Old but Gold: Die DTM feiert in diesem Jahr ihren 40. Geburtstag. Was heute als bekannteste Tourenwagenserie der Welt anerkannt ist, hatte einst am 11. März 1984 mit dem 'Bergischen Löwen' auf dem Circuit Zolder ihren Anfang genommen. 24 Tourenwagen von 14 unterschiedlichen Marken traten damals in der 'Klassenlosen Gesellschaft' der Deutschen Produktionswagen-Meisterschaft an, aus der im Jahr 1986 schließlich die DTM hervorgegangen ist. Harald 'Nippel' Grohs im Vogelsang-Valier-BMW 635 CSi siegte im regnerischen Zolder vor drei weiteren Markenkollegen, während sich der spätere Opel-Motorsportchef und heutige Manta-Kutscher Volker Strycek als erster Meister in den Geschichtsbüchern verewigte.

40 Jahre, einige Krisen und eine Wiederbelebung später, steht die DTM auf soliden und gleichsam wackligen Beinen. Das im Jahr 2021 notgedrungen durch Ex-Boss Gerhard Berger eingeführte GT3-Reglement bedeutete eine Zäsur, die inzwischen der ADAC als neuer Promoter fortführt. Der zweitgrößte Automobilklub der Welt bildet eine starke Basis für die deutsche Traditionsserie, sieht sich aber mit den gleichen Herausforderungen konfrontiert, die die DTM seit inzwischen vier Jahrzehnten prägen: der Sorge vor steigenden und irgendwann nicht mehr zu stemmenden Kosten.

Wichtigste DTM-Neuerung: Testfahrten werden reduziert

Mussten früher die Motorsportchefs der Autobauer ihre jeweiligen Vorstandsetagen vom Verbleib in der DTM überzeugen, ächzen heute die zahlreichen Kundenteams unter dem hohen finanziellen Aufwand. Die Serie mit den drei Buchstaben leistet sich den Luxus, ihrer erfolgreichen DNA treu zu bleiben - Sprintrennen ohne Fahrerwechsel und Werks- statt Pay-Driver in den Cockpits - doch damit avanciert sie zur teuersten GT3-Plattform der Welt hinter der neuen LMGT3-Klasse in der Langstrecken-Weltmeisterschaft.

In wirtschaftlich höchst herausfordernden Zeiten tun sich viele Privatteams schwer, mehr als eine Million Euro pro Auto für eine DTM-Saison aufzutreiben. Und so war es kein Wunder, dass das Starterfeld im Vergleich zu 2023 von 28 auf 'nur' noch 20 Fahrzeuge geschrumpft ist. Eine Lösung musste über den Winter her, um diesem Negativtrend Einhalt zu gebieten. Die ADAC-Verantwortlichen um Motorsportchef Thomas Voss und ADAC-Sportpräsident Dr. Gerd Ennser orteten korrekterweise die privaten Testfahrten als unnötigsten Kostentreiber.

"Teilweise werden an einem Testtag pro Auto zehn Sätze - also 40 Reifen oder gar mehr - für kurze Qualifying-Übungen verbraucht. Ein einziger Testtag kostet 40.000 Euro und mehr. Das hat keine Zukunft", hatte der langjährige Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug schon vor dem letztjährigen Saisonfinale mahnend vorgerechnet. Es dauerte einige Monate, bis sich der ADAC zusammen mit den Herstellern und Teams auf eine Einschränkung der Testfahrten einigen konnte.

Die neue Regelung ist aufwendig formuliert worden, um Schlupflöcher zu schließen. Effektiv gilt für die Teams von März bis Oktober: Ein in der DTM eingeschriebener Rennstall darf an maximal fünf verschiedenen Orten limitierte DTM-Tests durchführen, und nur einmal pro Saison am selben Ort. Während eines solchen Tests sollen Teams und Fahrer nicht mehr als drei neue Reifensätze - Pirellis kosten ca. 2.150 Euro pro Satz - verwenden. Ein Online-Nennungs-System soll für Transparenz sorgen und den Teams die Gelegenheit geben, sich gegenseitig zu überwachen.

