Teams, Sponsoren und Partner sind genervt: Seit etlichen Wochen herrscht bei der DTM-Dachorganisation ITR absolute Funkstille mit Blick auf den Rennkalender 2023 und generell die Planungen für die kommende Saison. Doch hinter den Kulissen geht es schon seit sehr langer Zeit ganz heiß her! Nach Informationen von Motorsport-Magazin.com aus unterschiedlichen Quellen steht sogar ein Verkauf der Traditionsrennserie zur Debatte.

Laut unbestätigten Gerüchten soll der ADAC als zweitgrößter Automobilklub der Welt mindestens ein Interesse haben, die - so ein hochrangiger Szene-Experte - "Vermarktungsrechte der DTM" von der ITR zu übernehmen. Möglicherweise schon ab der kommenden Saison 2023. Auffällig ist jedenfalls, dass weder die DTM noch das ADAC GT Masters, das der ADAC seit 2007 betreibt, bislang ihre Rennkalender für 2023 präsentiert haben.

2016 und 2017 trugen DTM und ADAC gemeinsame Events am Lausitzring aus, Foto: DTM
2016 und 2017 trugen DTM und ADAC gemeinsame Events am Lausitzring aus, Foto: DTM

ITR bestätigt Gespräche mit ADAC

War zunächst 'nur' die Rede von gemeinsamen Veranstaltungen wie 2016 und 2017 auf dem Lausitzring, glauben Motorsport-Insider, dass es 2023 sogar nur noch eine GT3-Plattform in Deutschland geben könnte. Der ADAC soll am Namen 'DTM' interessiert sein, drei Buchstaben mit weiterhin weltweiter Bekanntheit und deshalb auch von enormer Stahlkraft.

Am Dienstag dieser Woche bestätigte die ITR auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com zumindest erstmals, Gespräche mit dem ADAC zu führen. Dabei war die Rede von möglichen Synergien und dass ein Teil davon der Rennkalender 2023 sei.

Das ITR-Statement im Wortlaut: "Wir befinden uns aktuell nach wie vor in Gesprächen mit Blick auf das kommende Jahr. Wir können bestätigen, dass wir mit dem ADAC sprechen und mögliche Synergien prüfen, die wir - vor allem zum Vorteil der teilnehmenden Teams und Partner - künftig gemeinsam realisieren könnten."

Und weiter: "Ein Teil davon ist auch der Rennkalender 2023. Die aktuellen Verhandlungen haben gezeigt, dass es sich um ein komplexes Thema handelt, das Zeit und Tiefgang erfordert, um einen echten Mehrwert für alle Beteiligten zu schaffen. Dieser Informationsstand liegt den Teams, Partnern und Sponsoren, die sich bei der ITR GmbH gemeldet haben, vor. Sobald es einen konkreteren Verhandlungsstand gibt, werden wir zunächst die o.g. Parteien und zu gegebener Zeit natürlich auch die Öffentlichkeit informieren."

Viele Fragezeichen: Entscheidet sich die Zukunft des deutschen Motorsports?, Foto: DTM
Viele Fragezeichen: Entscheidet sich die Zukunft des deutschen Motorsports?, Foto: DTM

Motorsport-Zukunft: Offizielle Aussagen gab es nie

Erstaunlich ist dabei, dass mehrere Teams und Partner unserer Redaktion gegenüber versichern, sie hätten diesen Informationsstand nicht und glauben eher, dass wir mehr wissen als die möglichen Interessenten. Die Thematik schwelt hinter den Kulissen tatsächlich schon seit langer Zeit, Motorsport-Magazin.com recherchiert schon seit Mitte Juni 2021. Offizielle Aussagen hat es jedoch zu keinem Zeitpunkt gegeben.

Damals hatte MSM beim zweiten Saisonwochenende des ADAC GT Masters in Spielberg mit ADAC-Sportpräsident Dr. Hans-Gerd Ennser über eine Möglichkeit der Zusammenführung beider Rennserien gesprochen. Auf die konkrete Frage an den Funktionär und Juristen, ob diesbezüglich eine Kommunikation zwischen ADAC und DTM-Chef Gerhard Berger nicht sinnvoll sei, sagte Ennser: "Das kann ich mir momentan nicht vorstellen."

Offenbar fehlte in diesem Satz das vielsagende Wort "noch". Dabei ahnten mehrere Motorsport-Experten schon zum damaligen Zeitpunkt, nämlich eine Woche vor dem Start der neuen DTM-Ära mit GT3-Sportwagen in Monza, dass die Sinnhaftigkeit von zwei Rennserien auf hohem Niveau und mit GT3-Sportwagen kurz- mittel- oder langfristig keine Zukunft hat, was uns gegenüber von Funktionären, Piloten, Teams und auch der Automobilindustrie mehrfach bestätigt wurde.

