Im Fußball endet ein Spiel nach rund 90 Minuten und die Zuschauer kennen das Ergebnis beim Verlassen des Stadions.

Im Motorsport und auch in der DTM sieht das oftmals anders aus. Immer wieder werden nachträgliche Strafen vergeben, die viele Stunden nach einem Rennende das Resultat verändern oder Auswirkungen auf den nächsten Lauf haben. Die Regel-Verantwortlichen und Medienvertreter erwarten häufig lange Abende an der Rennstrecke, bis ein finales Ergebnis endlich feststeht.

Wie am Samstag in Spielberg, wo eine 10-Sekunden-Strafe gegen Thomas Preining in Folge seines spektakulären Duells mit Nico Müller erst vier Stunden nach dem Rennende zurückgenommen wurde. Oder wie bei Titelanwärter Lucas Auer, der um eine zunächst verhängte 10-Sekunden-Strafe in Folge einer Überprüfung der GPS-Anlage in der Boxengasse herumkam und am Ende Vierter statt Neunter wurde.

Oder auch am Sonntag, als der Drittplatzierte Maro Engel noch Stunden nach dem Zieleinlauf um seinen Podestplatz bangen musste, bis feststand, dass er für seinen Crash mit Laurens Vanthoor keine Strafe kassiert.

Anders beim amtierenden DTM-Champion Maximilian Götz, der rund zwei Stunden nach dem Rennende den siebten Platz verlor (30-Sekunden-Ersatzstrafe), weil er beim Boxenstopp durch den falschen Boxenplatz gefahren war und nach Ansicht der Sportkommissare die Boxen-Crew gefährdet sowie einen Zeitvorteil erhalten habe.

DTM-Regel: Sportkommissare können Rennleiter widersprechen

Verantwortlich für die oft stundenlangen Verzögerungen ist praktisch das Mehr-Augen-Prinzip bestehend aus Renndirektor und Sportkommissaren, das unter anderem in der DTM gilt. Laut Artikel 12 des Sportlichen Reglements kann eine vom Rennleiter verhängte Strafe im Nachgang von den Sportkommissaren geprüft werden. Die 'SpoKos' sind nicht an die Entscheidung des Rennleiters gebunden und können verhängte Strafen korrigieren.

Dabei kann natürlich eine ganze Menge Zeit draufgehen, wenn erst alle verfügbaren Videoaufnahmen gesichtet und die Beteiligten persönlich angehört werden müssen. Ärgerlich ist das allerdings für Zuschauer, die spät am Abend extra noch einmal nachschauen müssen, wie ein Rennen denn nun wirklich geendet hat. Sicherlich eine Schattenseite im höchst komplexen Motorsport, in dem deutlich mehr Faktoren eine Rolle spielen können als 22 Spieler und ein Ball...

DTM-Rennleiter Elkins: "Das mag nicht effizient sein, aber es ist korrekt"

Für DTM-Rennleiter Scot Elkins ist die Sache eindeutig. "Ich würde mir am liebsten alle nötige Zeit nehmen, um eine gute Entscheidung zu treffen, statt schnell zu handeln und eine schlechte Entscheidung zu treffen", sagte der US-Amerikaner am Sonntagabend in Spielberg in einer Runde mit ausgewählten Medienvertretern. "Ja, manchmal dauert es lange. Das ist eine Frage des Ablaufs. Das mag nicht effizient sein, aber es ist korrekt. Und das ist wichtiger."

Elkins, der neben der DTM auch die Formel-E-Weltmeisterschaft leitet, weiter: "Das ist der schlechte Teil des Motorsports. Bei uns läuft es wie in allen anderen Rennserien auch, in denen es Sportkommissare gibt. Wir müssen alle Dinge zusammentragen, etwa die Daten von den Memory-Sticks in den Autos, und die müssen wir auswerten. Manchmal braucht es Zeit, um eine gute und besser informierte Entscheidung treffen zu können. Ich denke, das wollen alle und das wird ja auch von uns erwartet."

Diese Herangehensweise entspricht dem Reglement, kann aber von der Außenansicht nervig sein. Sport-Fans interessieren sich für gewöhnlich nicht für die komplexen Abläufe im Hintergrund - sie wollen die Rennstrecke verlassen oder den Fernseher ausschalten in dem sicheren Wissen, wer ein Rennen gewonnen hat oder wo der Lieblingsfahrer gelandet ist. Und nicht am nächsten Morgen verblüfft sein, dass ein Ergebnis geändert wurde oder Fahrer in Folge von Track-Limit-Orgien wegen Grid-Strafen weiter hinten starten müssen als es die Qualifying-Resultate vermuten lassen würden.

Elkins will Prozesse nach Saisonende überdenken

Elkins zeigte sich offen dafür, die Prozesse während der Winterpause noch einmal zu überdenken. Bei aller Kritik wird dem erfahrenen Rennleiter auch in der DTM hoch angerechnet, dass er sich nicht beratungsresistent gibt und zudem die Meinung der Rennfahrer anhört. Das ist nicht bei allen Vertretern seines sicherlich nicht immer dankbaren Berufsstandes der Fall...

Elkins ungeschönt: "Das Gute ist, dass wir mit Fahrern auf dem Podium dieses Jahr kaum Probleme hatten. Und ich bin ehrlich: Das gibt uns etwas mehr Freiheit, uns mehr Zeit zu lassen, weil es eben nicht das betrifft, was die Zuschauer vor allem im Fernsehen sehen. Ich will nicht sagen, dass der drittplatzierte Fahrer wichtiger ist als jemand, der 15. geworden ist! Man hat aber ein wenig das Gefühl, etwas mehr Zeit und etwas weniger Druck zu haben."

Scot Elkins ist DTM- und Formel-E-Rennleiter, Foto: voestalpine
Scot Elkins ist DTM- und Formel-E-Rennleiter, Foto: voestalpine

DTM-Boss Berger: "Ich will und darf gar nicht eingreifen"

Die regulatorischen Abläufe schaut sich natürlich auch DTM-Boss Gerhard Berger genau an. Einerseits sagte der langjährige Rennfahrer in Spielberg: "Grundsätzlich ist es meine Art der Zugänge, dass die Entscheidung des Sportdirektors zählt. Die wird nicht immer richtig sein, aber dann ist es halt so."

Aber, so Berger weiter: "Die Sportkommissare und der AvD (Sportlicher Ausrichter der DTM; d. Red.) müssen ihre Aufgabe innerhalb der Regeln so gut wie möglich erledigen." Zwar lasse er sich Entscheidungen auch mal erklären, betonte aber erneut, dass er sich in die Prozesse nicht einmischen wolle.

"Ich gebe immer meine Meinung ab und die wird auch angehört", so Berger. "Aber die letzte Entscheidung treffen die Sportkommissare, der AvD oder der DMSB (Oberste nationale Sportbehörde; d. Red.). Ich will und darf da gar nicht eingreifen, sonst vermischen wir kommerzielle mit sportlichen Interessen. Das geht nicht. In der Formel 1 hatte Bernie (Ecclestone) auch immer ein starkes Wort, aber am Ende des Tages haben Max (Mosley) und die FIA ihre eigenen Entscheidungen getroffen. Wenn du das nicht sauber machst, dann hast du keinen Sport. Dann ist es ein großes Geschäft, und das kann nicht sein."