"Närrischer Seb", dachte sich Jenson. Die ungeduldige Jugend konnte mal wieder nicht warten, musste sich unbedingt vordrängeln. Dabei war diesmal er dran, schließlich hat er schon viele Jahre darauf hingearbeitet, einmal an der weltberühmten belgischen Frittenbude in den Ardennen aus den Vollen zu schöpfen und sich die größte Portion goldbrauner Fettprodukte zu sichern.

"Ich war nah genug dran und wollte es probieren", entschuldigte der rastlose Seb, der halb auf dem nassen Boden rutschte, halb über einen kleinen Maulwurfshügel stolperte - und rumms. "Ich riss Jenson mit raus." Statt seiner Traumpommes gab es nur Eisbeutel auf Jensons lädierte Rippen. Für Seb war es schon die zweite ungestüme Aktion in diesem Jahr. Beim Kampf um einen Döner hatte er bereits seinen Kumpel Mark angerempelt. An seinem Verhalten möchte er allerdings nichts ändern. "Es geht weiter hart zur Sache", sagt Seb.

Seb lauschte genau auf die weisen Worte Michaels, Foto: Mercedes GP
Seb lauschte genau auf die weisen Worte Michaels, Foto: Mercedes GP

Gelernt hat er das von seinem Mentor. Der wohnt in einem hohen Turm, hinter sieben Bergen aus Pokalen. Michael, der Weise nennt er sich und sagt: "Wenn du gewinnen willst, gehst du an alle Grenzen. Bin ich deswegen böse? Ich finde: konsequent. Ich bin nicht gemein, ich bin nicht hinterhältig, sondern ich gehe ganz bewusst in alle Grauzonen hinein." Dann gebe es kein Rechts und kein Links, nur diesen einen Weg. Michaels Regel lautet: "Du musst manchmal brutal sein."

Aber wie Jenson da so liegt und mit traurigem Dackelblick den wohl verdienten, verlorenen Pommes nachtrauert, kommt Sebastian ins Grübeln. Er beschließt, den Rat von weiteren Koryphäen ihrer Zunft einzuholen. Sein Kumpel Hulk scheidet allerdings aus, da er sich gerade mit Rubinhos Elektrofahrrad im Kreis dreht und die Motorelektronik verflucht.

Statt Hulk sucht Seb Timo auf. Der ist professioneller Pokerspieler und müsste ihm ganz genau sagen können, wie er seine Nerven im Zaum hält. Doch Seb bemerkt bald, dass die Welt auch mit Pokerface nicht still steht. "Ich musste ausweichen und bin durch das 50-Meterschild gefahren", schildert Timo einen ähnlichen Vorfall wie Sebs. "Der Poker ging nicht auf, aber wenigstens haben wir es versucht."

Vielleicht die bessere Taktik: Ohren zu und durch, Foto: Red Bull/GEPA
Vielleicht die bessere Taktik: Ohren zu und durch, Foto: Red Bull/GEPA

Auch Nico kann Seb nicht helfen. Er scheint vielmehr sehr mit sich selbst beschäftigt zu sein - vielleicht nennen ihn deshalb alle Britney? "Ich fühlte mich im Auto nicht wohl", murmelt er immer wieder vor sich hin. Dabei scheint auch er jemanden angerempelt zu haben. "Ich habe öfters jemanden getroffen, aber es war unabsichtlich. Das war okay." Diese Ausreden kannte Seb aber schon. Jenson würde sie nie akzeptieren.

Also ging es weiter zu Adrian, der Seb in der Vergangenheit selbst heftig kritisiert hatte. Von ihm würde er sicher eine ehrliche Antwort erhalten. "Wenn der Fehlerteufel drin ist, ist man ein bisschen nervöser. Da passieren dann solche Sachen wie heute - jetzt muss er schauen, dass er das wieder hinkriegt", sagt Adrian. Mehr als "Schau mer mal" versteht Seb dabei nicht.

Was bleibt ihm also anderes übrig, als in die neutrale Schweiz zu reisen und Rat bei Sebastien zu suchen? Dessen minimalistischer Ansatz verblüfft Seb: "That's Racing." Mehr nicht. Muss man also doch nicht brutal sein? Weil er einmal in der Schweiz ist, besucht Seb erneut Michael, der mittlerweile alle Pokale in einen Umschlag gesteckt und versiegelt hat. Stattdessen trägt er einen grauen Spitzhut und nennt sich neuerdings Michael, der Graue. Sein geläuterter Rat verblüfft Seb noch mehr: "Weißt du, was das Schlimmste ist? Wenn sogenannte Fachleute im Nachhinein hingehen und Tipps verteilen."