Während beim Formel-1-Rennen in Monza ausgiebig über Grid-Strafen diskutiert wurde, ging es zeitgleich bei der DTM in Spa-Francorchamps ähnlich drunter und drüber. Die Fakten zum drittletzten Event der Saison 2022:

  • 7 Grid-Strafen im Sonntags-Rennen (Zug, Feller, Muth, Gore, Schmid, Schumacher, Ineichen)
  • Davon 6 Strafen als Folge aus Track-Limit-Vergehen im Samstags-Rennen, 1 wegen Kollision (Ineichen)
  • 5 Drei-Platz-Gridstrafen für nächstes Rennen in Spielberg (Rast, Maini, Wittmann, Vanthoor, Schmid)
  • Davon 4 Gridstrafen wegen Track-Limit-Vergehen, 1 wegen nicht angetretener Zeitstrafe (Rast)
  • 17 Geldstrafen inkl. 17 Verwarnungen wegen nicht regelkonformen Trocknens des Boxenplatzes
  • Pro Vergehen: Mindestens 1.000 Euro Geldstrafe fürs Team, 1 Verwarnung für den Fahrer
  • 20.000 Euro Geldstrafe aufgeteilt auf die Teams GruppeM, HRT, Walkenhorst, Schubert, SSR, Abt, Rosberg
  • Insgesamt 26.250 Euro Geldstrafe wegen unerlaubten Boxenplatz-Trocknens und weiteren Team-Verstößen

Die Masse an Bestrafungen - mal mehr, mal weniger nachvollziehbar - war eines der großen Themen im Fahrerlager von Spa-Francorchamps. Kaum jemand wollte in der Öffentlichkeit Tacheles reden und machte stattdessen lieber eine geballte Faust in der Tasche. Die Angelegenheit wird aber im Austausch mit der DTM-Organisation ITR und dem Sportlichen Ausrichter AvD noch auf den Tisch kommen.

Ein Teamchef, der aus politischen Gründen namentlich nicht genannt werden wollte, sagte zu Motorsport-Magazin.com: "Wenn das so weitergeht, müssen wir uns genau überlegen, ob die DTM noch das richtige Betätigungsfeld für uns ist."

Ralf Schumacher: "Regel-Wirrwarr nicht nachvollziehbar"

Einer, der seine Meinung offen aussprach, war Ralf Schumacher. Der frühere Formel-1- und DTM-Pilot, dessen Sohn David sein DTM-Debüt gibt, redete Klartext! "Was die DTM grundsätzlich für Deutschland kann und was Gerhard Berger macht, finde ich super", sagte Schumacher bei ProSieben. "Aber das Regel-Wirrwarr ist nicht nachvollziehbar und die Strafen auch nicht. Da wird es unnötig schwer gemacht. Und man sollte nicht vergessen, dass hier auch viel Geld investiert wird von Partnern, Sponsoren, Eltern. Ich glaube, das wird dem nicht gerecht."

Ralf Schumacher: "Sowas kann DTM in Gefahr bringen"

Was Schumacher nicht gefiel: Sohn David kassierte wegen sieben Track-Limit-Vergehen im Samstagsrennen eine 12-Platz-Gridstrafe für den zweiten Lauf des Wochenendes. Sechs weitere Fahrer waren davon getroffen, wie unsere Auflistung oben zeigt.

Ralf Schumacher: "Das muss man akzeptieren. Grundsätzlich hat er (David) die Fehler gemacht und ist über die Track-Limits drüber. Man muss das im Einzelfall sehen. Ist es Übersteuern gewesen, weil es nass war? Ist es ein Vorteil gewesen? Bei diesen Situationen war es nie ein Vorteil, aber sei's drum. Wichtig ist, dass man das für die Zukunft ändert und dass sich die Herren offen zeigen und nicht beratungsresistent sind. Ich hoffe, dass sie das tun, weil sowas kann die DTM in Gefahr bringen und das wäre natürlich schade. Die Teams investieren hier viel Zeit und Geld."

