Plötzlich saß Bruno Senna als Zuschauer vor dem Fernseher und Sakon Yamamoto an seinem 28. Geburtstag als Einsatzfahrer in einem Formel-1-Cockpit. Der Fahrerwechsel bei HRT überraschte am Donnerstagabend das gesamte Fahrerlager in Silverstone.

Eine offizielle Erklärung, wie es dazu gekommen ist, gab es nicht. Das Team teilte nur kurz mit, dass man Yamamoto in Silverstone einen Einsatz geben wolle, Senna aber in Hockenheim ins Cockpit zurückkehren werde.

Im Hintergrund sah es so aus: Yamamoto sollte tatsächlich in Silverstone fahren, allerdings als Ersatz für Karun Chandhok, dessen Sponsorenzahlungen überfällig waren. Somit wären bis Donnerstagnachmittag Senna und Yamamoto die Einsatzfahrer für Silverstone gewesen, immerhin hatte der Japaner fünf Millionen für den Rest der Saison im Koffer dabei.

Bruno Senna musste sich das Rennen von zuhause anschauen, Foto: Sutton
Bruno Senna musste sich das Rennen von zuhause anschauen, Foto: Sutton

Als Chandhoks Geld am Donnerstag doch noch eintraf und er damit seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt hatte, sah es für das Comeback des Japaners Yamamoto schlecht aus - HRT hatte plötzlich drei Fahrer, aber die beiden Stammpiloten hatten gültige Verträge. Keine einfache Situation für Teamchef Colin Kolles. Hätte er einen der Fahrer, etwa Senna, durch Yamamoto ersetzt, wäre das unter Umständen ein teurer Vertragsbruch geworden.

In diesem Moment spielte das Schicksal in die Hände des Teambosses - oder besser gesagt einige verirrte E-Mails. Eigentlich sollte Kolles nur auf die Fakten hingewiesen werden, dass Senna all seinen Verpflichtungen nachgekommen ist - doch irgendwie landeten auch noch einige nicht für Kolles bestimmte E-Mails mit kurzen, aber nicht ganz so netten Formulierungen zu seiner Antwort in seinem Posteingang.

Schon die McLaren-Spionage-Affäre lehrte: E-Mails sind in der Formel 1 eine heimtückische Geschichte, vor allem wenn sie der Empfänger gar nicht erhalten sollte - egal ob geheime Ferrari-Dokumente anhängen oder nicht. Für Kolles war es ein Glücksfall: Sein Zwei-Cockpits-Ein-Fahrer-Problem war gelöst; Yamamoto ersetzte den für ein Rennen abgestraften E-Mailschreiber Senna, das Team konnte zumindest einen Teil der japanischen Sponsorengelder einstreichen.

Dass Geld nicht alles ist, zeigt jedoch das weitere Vorgehen: Kolles und das Team lassen von dem Vorfall nichts nach außen dringen und entscheiden sich dazu, dass der sportlich bessere und schnellere Senna und nicht der finanziell lukrativere Yamamoto ab Hockenheim wieder im Cockpit sitzen wird. Also ein Happy End als Schlussstrich unter eine abstruse Version von "E-Mail für Dich".