Kaum jemand kennt die Geschichte der DTM besser als der langjährige Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug. Der 70-Jährige setzte sich in der Vergangenheit mehr als nur einmal höchstpersönlich für den Fortbestand der 1984 gegründeten Traditionsserie ein, die zahlreiche Stars hervorbrachte und auf deren Plattform heutige Formel-1-Fahrer einst ihr Rüstzeug erlernten.
Haug verfolgt die DTM auch seit dem Reglementwechsel von reinen Prototypen auf die GT3-Autos ganz genau, und richtet nun in der Bild-Zeitung einen Appell an die Verantwortlichen: "Ich habe alle Rennen live an den Strecken gesehen. Nicht alle waren große Knaller, aber etliche dafür umso mehr. Und das Gesamtpaket DTM ist allemal vielversprechend. Allerdings ist die Serie noch immer viel zu teuer."
ADAC-Motorsportchef: "Es muss weiter gespart werden"
In der Tat ist die Kosten-Frage eines der großen Themen hinter den Kulissen. Im großen Starterfeld der knapp 30 Autos arbeiten die Teams mit deutlich unterschiedlichen Budgetmöglichkeiten. Selbst Teams, bei denen man es nicht erwarten würde, prüfen ihren Verbleib in der DTM angesichts der anfallenden Kosten sehr genau. Der ADAC als neuer Promoter befindet sich seit geraumer Zeit im Gespräch mit den privaten Rennställen, die einen Großteil der Gelder selbst aufbringen müssen.
"Insgesamt ist die Richtung klar, es muss weiter an den Kosten gespart werden", bestätigte ADAC-Motorsportchef Thomas Voss vor geraumer Zeit. "Aber auch nicht zu Lasten der Show. Wir haben bis jetzt tolle Rennen und fairen Sport gesehen. Wir wollen alle in die gleiche Richtung. Es ist wichtig, dass man sich schnell einig wird über Einsparmaßnahmen."
DTM streicht neuntes Rennwochenende aus Kostengründen
Ein mögliches neuntes Event im DTM-Rennkalender 2024 wurde mit Blick auf die finanzielle Zusatzbelastung bereits ad acta gelegt. "Es ist geboten, auf die finanzschwächeren Teams Rücksicht zu nehmen und nicht mit aller Gewalt Ausgaben zu tätigen, um irgendjemandem ein neuntes Wochenende zu gönnen", machte Voss klar.
Der ADAC will aus Kostengründen auf ein stabiles Reglement setzen und Änderungen nur mit Bedacht umsetzen. So wurde die Einführung einheitlicher, elektrischer Schlagschrauber für die Boxenstopps diskutiert, jedoch für das kommende Jahr offenbar nach Gesprächen abgelehnt. Ein weiteres Thema, um Geld zu sparen, ist eine zusätzliche Verknappung der verfügbaren Reifensätze - ein Set Pirelli-Reifen kostet 2.150 Euro - pro Rennwochenende.
Bei jeder Neuerung müsse man laut Voss im Blick haben, ob sie für die Teams einen vertretbaren Aufwand bedeuten. Zeiten, in denen die großen Hersteller Audi, BMW oder Mercedes-Benz komplett für die DTM-Renneinsätze der Teams aufkamen, sind längst vorbei. Zwar erhalten die meisten Teams weiterhin eine Form der Werksunterstützung, die reicht aber bei Weitem nicht für die komplette Finanzierung. Voss: "Es gibt Teams, die wirtschaftlich nicht so gut aufgestellt sind wie andere. Um sie nicht zu verlieren, muss man die eine oder andere Veränderung um ein Jahr aufschieben."
Norbert Haug: "Es wird zu viel getestet"
Wo die Rennställe richtig viel Geld sparen könnten, ist klar: bei den teilweise ausufernden Testfahrten abseits der Rennwochenenden. "Es wird viel zu viel getestet", bekräftigt Haug. "Das ist ein Nachhaltigkeits-Thema! Man darf künftig nicht weiter sinnlos Reifen und Sprit verheizen. Teilweise werden an einem Testtag pro Auto zehn Sätze - also 40 Reifen oder gar mehr - für kurze Qualifying-Übungen verbraucht. Ein einziger Testtag kostet 40.000 Euro und mehr. Das hat keine Zukunft."
Haug, unter dessen langjähriger Führung Mercedes-Teams in der DTM von 1992 bis 2012 ganze 32 Meisterschaften gewannen, sprach sich sogar für ein komplettes Testverbot aus: "Die Formel-1 testet gar nicht - die DTM unbegrenzt. Das kann also nicht die richtige Rezeptur sein."
Bei der Anzahl der jährlichen Privat-Testfahrten zeigt sich zumeist, wer sich den inzwischen hochpreisigen GT3-Rennsport wirklich leisten kann - und wer nicht. In früheren Hersteller-Zeiten waren die Testfahrten streng limitiert, wegen der einzigartigen Silhouetten-Prototypen aber auch einfacher zu überwachen. Im heutigen Wust der tausenden GT3-Autos und schier unzähligen Rennserien rund um den Globus glauben viele Experten, dass Testverbote nur zu leicht zu umgehen sind.
Thomas Voss: "Testverbote finde ich schwierig"
ADAC-Motorsportchef Voss zeigte sich angesichts eines möglichen Testverbots skeptisch: "Testverbote finde ich schwierig. Es gibt zu viele GT3-Serien. Der GT3-Sport bietet ja Möglichkeiten, mit dem gleichen Modell noch in anderen Serien zu fahren. 'Was du nicht kontrollieren kannst, das solltest du auch nicht verbieten', habe ich mal gelesen." In diesem Jahr bot der ADAC den Teams mehrfach die Gelegenheit, am Donnerstag vor einem Rennwochenende auf der jeweiligen Strecke zu testen. Drum herum werden aber weiterhin kräftig Runden gedreht...
Die Gespräche zwischen dem ADAC und den in der DTM engagierten Teams sind fortlaufend, auch beim bevorstehenden Saisonfinale auf dem Hockenheimring (20.-22. Oktober). Haug wirft einen umfangreicheren Sparkatalog in den Ring, spricht auch von verkürzten Freien Trainings und stellt die Renndauer - aktuell 60 Minuten - zumindest in Frage.
"Wenn weniger Material gebraucht wird, können die Teams statt mit vier mit zwei Trucks an die Strecken reisen, und es wird die Hälfte an Sprit verbraucht", rechnet Haug, der die DTM nach seiner Mercedes-Zeit weiter als TV-Experte begleitete, vor. "Die Gesamt-Budgets der Teams könnten so um rund 30 Prozent sinken. Und ich bin überzeugt: Ohne Tests werden die Rennen besser und spannender. Es gibt mehr Überraschungsmomente, die Fahrer sind entscheidender und stehen mehr im Mittelpunkt."
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