Pro: Zu oft gecrasht

von Stephan Heublein

"Ich möchte Lewis nicht verändern, er ist ein toller Mensch und ein toller Rennfahrer", sagt McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh. Recht hat er. Aber so verständlich die Rückendeckung für seinen Schützling in schwierigen Situationen wie nach den Kollisionen mit Felipe Massa in Monza und mit Mark Webber in Singapur auch ist, so sehr dürfte sich auch Whitmarsh insgeheim manchmal wünschen, dass Hamilton sich vielleicht doch etwas verändert, nicht immer nur hopp oder topp kennt.

Doch das ist wohl das Los des Lewis Hamilton - sauschnell, aber ständig auf des Messers Schneide. Oder wie Christian Danner es ausdrückt: "Er kann halt nicht anders." Hamilton muss auch im Training immer 100% geben, voll am Limit fahren - dann rutscht er auch schnell einmal in Suzuka in die Begrenzung, beschädigt sein Auto und verliert wertvolle Trainingszeit. Halbe Sachen kennt er nicht.

Mit diesem Auto gewinnt man keinen Titel, Foto: Sutton
Mit diesem Auto gewinnt man keinen Titel, Foto: Sutton

Manchmal wäre es trotzdem schlauer - und für seine Mechaniker weniger stressig -, wenn er ein bisschen von der Cleverness seines Teamkollegen Jenson Button anwenden würde. Der zerstört selten Autos und ist kaum in Kollisionen verwendet - dafür fehlt ihm aber auch das letzte bisschen Speed im Vergleich zu seinem jüngeren Landsmann.

Nichtsdestotrotz: Ausrutscher wie das Kiesbett des Grauens von Shanghai 2007 konnten noch locker mit der Unerfahrenheit eines Rookies abgetan werden - aber jetzt, als Formel-1-Weltmeister und einer der anerkannt Besten seines Fachs, kann sich Hamilton damit nicht mehr herausreden. Er muss mehr zeigen, als nur puren Speed und brutalen Einsatz.

Er muss strategisch und clever fahren, an das große Gesamtbild denken und darf das Auto weder im Training noch im Rennen unvernünftig riskieren. Konstanz ist in der heutigen Formel 1 das Zauberwort. Stetige Podestplatzierungen ohne Ausfälle führen möglicherweise eher zum erhofften Titelgewinn als die meisten Siege.

Contra: Nicht fehleranfälliger als die Anderen

von Kerstin Hasenbichler

"Hamilton Horror" oder "Seuchenvogel Hamilton" - nach zwei Ausfällen in Monza und Singapur und dem enttäuschenden fünften Platz in Japan prügeln die Medien auf Lewis Hamilton ein. Fakt ist: Hamilton hat Fehler gemacht, wie in Monza, als er zu ungestüm an Felipe Massa vorbeigehen wollte oder wie in Japan, als er seinen MP4-25 im Training gegen die Mauer lenkte. Fakt ist aber auch, dass alles was nach dem Freien Training am Freitag passierte - die Strafversetzung wegen eines ungeplanten Getriebewechsels und der fehlende, dritte Gang im Rennen - nicht auf die Kappe von Hamilton ging.

Lewis Hamilton ist einer der Schnellsten im Feld, Foto: Sutton
Lewis Hamilton ist einer der Schnellsten im Feld, Foto: Sutton

Stattdessen fuhr der Brite im Qualifying trotz weniger Trainingsrunden den sehr guten dritten Startplatz heraus und war im Rennen vor dem Getriebeproblem an Fernando Alonso dran. Trotz seines Pechs verhielt er sich weltmeisterlich - er klagte weder über sein Pech, noch zog er seine ihn behindernde Ohrenentzündung, die Gleichgewichtsprobleme und Taubheit am linken Ohr auslöste, als Ausrede heran.

Es ist leicht, Hamilton die Schuld an McLarens schlecht stehenden Chancen auf den Titel zu geben. Doch der Brite ist nicht der Einzige der WM-Kandidaten, dem Fehler unterlaufen sind, siehe Sebastian Vettels Karambolage mit Weltmeister Jenson Button in Spa, Fernando Alonsos Trainingscrash in Monaco oder die chaotische Vorstellung von Mark Webber in Melbourne. Hingegen zeigte Lewis Hamilton in Australien eine grandiose Vorstellung, preschte von Startplatz 11 bis auf Rang 6 nach vorne. Es sollte nicht das letzte Mal sein, dass Hamilton mit seinen Überholmanövern überzeugte.

McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh lobte ihn als "möglicherweise besten Überholer der Welt." Und wer nicht das stärkste Auto im Feld hat wie Red Bull, der muss angreifen, so getan in Singapur als Hamilton bei einem Überholversuch mit Webber zusammenstieß und ausschied. Aber wie heißt es so schön: Wer ohne Fehler ist, der werfe den ersten Stein!