Die Gefahr eines Hitzeschlags wollte am Nürburgring zu keinem Zeitpunkt aufkommen: So herrschte nach dem heißen Zandvoort-Zwist zwischen Audi und Mercedes nicht nur zunächst eine kühle Distanziertheit. Auch die Wetterlage trug zu einer herbstlichen Kühle bei: Bei rund 15 Grad blieb die Eifel unter einem Grauschleier aus Wolken verdeckt. Dass es am Sonntag nicht zu erneuten Regenschauern kam, trug dazu bei, dass sich auch das Geschehen auf der Strecke nur wenig hitzig präsentierte...

Kühler Kopf bei Audi

Martin Tomczyk behielt auch in der Eifel einen kühlen Kopf, Foto: Audi
Martin Tomczyk behielt auch in der Eifel einen kühlen Kopf, Foto: Audi

Ein Umstand, der Martin Tomczyk nach seiner Pole Position vom Vortag nicht ungelegen kam: Ein guter Start, ein rasch aufgebauter Vorsprung, zwei perfekte Boxenstopps, eine fehlerlose Leistung - das Erfolgsgeheimnis des siegreichen Bayern war auf dem Nürburgring schnell erzählt. Selbst Bruno Spengler, der die schnellste Runde des Rennens fuhr, musste gestehen: "Martin war über die Distanz einen Tick schneller als ich." Nachdem Tomczyk in Zandvoort kaum als Sieger der Herzen zu bezeichnen gewesen war, bewies der Jüngste im Abt-Audi-Quartett endgültig, dass er nicht umsonst als heißer Kandidat auf den Titel gilt. Dass Tomczyk auch nach den Rückschlägen von Nürnberg und Mugello einen kühlen Kopf behalten hatte, zahlte sich spätestens heute aus: Nur noch vier Punkte trennen Tomczyk von Spitzenreiter Ekström.

"Martin als Pole-Inhaber lange draußen zu lassen, war ungewöhnlich, aber ganz ohne Risiko. Er konnte auf alten Reifen ähnlich gute Zeiten fahren wie andere Fahrer auf neuen", erklärte Audi-Sportchef Dr. Wolfgang Ullrich die einfache, aber effektive Rennstrategie für Tomczyk, die ihn noch ausgeprägterer Form beim drittplatzierten Mattias Ekström zum Einsatz kam. Mit einer überzeugenden Aufholjagd hatte der Schwede sein missglücktes Qualifying wieder wettgemacht. Bevor die Zahl der Zweikämpfe zum Ende hin rapide zunahm, präsentierte sich das Eifelrennen für die Zuschauer als nicht immer uneingeschränkt transparenter, aber nicht uninteressanter Strategiekampf. Dass bei Bruno Spengler fast die gleiche Spätstopp-Strategie wie bei Tomczyk zum Einsatz kam, erhöhte zwar nicht die Chancen des Kanadiers auf den Sieg, wohl jedoch auf den am Ende verdient gegen die übrigen Audi-Piloten erkämpften zweiten Platz.

Abgekühlte Warmherzigkeit

Mike Rockenfeller stellte sich in den Dienst des Teams, Foto: DTM
Mike Rockenfeller stellte sich in den Dienst des Teams, Foto: DTM

Zwei Durchfahrtsstrafen und ein zeitweise "under investigation" befindlicher Tom Kristensen, nachdem dieser bei Ende der Safety-Car-Phase in den Verdacht geraten war, einen übergroßen Abstand zu Tomczyk und Scheider zu lassen: Die Zahl der Strafen war in Zeiten der neuen, bei der Bewertung von Fauxpas der Fahrer eher "warmherzigen" Rennleitung ungewöhnlich hoch. Erstmals in ihrer Amtszeit verhängte sie eine Drive-through-Penalty wegen einer Berührung auf der Strecke, nachdem Mike Rockenfeller und Markus Winkelhock am Start kollidiert waren. "Das war so ein typisches Missverständnis. Er ist nach links und ich bin nach rechts. Ich konnte nichts sehen, da man in den DTM-Bolden zur Seite kaum etwas sieht", beschreibt Rockenfeller, für den das Rennen nach Antritt seiner Strafe ebenso gelaufen war wie für Winkelhock, der in die Startmauer einschlug und die Safety-Car-Phase hervorrief. Ob die Verhängung einer Durchfahrtsstrafe für einen unabsichtlichen Unfall in der Startphase - zumal unter Markenkollegen - nötig war, blieb zweifelhaft.

Unzweifelhaft war hingegen die Durchfahrtsstrafe für Susie Stoddart. Was einst Spezialität Gary Paffetts war, unterlief am Sonntag der diesmal so konkurrenzfähigen Schottin. Bei der Ausfahrt aus der Boxenausfahrt überfuhr die Mercedes-Pilotin im Eifer des Gefechts die weiße Linie - hatte sie doch die teamstrategisch interessante Chance, direkt vor Mattias Ekström zurück auf die weiße Linie zu kommen. Dass Stoddart sich tatsächlich vor den Schweden setzte, dürfte man am Mercedes-Kommandostand nicht unerfreut zur Kenntnis genommen haben. Hatten sich die Stuttgarter doch zuvor über einen ungewöhnlich langsamen Tom Kristensen nur mäßig begeistert gezeigt...

