So machen Tourenwagenrennen Spaß: Nach den harten Auseinandersetzungen in Zandvoort waren die Überholmanöver auf dem Nürburgring wieder allesamt im grünen Bereich. Mika Häkkinen setzte seine Ankündigung, die Gegner gewohnt gentlemanlike zu passieren, in die Tat um, seine Kollegen taten es ihm gleich: Wir haben tolle Duelle und gute Zweikämpfe gesehen, in denen es zwar zur einen oder anderen Berührung kam, allerdings alles im fairen Rahmen blieb. Dass nach wie vor Spannungen zwischen Audi und Mercedes sowie den beiden Sportchefs bestehen, ist zwar unbestritten - doch das gehört in einer spannenden DTM-Saison einfach dazu.

Martin Tomczyk überzeugte auf ganzer Linie - Ekström muss sich in Acht nehmen..., Foto: Sutton
Martin Tomczyk überzeugte auf ganzer Linie - Ekström muss sich in Acht nehmen..., Foto: Sutton

Für die Zuschauer zu Hause und auf den Tribünen war es auch am Nürburgring zeitweise nicht einfach, im Strategiekampf der Marken den Überblick zu behalten. Solange die beiden Boxenstopps nicht in einem festgelegten Zeitfenster absolviert werden müssen, wird uns dieses Problem weiterhin begleiten. Für das kommende Jahr sollte man daher in Erwägung ziehen, ebendiese Zeitfenster reglementarisch vorzuschreiben. So würden die in diesem Jahr extrem unterschiedlichen Rennstrategien wieder deckungsgleicher, was auch den Jahreswagen, die mit ihrer Rennstrategie gelegentlich den Neuwagen behilflich sein müssen, zugute käme.

Unverständliche Strafe

Die Durchfahrtsstrafe für Mike Rockenfeller war nicht im Geringsten nachvollziehbar. Markus Winkelhock und Mike konnten einander nicht sehen, zumal sich Mike bereits ein Stück vor Markus befand. Markus musste der am Samstag erfreulich starken Susie Stoddart ausweichen, auf der Mitte der Strecke berührten sich die beiden Audi-Piloten. Eine unglückliche Situation, die man niemandem zum Vorwurf machen kann. Offenbar wollte die Rennleitung nach der Kritik an ihrem milden Vorgehen in Zandvoort eine härtere Linie einschlagen, die allerdings in dieser Umsetzung völlig unverständlich war.

Auch nach meinem ersten Eindruck hielt Tom Kristensen die folgenden Mercedes-Piloten zunächst ein wenig auf, allerdings zeigte sich dann, dass Tom auf seinem ersten Reifensatz schlichtweg nicht auf Touren kam. Die Situation zum Ende der Safety-Car-Phase, als Tom aus Mercedes-Sicht eine zu große Lücke zum Audi-Führungsduo entstehen ließ, will ich nicht überbewerten. Auch was sonstige angebliche Blockadeversuche angeht, halte ich nicht viel von allzu eifrigen Interpretationen:

Von außen ist es nur schwer zu beurteilen, ob ein Fahrer tatsächlich noch die eine oder andere Zehntelsekunde schneller fahren könnte, wenn er denn wollte. Es reicht ein nicht ganz perfekter Reifendruck - und schon ist man in den Augen der Gegner "zu langsam". Fest steht, dass Mike Rockenfeller vor Bernd Schneider liegend schlicht und einfach nicht schneller konnte, nachdem er immer wieder offensichtliche Quersteher zu beklagen hatte. Wir alle wollen Positionskämpfe sehen - und nicht, wie der Hintermann auf frischen Reifen vom Vordermann auf abgenutzten Pneus vorbeigewinkt wird.

Zum Thema Stallorder hat Norbert Haug seine Linie deutlich gemacht und auch diesmal wieder umgesetzt. Zwar gab es in früheren Saisons genug Situationen, in denen Mercedes zur Teamorder griff. In diesem Jahr allerdings kann ich mich an keine Stallorder der Stuttgarter erinnern - wofür Bernd auf dem Nürburgring das beste Beispiel war. Bernd als zweitbestem Mercedes-Piloten in der Meisterschaftstabelle ist im Kampf mit Mike ein Fehler unterlaufen, woraufhin er von zwei Markenkollegen überholt wurde. Im Sinne der Zuschauer ist es nur positiv, dass Mercedes hier nicht per Funkspruch eingriff.

Ein Schicksalsrennen

Schneider musste hinter dem strauchelnden Rockenfeller seine Markenkollegen passieren lassen, Foto: DTM
Schneider musste hinter dem strauchelnden Rockenfeller seine Markenkollegen passieren lassen, Foto: DTM

Jamie Green ist in der Eifel lange ein gutes Rennen gefahren. Was allerdings im Duell mit Mattias Ekström passiert ist, kann ich nicht nachvollziehen. Nahezu mühelos ist Mattias an Jamie vorbeigezogen - womit der Brite seinem Team im Meisterschaftskampf keine große Hilfe war. Nach diesem Fehler und nunmehr 29 Rennen ohne Sieg würde es mich doch sehr wundern, wenn er 2008 zum vierten Mal ein Cockpit im Neuwagen bekäme. Auf dem Nürburgring hat Jamie sein Schicksal leider besiegelt - und so kann sich wohl ein anderer Brite auf die Chance im Neuwagen freuen. Auch auf dem Nürburgring hat sich Paul Di Resta in seinem 2005er-Mercedes mit einer unauffälligen, aber gewohnt souveränen Fahrt in die Punkteränge für Jamies Nachfolge empfohlen. Alexandros Margaritis und Daniel La Rosa, nach einem sehr guten Qualifying am Sonntagmorgen erneut vom Technikpech geplagt, werden sich bei allem Respekt vor ihren Leistungen hinter Paul anstellen müssen.

Martin Tomczyk ist in seiner jetzigen Form ein ganz heißer Kandidat für den Meisterschaftstitel. Auf dem Nürburgring hat er über das ganze Wochenende hinweg eine makellose Leistung und das wohl beste Rennen seiner Karriere gezeigt; und ebenso wie den Traditionskurs in der Eifel mag er auch die beiden Austragungsorte der noch folgenden Rennen, Barcelona und Hockenheim. Mattias wird sich mit nur vier Punkten Vorsprung vor Martin sehr in Acht nehmen müssen, nachdem er nun zweimal deutlich hinter ihm ins Ziel gekommen ist. Bruno Spengler darf sich nach seinem guten zweiten Platz auf das nächste Rennen freuen, wo die Neuwagen beider Marken wieder mit identischem Gewicht antreten. Mit Blick auf die letztjährige Barcelona-Performance der Audi-Boliden sowie den Rennspeed der Ingolstädter über die aktuelle Saison hinweg wird es Mercedes dennoch schwer haben...