Pole Position, Cassidy-Kollision, Zeitstrafe, Reifenschaden, Ausfall und eine Grid-Strafe für Spielberg: Das Sonntagsrennen der DTM in Spa-Francorchamps hielt so einige Geschichten für Rene Rast (Abt-Audi) parat. Nachdem der dreifache Champion im morgendlichen Qualifying auf abtrocknender Strecke das perfekte Zeitfenster getroffen und seine 22. Pole Position in der DTM (DTM: Die 10 besten Qualifying-Piloten der Geschichte) erobert hatte, war das nachfolgende Rennen für ihn vorzeitig beendet.

Ein kleines Loch in der Mitte der Lauffläche seines linken Hinterreifens sorgte für den Ausfall vier Runden vor dem Rennende. Rast fuhr zu diesem Zeitpunkt hinter dem späteren Sieger Nick Cassidy und Sheldon van der Linde im Angesicht der Zeitstrafe auf dem dritten Platz.

In der Meisterschaft belegt der scheidende Audi-Werksfahrer den dritten Rang mit 34 Punkten Rückstand (96:130) zu Spitzenreiter van der Linde, der mit seinem Schubert-BMW M4 GT3 dem Titelgewinn entgegensteuert.

Rast: "Wir haben für mehr Strafen plädiert - die habe ich jetzt abbekommen"

Ein großes Gesprächsthema war Rasts Kollision mit Cassidys Ferrari am Ende der sechsten Runde beim Kampf um den zweiten Platz. Auf dem Weg in die La-Source-Kurve fuhr er dem angreifenden Neuseeländer plötzlich in die rechte Fahrzeugseite. Cassidy ließ sich davon nicht beeindrucken und nach einem spektakulären Duell Seite an Seite durch Eau Rouge und Raidillon behielt er am Ende der langen Kemmel-Geraden schließlich die Oberhand. "Ich war überrascht, wie hart er fuhr", meinte Cassidy.

Die Rennleitung brummte Rast für den Kontakt eine 5-Sekunden-Zeitstrafe auf. In einer ersten Reaktion kurz nach dem Rennende hielt er die Entscheidung für wohl gerechtfertigt. Rast: "Wir hatten einen sehr, sehr harten, aber meistens fairen Kampf. Wir haben für mehr Strafen plädiert - die habe ich jetzt abbekommen."

Foto: DTM
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Rast im Pech: Aus Zeit- wird Grid-Strafe

Bitter für Rast: Wegen des späten Reifenschadens und dem vorzeitigen Ausfall konnte die Zeitstrafe von der Rennleitung nicht umgesetzt werden. Deshalb brummte ihm Renndirektor Scot Elkins im Nachgang eine Strafversetzung um drei Plätze in der Startaufstellung für das nächste Rennen in Spielberg auf. Rast ist neben Marco Wittmann, Laurens Vanthoor, Arjun Maini und Clemens Schmid (alle wegen überschrittener Track-Limits) einer von fünf Fahrern, die mit diesem Nachteil nach Österreich zum vorletzten Rennwochenende des Jahres reisen.

Kurios: Wäre Rast mit seinem lädierten Audi R8 LMS GT3 rund fünf Kilometer über die Strecke geschlichen statt ihn am Streckenrand am Ende der Kemmel-Geraden zu parken, hätte er einen neuen Reifensatz aufziehen lassen und das Rennen zumindest beenden können. Punkte wären natürlich nicht drin gewesen, doch mit der abgesessenen Zeitstrafe hätte er sich die Grid-Bestrafung für Spielberg gespart. Nach einigen Regel-Anpassungen während des Spa-Wochenendes dürften sich Teams bei ähnlichen Vorfällen in Zukunft gut überlegen, ein Rennen nicht doch mit aller Gewalt zu beenden...

Nach Informationen von Motorsport-Magazin.com sind die zahlreich verteilten 3-Platz-Gridstrafen erst seit der massiven Fahrer-Kritik am Nürburgring und der damit verbundenen Forderung nach härteren Strafen von der Rennleitung ins Auge gefasst worden. In Spa notierten die Verantwortlichen am Ende 102 Entscheidungen im offiziellen Notice Board - absoluter Rekordwert in der laufenden Saison.