Ralf Schumacher mit dem DTM-Plattform-Verantwortlichen Martin Tomczyk in Spa, Foto: DTM
Ralf Schumacher mit dem DTM-Plattform-Verantwortlichen Martin Tomczyk in Spa, Foto: DTM

DTM: Regeländerung über Nacht

Dabei änderte die Rennleitung die Art der Bestrafung über Nacht. Zunächst wurde angekündigt, dass es eine Stop-and-Go-Strafe und weitere 10 Strafsekunden gibt, falls ein Fahrer seine Grid-Strafe in der Startaufstellung nicht vollständig ableisten kann. Ein ähnliches Prozedere gibt es in der Formel E, in der Scot Elkins ebenfalls Rennleiter ist.

Später wurde dies "aus Sicherheitsgründen" in eine Durchfahrtstrafe umgewandelt. Schumacher, der sich auf P25 qualifiziert hatte, trat die Durchfahrtstrafe in der Formationsrunde vor der Rennfreigabe an.

Ralf Schumacher: "So eine Strafe habe ich noch nie gehört. Ich kenne es aus der Formel 1, da finde ich es pragmatisch: Dreimal (Track-Limit-Überschreitungen), beim vierten Mal gibt's plus fünf Sekunden, das wird am Ende draufgerechnet. Ich finde eindeutig, das könnte man kopieren. Das funktioniert in der Formel 1 und der Laden soll ja nicht so schlecht sein. Also an dieser Stelle mal ein kleiner Tipp..."

1.000 Euro Strafe für falsches Boxenplatz-Trocknen

Was Ralf Schumacher - und vielen weiteren Paddock-Mitgliedern - ebenfalls sauer aufstieß: die Geldstrafen für die Teams GruppeM, HRT (beide Mercedes-AMG), Abt Sportsline, Rosberg (beide Audi) und SSR Performance (Porsche), weil sie im regnerischen Qualifying den Bereich ihres Boxenstopp-Platzes nicht regelkonform mit einem Laubgebläse getrocknet hatten.

Dazu heißt es in Artikel 14.1 des Sportlichen Reglements: 'Fahrern und Bewerbern ist es untersagt, die Griffigkeit der Streckenoberfläche an irgendeiner Stelle zu verändern, außer durch Befahren der Rennstrecke und in der Boxengasse oder durch Reinigen mit einem handelsüblichen Besen oder durch Entfernen von Wasser mittels handelsüblicher Gummigleiter in den Boxenstoppstationen'.

Teams, die dagegen verstießen, wurden mit 1.000 Euro Geldstrafe pro Vergehen belegt. Die betroffenen Fahrer erhielten eine Verwarnung. Das Mercedes-Team GruppeM Racing (Engel/Grenier) erhielt einige Stunden nach dem Rennende sogar zwei Geldstrafen in Höhe von jeweils 2.500 Euro wegen nicht regelkonformen Trocknens der Boxenplätze. Für insgesamt 17 Verstöße wurden 20.000 Euro Geldstrafe fällig.

So dürfen die Boxenplätze in der DTM nicht getrocknet werden, Foto: LAT Images
So dürfen die Boxenplätze in der DTM nicht getrocknet werden, Foto: LAT Images

Ralf Schumacher über Boxenplatz-Strafen: "Total inkonsequent"

Ralf Schumacher mit interessanten Details, die einen guten Einblick in das Geschehen hinter den Kulissen vermittelten: "Was noch viel schlimmer ist (als die Track-Limit-Strafen; d. Red.): Weil es ja nass war, wollten manche Teams sich einen Vorteil holen und haben mit Gebläsen die Pitstop-Boxen trocken geblasen. Das ist verboten. Da hieß es erst plus drei (Grid-Strafe; d. Red.), dann gab es da Beschwerden. Und jetzt wird's auf einmal eine Geldstrafe. Da muss ich ganz ehrlich sagen, das verstehe ich überhaupt nicht. Das ist total inkonsequent, weil es ein Vorteil ist, wenn man auf einer trockenen Position stoppen kann. Auch da ein Appell an die Verantwortlichen der DTM."

Auf dem Weg zum heißen Endspurt der Saison mit noch zwei Rennwochenenden in Spielberg und Hockenheim herrscht offenbar weiter Redebedarf in der DTM - ob öffentlich oder hinter den Kulissen. Ralf Schumacher abschließend: "Gerhard (Berger, DTM-Boss) redet sich da immer so ein bisschen raus und sagt: 'Ich habe mit den Regeln nichts zu tun, das macht der DMSB'. Aber da macht er es sich ein bisschen leicht. Das könnte man ändern."