasst, von 89 auf 954 Wörter ausgebaut.

Ob das genügt, um das Weltmeister-Team auszubremsen? "Wenn die Änderungen in dem Punkt erfolgreich waren, die Bedeutung des Auspuffs zu reduzieren, besteht die Möglichkeit, dass sich die Hierarchie im Feld neu sortiert", meinte James Allison, Technischer Direktor von Lotus. Eine weitere Neuerung befasst sich mit den Toleranzwerten für die Herstellung aerodynamischer Komponenten, die von fünf auf drei Millimeter herabgesetzt wurde.

Crashtests

Die neue Regelung enthält zwei gravierende Änderungen: Zum einen müssen alle Belastungsproben vor jeglicher Art von Streckentests absolviert werden. Im vergangenen Jahr war dies erst beim ersten Rennen gefordert. Zudem wurde das Testprogramm noch um einen vertikalen Crashtest erweitert, mit dem die seitlichen Crash-Strukturen des Chassis kontrolliert werden. Vor allem für die finanziell nicht auf Rosen gebetteten Hinterbänkler-Teams stellten sich die verschärften Regularien als schwer zu überwindende Barriere heraus: Marussia und HRT fielen beim ersten Versuch durch. Das negative Testergebnis kostete Timo Glock und Co. die Teilnahme an den Tests in Barcelona.