Biermaier: "Ob das von den Verantwortlichen gewollt ist, weiß ich nicht"

Auf die Frage von Motorsport-Magazin.com, was Thomas Biermaier zu der 3-Platz-Gridstrafe sagt, meinte der Abt-Teamchef vielsagend: "Ich habe gelernt, dass Rene mit dem beschädigten Reifen die Runde langsam hätte zu Ende fahren sollen, um an der Box einen neuen aufziehen zu lassen und so das Rennen in Wertung zu beenden. Ob dieses Szenario von den Verantwortlichen gewollt ist, weiß ich nicht..."

Rast selbst wollte sich zu den Ereignissen am Sonntag in Spa öffentlich nicht weiter äußern und bat dafür um Verständnis.

Rast-Manager Rostek: "Kein Grund, Kopf in den Sand zu stecken"

Vielsagend erklärte dagegen sein Manager Dennis Rostek, der mit seiner Agentur Pole Promotion auch Sheldon und Kelvin van der Linde betreut, im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com: "Von Rennbeginn an konnte jeder sehen, dass Rene seine Position verteidigen musste. Dabei kam es leider zu einer Kollision mit anschließender Strafe, die möglicherweise gerechtfertigt war."

Rostek weiter: "Fakt ist für mich aber auch, dass es jetzt keinen Grund gibt, den Kopf in den Sand zu stecken. Wir haben am Spa-Wochenende - wie schon so oft in dieser Saison - gesehen, was alles passieren kann. Mit Rene und Sheldon habe ich nach wie vor zwei heiße Eisen im Feuer beim Kampf um die DTM-Krone 2022. Es werden schließlich noch insgesamt 116 Punkte in den letzten vier Rennen vergeben."

Foto: LAT Images
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Abt-Chef: "Wir können nicht überholen, maximal verteidigen"

Unterdessen blickt Abt-Teamchef Biermaier auf ein turbulentes Wochenende auf dem Ardennenkurs zurück. Kritikpunkte waren bei ihm die aus seiner Sicht völlig überzogene 10-Platz-Gridstrafe für Ricardo Feller (Reifen unerlaubt zwischen 1 Stunde und 5 Minuten vor dem Qualifying montiert), die Strafzahlungen von insgesamt 3.000 Euro für das nicht reglementkonforme Säubern der Boxenstopp-Plätze sowie die Balance of Performance.

Biermaier: "Wir haben schon vor dem Rennen gewusst, dass die 15 Kilogramm, die wir für das zweite Rennen ausladen durften, nicht ausreichen, um auf das Podium zu fahren. Das haben unsere eigenen Berechnungen ergeben. Fakt ist, dass wir mit der Renn-BoP nicht überholen, sondern maximal verteidigen konnten. Unser Auto war, ich betone im Rennen, nicht podiumsfähig! Und in Spielberg sieht es noch schlechter aus, weil der Audi dort bekanntermaßen nicht performt."

Nach dem Samstagsrennen wurde die BoP angepasst: Alle Audi und Ferrari durften je 15 Kilogramm Zusatzgewicht ausladen, die Lamborghini wurden um 5 Kilo erleichtert. Am Sonntag belegte der bestplatzierte Audi nach Rasts Ausfall nur den 13. Platz (Feller) außerhalb der Punkte. Neben Kelvin van der Linde, dem dritten Abt-Fahrer, gingen auch die Rosberg-Audi-Piloten Nico Müller (frühe Kollision) und Dev Gore (späte Kollision) leer aus.

Rosberg-Teamchef sauer: "Fünfstelliger Schaden - für nichts!"

In die gleiche Kerbe schlug Rosberg-Teamchef Kimmo Liimatainen. "15 Kilo waren definitiv nicht genug, um konkurrenzfähig zu sein. Was willst du das machen", sagte er zu Motorsport-Magazin.com und ärgerte sich dabei noch mehr über den "völlig unnötigen" Restart für eine einzige Rennrunde. "Auch wenn Dev für die Kollisionen nicht verantwortlich war, bleibt unter dem Strich ein niedriger fünfstelliger Schadensbetrag, der unser Budget belastet - für nichts!"

Nach dem Spa-Rückschlag dürfte es für die beiden Audi-Kundenteams zumindest in der Theorie nicht einfacher werden: Die DTM reist zum nächsten Rennwochenende an den Red Bull Ring nach Spielberg (23.-25. September), wo noch nie ein Audi R8 LMS GT3 in einer relevanten Rennserie einen Sieg feiern konnte...