Clemens Schmid mit Dörr-Lamborghini bei DTM-Testfahrten auf dem Hockenheimring 2024
Neue Marke im DTM-Starterfeld 2024: Dörr Motorsport mit zwei McLaren 720 S GT3, Foto: DTM

DTM: Testfahrten-Einschränkung ein "Gentlemen's Agreement"

"Zunächst musste die Notwendigkeit erkannt und von allen akzeptiert werden", sagte ADAC-Motorsportchef Thomas Voss zu Motorsport-Magazin.com. "Das erforderte Diskussionen. Dann kam die Frage nach dem 'Wie'. Es gab verschiedene Möglichkeiten, die alle geprüft wurden. So etwas braucht Zeit. Schließlich haben wir ein Gentlemen's Agreement gefunden, das auf die Vernunft der Teams setzt. Ja, es ist jetzt etwas kompliziert, aber wir haben einen Ansatz gefunden, auf dem wir aufbauen können. Das Ziel muss sein, das Ganze langfristig zu etablieren. Tests sind in jedem Sport notwendig, aber durch eine Koordination kann viel Geld für Reifen und Kraftstoff gespart und der Nachhaltigkeitsgedanke erfüllt werden."

Bislang gab es kaum Einschränkungen bezüglich privater Testfahrten. Es galt im Prinzip: Wer mehr Geld hat, kann mehr testen und sich dadurch einen Vorteil verschaffen. Das schlug sich auch in der Meisterschaft 2023 nieder: Die fünf bestplatzierten Teams (Manthey-Porsche, SSR-Lamborghini, Abt-Audi, Schubert-BMW und HRT-Mercedes) sollen laut Branchenkennern auch mit Herstellerunterstützung die größten finanziellen Mittel zur Verfügung gehabt haben.

Die Einschränkung der Testfahrten soll nur der Anfang gewesen sein. Ein komplettes Verbot wurde diskutiert, konnte aber nicht durchgedrückt werden. "Es war ein erster Schritt, weil sich jedes Team dafür ausgesprochen hat, dass die Reduzierung in Zukunft noch stärker ausfallen sollte", bestätigte der frühere DTM-Champion und heutige Abt-Motorsportdirektor Martin Tomczyk. "Es gab Diskussionen und man hat einen guten Kompromiss für das erste Jahr gefunden. Vielleicht werden wir das für die kommenden Jahre noch verschärfen."

Red Bull kehrt mit Abt Sportsline in DTM zurück

Weitere Kosteneinsparungen werden nötig sein, um den Aderlass im Teilnehmerfeld zu stoppen. Mit Abt Sportsline engagiert sich 2024 nur noch ein Audi-Kundenteam in der DTM. Während der Autoveredler aus Kempten das Budget auch mit Hilfe des zurückgekehrten Sponsors Red Bull stemmen konnte, ging es für die weiteren Audi-Teams Attempto und Engstler nicht weiter. Die drei fehlenden Audi R8 LMS GT3 sind auch der nun ausbleibenden Unterstützung durch Audi Sport geschuldet, über die wir exklusiv und mehrfach berichtet hatten.

Ähnlich sieht es beim Porsche-Kontingent aus: Das Team 75 von Le-Mans-Sieger Timo Bernhard hat nach zwei starken DTM-Saisons den Stecker gezogen und engagiert sich nun im Porsche Carrera Cup. Für das Team Toksport WRT war nach nur einem Jahr Feierabend, womit 2024 nur noch zwei anstelle von sechs Porsche 911 GT3 R an den Start gehen werden. Dass die beiden verbliebenen 911er vom langjährigen Porsche-Werksteam und amtierenden DTM-Meister, der Manthey-Mannschaft aus der Eifel, ins Feld geführt werden, ist keine Überraschung. Die anderen Porsche-Kundenteams und ihre Sponsoren haben gemerkt, dass sie gegen das Manthey-Paket schlichtweg chancenlos sind.

Den 1996 von Olaf Manthey gegründeten Erfolgsrennstall dürfte das alles wenig kümmern, längst hat das Projekt 'Titelverteidigung' mit dem ikonischen Grello-Porsche von Champion Thomas Preining begonnen. Der Porsche-Werksfahrer aus Österreich startet als Favorit in die neue Saison und hat mit dem türkischen Porsche-Vertragsfahrer Ayhancan Güven einen neuen Teamkollegen erhalten, der bei seinem Manthey-Debüt auf Anhieb das 12-Stunden-Rennen in Bathurst gewinnen konnte.

