Über der DTM schweben jetzt die Gelben Engel. Mit der Rechteübernahme durch den ADAC hat für die 1984 gegründete Traditionsserie ein neues Zeitalter begonnen. Der zweitgrößte Automobilklub der Welt und wichtigste Motosportveranstalter in Deutschland hat sich mittelfristig das ambitionierte Ziel gesteckt, die DTM zurück zum himmlischen Glanz alter Zeiten aus den 90er-Jahren zu führen, als die Serie hinter Schumis Formel-1-Ära die unangefochtene Nummer 2 war.

Der späte Saisonauftakt in der heimischen Motorsport Arena Oschersleben - zum Glück nicht mehr wie unter Gerhard Bergers Zeiten vor leeren Rängen in Monza oder Portimao - war ein vielversprechender. Der ADAC weiß um den deutschen Kern sowie den historischen Wert der DTM und bat, das kam bei allen Beteiligten gut an, sogar zum abendlichen Legenden-Treffen. DTM-Gründer und HWA-Boss Hans Werner Aufrecht sowie Rennsport-Größen a la Norbert Haug, Ernst Moser oder Rekordmeister Bernd Schneider gaben sich die Ehre. Ex-Chef Berger blieb der Veranstaltung trotz Einladung fern.

Legenden-Treffen in Oschersleben mit dem Who is Who des deutschen Rennsports, Foto: ADAC Motorsport
Legenden-Treffen in Oschersleben mit dem Who is Who des deutschen Rennsports, Foto: ADAC Motorsport

Überhaupt war der Motorsport-Promi-Auflauf in der beschaulichen Magdeburger Börde, wo einst Superstars wie Lewis Hamilton, Sebastian Vettel oder Mika Häkkinen ihre Runden drehten, größer als in jeder anderen GT3-Rennserie. Obwohl 'nur' noch Kundensport, gaben sich die Motorsportchefs von Audi, BMW oder Lamborghini die Klinke in die Hand. Das ist aus sportlicher Sicht nicht entscheidend, gibt aber einen eindeutigen Hinweis auf die Relevanz der DTM, die wegen ihrer Historie und dem starken TV-Partner ProSieben eben nicht "nur eine weitere GT3-Rennserie" ist.

Und genau diesen Charakter muss sich die DTM bewahren in einem weltweiten Wust an GT3-Serien, die an jedem Wochenende rund um den Globus ihre Rennen austragen und bei deren Vielzahl kaum ein Fan noch folgen kann. Sie fahren in England und Italien, in Asien, Australien, den USA, Südafrika, bei Sprint- und Endurance-Rennen, immer die gleichen Autos, oft die selben Fahrer. Das einstige Qualitätsprädikat namens 'DTM-Fahrer' existiert nicht mehr. Vorsicht vor der völligen Verwässerung, liebe Hersteller...

35.000 Zuschauer beim DTM-Auftakt in Oschersleben, Foto: ADAC Motorsport
35.000 Zuschauer beim DTM-Auftakt in Oschersleben, Foto: ADAC Motorsport

"Ist das hier das ADAC GT Masters?", fragte der eine oder andere Rennsport-Veteran beim DTM-Auftakt in Oschersleben mit leichter Häme in der Stimme. Der ADAC als neuer Veranstalter vertraut größtenteils auf sein vorhandenes wie bewährtes Konzept und Personal, hier und da hätte man sich allerdings etwas frischen Wind gewünscht. Mit Eigenwerbung an der Strecke hielt sich der Automobilklub unterdessen vornehm zurück.

Die Zuschauer - immerhin 35.000 am Wochenende trotz eines praktisch nicht existenten PR-Vorlaufs - dürften sich über den neuen Anstrich freuen. Nicht nur ist der Eintritt ins einst kostspielige Fahrerlager frei, auch kommen sie den Piloten und Teamchefs nah wie nie zu Hersteller-Zeiten. Die Marken-Paläste und Fahrerlager-Truck-Paraden vermisst kaum jemand in der GT3-DTM - die Marketing-Power der Autobauer dafür umso mehr. Heute sind die Budgets an allen Ecken und Enden spürbar knapper.

Knapp 30 Autos von 6 Marken starten in der DTM, Foto: LAT Images
Knapp 30 Autos von 6 Marken starten in der DTM, Foto: LAT Images

Dass es dem neuen BMW-Team Project1 nicht gelang, eines seiner beiden Cockpits pünktlich zum ersten Rennen an den Mann zu bringen, sollte von allen Beteiligten als deutlicher Warnschuss erkannt werden. Früher hätten sich Rennfahrer und ihre Sponsoren nur allzu gerne in den Reigen der DTM-Werksfahrer eingekauft. In heutigen Zeiten ist es schwierig, rund eine Million Euro pro Saison zusammenzukratzen. DTM hin oder her. Der vorerst freie Platz im Starterfeld der weiteren 27 Autos von sechs Marken ist aus sportlicher Sicht kein Verlust, aber auch kein gutes Zeichen in der Außenwahrnehmung.

Wurde den Herstellern früher stets und oftmals zu Recht angelastet, dass sie ihre Marke über die Fahrer stellen, ist es auch jetzt schwierig, das Profil der Protagonisten zu schärfen. Wenn in den Qualifyings 26 Fahrer innerhalb einer Sekunde liegen, kann das als Qualitätsmerkmal für einen extrem engen Wettbewerb verkauft werden. Ebenso könnte man argumentieren, dass die einst für den Amateursport entwickelten GT3-Autos mit ABS und Traktionskontrolle derart leicht zu fahren sind, dass Profis keinen relevanten Unterschied mehr im Kampf gegen Silber-Fahrer und Amateure ausmachen können.

DTM-Spitzenreiter: Porsche-Pilot Tim Heinemann in seinem fünften Jahr im Automobilsport, Foto: LAT Images
DTM-Spitzenreiter: Porsche-Pilot Tim Heinemann in seinem fünften Jahr im Automobilsport, Foto: LAT Images

Der DTM bleibt zu wünschen, dass im weiteren Verlauf der Saison wie im Vorjahr ein Titelkampf weniger Fahrer entbrennt. Dann trägt auch Bergers sehr clevere Idee, im Gegensatz zu allen anderen GT3-Serien auf der Welt weiter auf das Ein-Fahrer-pro-Auto-Prinzip zu vertrauen, ihre Früchte. "Nächstes Jahr fahren wir hier auch mit zwei Piloten", zeichnete unterdessen ein DTM-Urgestein ein düsteres Szenario mit Blick auf die hohen Kosten, die den Rennställen durch den Wegfall eines Pay-Drivers entstehen. Der neue Sprit etwa ist nachhaltiger, aber auch deutlich teurer. Der ADAC kann sich die DTM leisten - können es die Teams auch?