Kühles Taktieren - keine überhitzten Kämpfe

Bruno Spengler wusste erneut restlos zu überzeugen, Foto: Sutton
Bruno Spengler wusste erneut restlos zu überzeugen, Foto: Sutton

"Tom Kristensen war langsamer als ich, ich kam nicht vorbei und Martin konnte einen Vorsprung aufbauen. Als ich Tom überholt habe, war Martin schon weit weg - diesen Rückstand habe ich später nicht mehr aufholen können", klagte Bruno Spengler, nachdem er sich in der Anfangsphase des Rennens auf Platz vier liegend zunächst vergeblich gemüht hatte, den Dänen zu überholen. Auch Bernd Schneider kam zu einer langatmigen Begegnung mit einem Audi-Piloten. "Rockenfeller hat mich ziemlich aufgehalten und durch das Manöver mit ihm sind meine Teamkollegen vorbeigekommen", ärgerte sich der Saarländer, während Rockenfeller durch die Blume gestand: "Ab meinem Strafantritt habe ich nur versucht, den Jungs da vorne so gut zu helfen wie ich konnte."

Die Entscheidung für gebrauchte Reifen während des ersten Stints des Rennens, die sich als falsch herausstellte, eine defekte Kupplung, die den Motor bei beiden Boxenstopps zum Absterben brachte, eine Performance, die auch ohne Mercedes im Rückspiegel nicht ganz an die der Teamkollegen heranreichte: Dass der Nürburg-Lauf ohnehin nicht das Rennen des Tom Kristensen war, ist unbestritten. Die Bemühungen beider Lager, vor den Speerspitzen der Konkurrenz immer wieder so manch weniger schnellen Vertreter der eigenen Marke zu platzieren, blieben allerdings nicht im Verborgenen. Nach der Vielzahl an strittigen Manövern in Zandvoort blieben die Zweikämpfe allesamt im unzweifelhaft fairen Rahmen. Seit langem hatten nicht mehr so viele Fahrzeuge ohne äußere Blessuren die Ziellinie überquert...

Kühlere Gemüter

Tom Kristensen sorgte bei Norbert Haug nicht für Begeisterung, Foto: Sutton
Tom Kristensen sorgte bei Norbert Haug nicht für Begeisterung, Foto: Sutton

Wenngleich Mercedes-Sportchef Norbert Haug dem Mittel der Stallorder in der DTM-Geschichte nicht immer so abgeneigt war, wie man nach jüngsten Äußerungen hätte glauben können: Auf dem Nürburgring blieb er zweifelsohne konsequent. Während Timo Scheider seinen dritten Platz diesmal auf elegantere Art und Weise an Mattias Ekström abtrat, unternahm Mercedes in der Endphase des Rennens keine Versuche, Titelkandidat Bernd Schneider vor Jamie Green und Paul Di Resta zu beordern.

Die sinngemäße Frage in der sonntäglichen Pressekonferenz, ob sich die Rivalität zwischen Audi und Mercedes nach einem ruhigen Eifelrennen wieder auf Normalmaß befindet, bejahte er nur eingeschränkt. Verweise auf Zandvoort konnte er sich nicht verkneifen; dass der vor der Mercedes-Armada liegende Tom Kristensen vor dem Neustart des Rennens nach der Safety-Car-Phase einen mehr als "zwei Wagenlängen" großen Abstand auf das Audi-Führungsduo ließ, stieß ihm übel auf. So sei das im Reglement nicht vorgesehen - eine Behauptung, die die Ingolstädter mit Verweis auf selbiges Regelwerk und die dort festgehaltenen "fünf Wagenlängen" zurückwies.

Die nach Zandvoort arg erhitzten Gemüter der Protagonisten haben sich mittlerweile wieder abgekühlt - wirklich kühl sind sie noch nicht. In Barcelona dürfte sich der Kampf um die Meisterschaftskrone wieder zuspitzen: Während Mika Häkkinen nach einem enttäuschenden Nürburgring-Rennen alle Titelchancen verlor, sind Bernd Schneiders und Paul Di Restas Chancen auf den Meisterschaftsgewinn eher theoretisch. Mit zehn Punkten Rückstand auf Mattias Ekström hat sich jedoch Bruno Spengler als Mercedes-Speerspitze kristallisiert. Gewohnt cool, aber auch selbstkritisch kommentierte Jamie Green derweil seine nicht ganz geglückte Schützenhilfe für Spengler: "Eine der Schlüsselszenen war, dass unser Hauptrivale Ekström mich überholen konnte. Das war sehr enttäuschend für mich und das Team im Besonderen."