Ricardo Feller mit Abt Sportsline bei DTM-Testfahrten auf dem Hockenheimring 2024
Red Bull kehrt als Sponsor zu Abt Sportsline zurück, Foto: DTM

Spannende DTM-Duelle bei SSR-Lamborghini und Schubert-BMW

Experten erwarten einen ähnlich engen Meisterschaftskampf wie im Vorjahr. Zu Preinings und Mantheys schärfsten Gegnern dürfte erneut der Münchner Lamborghini-Rennstall SSR Performance um Teamgründer Stefan Schlund zählen. Dem ehrgeizigen Unternehmer, für den nichts als der Titelgewinn zählt, ist es gelungen, mit Lamborghini-Werksfahrer Mirko Bortolotti und Aston-Martin-Star Nicki Thiim zwei der besten GT3-Piloten der Welt zu verpflichten. Das Teamduell zwischen dem amtierenden Vize-Meister aus Italien und dem ultraerfahrenen Rennfahrersohn verspricht eines der spannendsten sowie engsten der Saison zu werden.

Das gilt ebenso für den spektakulären Dreikampf beim früheren Meister-Team Schubert Motorsport: Mit dem zweifachen DTM-Champion Marco Wittmann gesellt sich erstmals ein dritter BMW-Fahrer zur Truppe von Torsten Schubert, die wie im Vorjahr die beiden Meister Rene Rast und Sheldon van der Linde ins Feld führt. Während Letztgenannte von der Agentur Pole Promotion betreut werden und seit vielen Jahren befreundet sind, hat Wittmann noch eine Rechnung mit der DTM zu begleichen. Nach drei eher schwierigen Jahren bei den Teams Walkenhorst und Project 1 brennt der 34-Jährige darauf, zu zeigen, dass er auch im BMW M4 GT3 zu den weltbesten GT-Piloten gehört. Die Schubert-Konstellation mit drei Champions am Steuer verspricht schon jetzt Zündstoff-Potenzial und sorgt für einigen Wirbel in der Szene.

Im Reigen der 20 DTM-Fahrer gehen immerhin 14 aktuelle oder frühere Werksfahrer an den Start, quasi die Creme de la creme des GT-Rennsports. Inzwischen hat auch Mercedes-AMG gemerkt, dass das Konzept, bei jedem Kundenteam einen Junior-Fahrer neben einem Profi zu platzieren, wenig erfolgsversprechend ist. AMG-Veteran Maro Engel ist vom Aussteiger Landgraf zu Winward gewechselt und ersetzt dort David Schumacher, der sich stattdessen in der Rahmenserie ADAC GT Masters weiter mit GT3-Boliden vertraut macht. Engel bildet mit dem Österreicher Lucas Auer sicherlich eines der stärksten Aufgebote beim Rennstall aus Altendiez. Das Mercedes-AMG Team HRT vertraut unterdessen zum dritten Mal in Folge auf die AMG-Kombination bestehend aus Luca Stolz - 2023 auf Platz sechs der bestplatzierte aller Mercedes-Piloten - und dem Inder Arjun Maini.

Nur ein Rookie-Fahrer im DTM-Starterfeld 2024

Nur ein einziger Rookie gesellt sich ins DTM-Starterfeld 2023: Der erst 19-jährige Ben Dörr, der einen der beiden McLaren 720S GT3 aus dem Team seines Vaters bei Dörr Motorsport steuert. Der Luxusautohändler gibt sein Debüt in der deutschen Traditionsserie und erhält beim Einsatz zusätzliche Unterstützung von Mitarbeitern des ehemaligen BMW-Kundenteams Project 1, das im 30. Jahr seines Geschäftsbestehens einen Insolvenzantrag stellen musste. Mit McLaren gehen nun sieben Marken in der DTM an den Start. Paul Motorsport mit DTM-Rennsieger und Teamchefsohn Maximilian Paul ist der zweite Neueinsteiger.

Damit ist überraschenderweise der italienische Kulthersteller Lamborghini mit fünf Huracan GT3 Evo2 am häufigsten in der Startaufstellung vertreten. "Das hat uns auch etwas überrascht, aber wir wissen um den Wert der DTM als Motorsport-Plattform", sagte Lamborghini-CTO und Interims-Teamchef Rouven Mohr am Rande des WEC-Rennens in Imola zu Motorsport-Magazin.com. Die Saison 2024 beginnt in Oschersleben (26.-28. April) und umfasst wie im Vorjahr acht Rennwochenenden mit 16 Sprintläufen.