"Sein Hunger nach Siegen wird bis zu dem Tag seines Todes nie gestillt sein." Mit diesen Worten beschrieb einst ein Freund Teamchef Frank Williams. Wenn Letzterer über die Formel 1 sprach, dann hörte es sich an als würde er in den Krieg ziehen. Niederlagen akzeptierte er nicht. Wenn sein Team in einem Rennen besiegt wurde, dann hieß es zurück in die Fabrik und arbeiten bis zum Umfallen.

Frank Williams war eines klar: Um im Formel-1-Business zu erleben, musste man ein Egoist sein, die eigenen Interessen standen im Vordergrund. Wenn man dabei jemanden auf die Füße treten musste, dann musste es eben so sein. Diskussionen waren überflüssig, denn jeder im Team wusste, dass der Brite sich nicht mehr als fünf Minuten Zeit nahm, um über Fragen zu debattieren. Mit seinem Führungsstil holte Frank Willliams 113 GP-Siege und zählt damit zu den erfolgreichsten Teamchefs in der Formel 1. Nur einer konnte diese Erfolge noch übertreffen: Ron Dennis. In seiner 40-jährigen Karriere holte der 61-jährige Brite mit McLaren Mercedes 138 GP-Siege und sieben Konstrukteurstitel.

Perfektion

Ron Dennis taucht dieses Jahr wieder öfter im Fahrerlager auf, Foto: Sutton
Ron Dennis taucht dieses Jahr wieder öfter im Fahrerlager auf, Foto: Sutton

Ron Dennis stand für Perfektion. Der Brite stellte an sich selbst und sein Team die höchsten Ansprüche, nicht bereit diese nur minimal zurückzuschrauben. Unbeeindruckt von den Kritikern, die sich mit Vorliebe auf jeden kleinen Fehler stürzten, zog er seine Linie bedingungslos durch. Dass die meisten mit McLaren Mercedes Wörter wie klinische Sauberkeit und Kälte verbanden, kümmerte ihn nicht. Beliebtheit oder Image waren dem Briten egal - nur der Erfolg zählte.

"Jeder möchte natürlich gern als der Beliebteste weit und breit durchs Leben gehen. Und man sieht ja, wie manche dieses Image gezielt kultivieren, perfekt und gleichzeitig liebenswürdig zu sein. Aber wenn man mich fragt, ob man das auch in einem so harten Wettbewerbsumfeld wie einem Formel-1-Team tun kann, dann würde ich das für sehr schwierig halten", erklärte Dennis. Als er 2009 in London für sein Lebenswerk mit dem Lifetime Achievement Award ausgezeichnet wurde, sagte der legendäre Formel-1-Kommentator Murray Walker in seiner Laudatio: "Er hat die Führung übernommen und die anderen sind ihm gefolgt."

Mit seinem perfektionistischen Führungsstil versuchte Dennis sein Team durch das politische Mienenfeld der Formel 1 zu manövrieren - dabei machte er sich nur wenig Freunde. Als der 61-Jährige den Formel-1-Zirkus als aktiver Teamchef verließ, ging einer der erfolgreichsten Teamchefs der F1-Geschichte. Doch kaum einer weinte ihm eine Träne nach.

Als Teamchef gegangen und als FIA-Präsident wieder aufgetaucht, ist Jean Todt. Als der Franzose zu Ferrari kam, brach er die alten, verkrusteten Strukturen auf und führte die Scuderia mit einer militärischen Disziplin zu einer nie da gewesenen Dominanz. Ohne die Zustimmung von Todt ging bei Ferrari nichts. "Um ein Segelboot schnell zu segeln, muss der starke Wind aus einer Richtung blasen", begründete der Franzose seinen gnadenlosen Führungsstil.

Der alten Riege der F1-Teamchefs waren Gefühlsausbrüche fremd. Wenn Dennis oder Todt auf der Kommandobrücke standen, hatten sie ihr Pokerface aufgesetzt. Nicht einmal, wenn sich eines von ihren Autos überschlug, veränderte sich ihr Mienenspiel. Lange Zeit funktionierten die Teams der ergrauten Männer als One-Man-Show. Niemals wäre es einem von ihnen in den Sinn gekommen, nackt in einen Pool zu springen, nur weil ihr Team das erste Mal auf dem Podest stand - der neuen Garde der Teamchefs schon.

Frischer Wind

Nachdem Red Bull Racing 2006 den ersten Podestplatz einfuhr, sprang Teamchef Christian Horner nur mit einem Superman-Umhang bekleidet in einen Swimmingpool. Stefano Domenicali, Christian Horner, Richard Branson & Co. verkörpern die nächste Generation mit einem völlig anderen Führungs- und Arbeitstil. Sie bringen frischen Wind in eine teils angestaubte Gesellschaft. Sie schlendern in Jeans und lässigen Hemden durchs Fahrerlager und genießen mit ihren Fahrern auch das eine oder andere Bier nach getaner Arbeit.

Jean Todt und Flavio Briatore haben einer jüngerne Generation Platz gemacht, Foto: Sutton
Jean Todt und Flavio Briatore haben einer jüngerne Generation Platz gemacht, Foto: Sutton

Auch bei Ferrari und McLaren hat man den Wechsel bereits vollzogen: Martin Whitmarsh nahm die Stellung von Dennis ein, Stefano Domenicali folgte Todt. Seit der Italiener das Kommando bei den Roten übernommen hat, herrscht eine familiäre statt militärische Atmosphäre. Für die Mitarbeiter steht die Tür des Teamchefs immer offen. Für Domenicali müssen Hierarchien zwar eingehalten werden, aber wichtiger sei es, eine Verbindung mit den Mitarbeitern zu haben.

Die neue Generation der Teamchefs ist offen und risikobereit. Statt im Rennen Punkte und Positionen zu wahren, wird auch einmal etwas riskiert. Dass man dabei auch die eine oder andere Niederlage einstecken muss, sehen sie als wichtigen Lernprozess. In Zeiten von Dennis, Williams & Todt unvorstellbar. Genauso unvorstellbar wie, dass ein Teamchef Journalisten seine private Handynummer gibt. Für Lotus-Teamchef Tony Fernandes ist es selbstverständlich.

"Die Teams konkurrieren natürlich, aber oft auf eine ziemlich idiotische Weise, sich gegenseitig zu vernichten, damit ist doch niemandem geholfen. Das zeigt auf eine gewisse Weise Mangel an Professionalität", meint Fernandes. Der Besitzer einer Airline will keinesfalls ein Besserwisser sein, stattdessen will er neue Perspektiven aufzeigen und einigen eingerosteten Mechanismen neue Impulse geben.

Der Spaß darf dabei nicht zu kurz kommen. So schloss Fernandes mit Richard Branson eine Wette ab, die es in Zeiten der grauen Männer nie gegeben hätte. Die beiden Airline Besitzer trafen die Vereinbarung, dass sich der Teamchef des in der Gesamtwertung schlechter platzierten Rennstalls nach der Saison in passender Stewardessenoutfit auf einem Flug um die Gäste kümmert. Eric Boullier, Teamchef von Renault, bringt es auf den Punkt: "Die Formel 1 besteht aus Zyklen. Heute entwickelt der Sport bereits sein Gesicht von morgen, das Fahrerlager füllt sich Stück für Stück mit einer neuen Generation."

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