Auch über die Problematik, dass die Events beider Rennserien an einem Wochenende, auf zwei verschiedenen Rennstrecken und sogar zeitgleich über die Bühne gingen, wurde immer wieder kritisiert. Dass diese Tatsache für viele Fans, die Fernseh-Partner sowie Online- und Printmedien ein großes Problem darstellte, darüber hat sich offensichtlich niemand wirklich ernsthaft Gedanken gemacht.

Damit soll nun endgültig Schluss sein, unabhängig davon, ob die DTM nun verkauft wird, oder auch nicht. Aktuell wird diese Möglichkeit von involvierten Personen, die namentlich nicht genannt werden möchten, allerdings vehement bestritten. Zu entsprechenden Nachfragen unserseits gibt es momentan offiziell noch keine Antwort.

Einigkeit 2017: DTM und GT Masters beim gemeinsamen Lausitz-Event, Foto: ADAC GT Masters
Einigkeit 2017: DTM und GT Masters beim gemeinsamen Lausitz-Event, Foto: ADAC GT Masters

"Berger würde die DTM lieber heute als morgen verkaufen"

Warum sich die hartnäckigen Gerüchte halten, dass die ITR/DTM verkauft werden könnte? Es soll sich in erster Linie um finanzielle Schwierigkeiten handeln. "Gerhard Berger würde die DTM lieber heute als morgen verkaufen", sagte ein hochrangiger Funktionär, der aus politischen Gründen nicht genannt werden wollte, zu Motorsport-Magazin.com.

Der Kreis der Eingeweihten auf Seiten von ITR und ADAC ist äußerst überschaubar, es dringen kaum verlässliche Informationen durch. Nur Gerüchte und Spekulationen am laufenden Band... Die Gespräche sollen sich zwischen gemeinsamen Renn-Veranstaltungen bis hin zu einer kompletten Übernahme der ITR/DTM durch den ADAC bewegen. Neben der ITR und dem ADAC sollen noch wenige weitere Parteien und/oder Personen in die Gespräche involviert sein.

Martin Tomczyk und Gerhard Berger: Wie geht es mit der DTM weiter?, Foto: DTM
Martin Tomczyk und Gerhard Berger: Wie geht es mit der DTM weiter?, Foto: DTM

ADAC-Bosse bestätigen ITR-Gespräche - keine Entscheidung

"Zu medialen Spekulationen oder Gerüchten nehmen wir grundsätzlich nicht Stellung", teilte der ADAC in einer ersten Stellungnahme an diesem Donnerstag nach den ersten Medienberichten gegenüber Motorsport-Magazin.com mit und verwies auf eine weitere folgende Rückmeldung.

Nachtrag: Am Donnerstagabend bezog ein ADAC-Sprecher wie zuvor angekündigt Stellung gegenüber Motorsport-Magazin.com: "Der ADAC steht derzeit in konstruktiven Gesprächen mit der ITR GmbH. Bei den ergebnisoffenen Gesprächen prüfen wir, wie eine mögliche zukünftige Zusammenarbeit im Sinne des Motorsports in Deutschland, der Fans und Teilnehmer aussehen könnte. Zu Inhalten aus laufenden Gesprächen äußern wir uns nicht. Wir werden den Ausgang der Gespräche abwarten, bevor wir den Kalender des ADAC GT Masters 2023 veröffentlichen."

Dr. Ennser bestätigte bereits am Rande des diesjährigen Saisonfinales des ADAC GT Masters Ende Oktober unsere Nachfrage, dass es Gespräche mit der ITR gäbe, von einer finalen Entscheidung könne aber noch keine Rede sein. Etwas konkreter wurde in diesem Zusammenhang Thomas Voss. Der Leiter ADAC Motorsport, Klassik und Veranstaltungen sagte am Rande des Hockenheim-Finales im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com: "Wir sprechen miteinander, aber noch nicht auf Augenhöhe." Das hörte sich nicht nach einer schnellen Entscheidung an.

Wie auch immer die Gespräche ausgehen: Die Zeit drängt enorm, Teams und Partner scharren mit den Hufen und müssen die kommende Saison finanziell durchplanen. Sollten die Parteien keine Einigung erzielen, "wäre das ein absolutes Debakel mit unabsehbaren Folgen für die DTM", sagte ein langjähriger Szene-Kenner zu Motorsport-Magazin.com.

Unbestätigten Spekulationen einiger Beteiligter zufolge soll es in den kommenden zwei Wochen zu einer Entscheidung kommen, was von anderen mit dem Thema vertrauten Personen jedoch als unmöglich bezeichnet wird. Es könne sogar bis Weihnachten dauern, weil es in der gesamten Gemengelage angeblich noch dutzende von Problemen und jede Menge Konfliktpotenzial gibt.