"Das ist ein großer Tag für mich und für Australien", sagt Mark Webber mit einem Pathos, das fast schon an die erste Mondlandung erinnert.

"Nicht schlecht für einen Nummer-2-Fahrer", funkt Webber emotionslos an seinen Kommandostand.

Zwischen diesen beiden Aussagen liegt fast genau ein Jahr. Am 12. Juli 2009 startete Mark Webber auf dem Nürburgring in seinen 131. Formel-1-Grand Prix. 130 Mal blieb er zuvor sieglos. Dann schlug er ausgerechnet beim Heimrennen seines Teamkollegen Sebastian Vettel zu und vermieste diesem die Eifelparty. Für Webber war es ein neuer Rekord: Noch nie in der Geschichte hatte ein Fahrer so lange auf den ersten Sieg warten müssen - und es am Ende doch noch geschafft.

Mark Webber genoss seinen ersten Sieg am Nürburgring 2009, Foto: Sutton
Mark Webber genoss seinen ersten Sieg am Nürburgring 2009, Foto: Sutton

"Dieser Sieg ist sehr wichtig für mich, obwohl er aus mir keinen anderen Menschen machen wird", sagte er damals. Aber sehr wohl machte der Triumph aus Webber einen WM-Kandidaten. Nur noch 1,5 Punkte trennten ihn danach von Vettel. Trotz eines weiteren Sieges in Brasilien reichte es nicht, um 2009 bis zum Ende im Titelkampf mitzumischen.

Ein neuer Mansell?

Webber deswegen als Verlierer abzutun wäre aber falsch gewesen. Das sah man im Fahrerlager am Nürburgring, als sich sein Red-Bull-Team zum Gruppenfoto versammelte. Als Webber endlich von den Fernseh-Interviews zu seinem Team kam, wurde er wie ein Weltmeister empfangen. Eine riesige australische Fahne begrüßte ihn vom ersten Stock des Motorhomes. Auch der Champagner floss zu seinen Ehren. Niemand im Paddock neidete ihm den Erfolg.

Ein Jahr später liegt Webber sieben Punkte vor dem erklärten WM-Favoriten Vettel, hat als einziger Fahrer drei Saisonsiege eingefahren. "Das hätte ich zu Jahresbeginn niemals geglaubt", gesteht selbst Bernie Ecclestone. Webber galt als Teamplayer und gute Ergänzung zum Titelanwärter Vettel. Alle sprachen davon, dass auch Webber Titelchancen habe, immerhin hatte er bewiesen, dass er Rennen gewinnen kann und zählte der Red Bull vom Saisonbeginn an zu den schnellsten Autos, aber wirklich daran geglaubt hat niemand so recht.

Das Duell Webber gegen Vettel geht weiter, Foto: Red Bull/GEPA
Das Duell Webber gegen Vettel geht weiter, Foto: Red Bull/GEPA

Nach Webbers erstem Sieg 2009 jubelte Teamchef Christian Horner: "Vielleicht wird er der nächste Nigel Mansell." Der Brite galt Mitte der 80er Jahre schon als Auslaufmodell, bis er zu einem Siegfahrer reifte. Als Nelson Piquet 1986 zu Williams kam, dachte er, mit dem Teamkollegen Mansell leichtes Spiel zu haben. Stattdessen wurde es ein knallhartes Duell. Ein ebensolches entwickelte sich in diesem Jahr zwischen Vettel und Webber.

Krieg der Stiere

Den ersten Knall gab es nach der Kollision in Istanbul, wo sich beide im Kampf um die Spitze von der Strecke bugsierten und McLaren einen Doppelsieg schenkten. Danach kochten die Emotionen hoch und beherrschte Paranoia das Fahrerlager und die britischen Medien. Dem Team wurde eine Bevorzugung von Vettel nachgesagt, da dieser als Deutscher dem österreichischen Teambesitzer näher stehe und den besseren Marketingwert habe.

Die Anweisung, Webber in Istanbul zu überholen, der Chassistausch von Vettel und Webber und letztlich der weggenommene neue Frontflügel in Silverstone bauten eine Spannung auf, die sich bei Webbers Zieldurchfahrt entlud. "Nicht schlecht für einen Nummer-2-Fahrer", sagte er vor den Ohren von Millionen Fernsehzuschauern. In der Pressekonferenz legte er noch einmal nach: "Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich meinen Vertrag nicht verlängert."

Siegerpose. Aber auch am Saisonende?, Foto: Red Bull/GEPA
Siegerpose. Aber auch am Saisonende?, Foto: Red Bull/GEPA

Horner nahm ihm die Aussagen öffentlich nicht übel. So etwas passiere im Eifer des Gefechts. Auch eine Bevorzugung Vettels gebe es nicht. "Ich wurde nie unter Druck gesetzt, Sebastian zu bevorzugen, weil dies mehr Red Bull Dosen verkaufen würde", betonte er. Im Gegenteil: Da Webber nun die WM anführe, werde er beim nächsten Rennen die besseren Teile bekommen, sollte es denn nur eines davon geben. Das nächste Rennen ist wieder der Große Preis von Deutschland.

Riskante Strategie

Hat Webber also sein Ziel erreicht? "Mark glaubt, dass er mehr Einfluss hat, wenn er an die Öffentlichkeit geht und das Team beschuldigt, wenn er sich ungerecht behandelt fühlt", erklärt Ex-Red-Bull-Pilot und Red-Bull-Berater David Coulthard. Das ist eine riskante Strategie. "Wenn es schief geht, kann die Beziehung zum Team irreparabel beschädigt werden."

Sollte es gut gehen, wäre er der strahlende Held. "Es würde seine Position festigen, öffentliche Sympathien bringen und man würde ihn als den unbeugsamen Champion in Erinnerung behalten, der entgegen aller Wahrscheinlichkeit den Titel gewann." Das wäre dann ein großer Tag für Australien und alles andere als schlecht für einen Nummer-2-Fahrer.