Es war die entscheidende Szene des spektakulären und mit vier Stunden Verspätung gestarteten Samstagsrennens der DTM auf dem Nürburgring: Beim Duell um den Sieg kollidierten zehn Minuten vor dem Ende Lamborghini-Pilot Mirko Bortolotti und der Führende Felipe Fraga im Ferrari 488 GT3 von AF Corse. Vorzeitiger Ausfall für die beiden Piloten der italienischen Sportwagen - Sheldon und Kelvin van der Linde staubten stattdessen den 'Brüder-Doppelsieg' ab.

Für Pole-Setter Bortolotti, der die Führung in der DTM-Meisterschaft in Folge der Nullnummer an BMW-Schubert-Pilot van der Linde verloren hat, kam es nach dem Rennen noch bitterer: Der in Wien lebende Italiener wurde von der Rennleitung als Schuldiger des Unfalls mit Fraga ausgemacht und kassiert für das Sonntagsrennen in der Eifel (13:30 Uhr im Live-Ticker auf Motorsport-Magazin.com) eine 5-Platz-Strafe in der Startaufstellung.

Debakel für DTM-Titelanwärter Bortolotti

Ein Debakel für den bisher so konstanten Bortolotti und nicht der erste Fehler in der laufenden Saison auf seiner Seite der GRT-Garage. Die 18 Punkte für Platz zwei hätte der Lambo-Werksfahrer sicher gehabt und noch dazu die ärgsten Titel-Rivalen van der Linde und Rene Rast (Platz 9) hinter sich.

Die Kollision war durchaus eine Überraschung, schließlich war Bortolotti in der Schlussphase deutlich schneller als der Brasilianer, der zuletzt am Norisring seinen ersten Sieg gefeiert hatte. Dass Bortolotti auch noch den Extra-Punkt für die schnellste Rennrunde wegen des Ausfalls an Kelvin van der Linde (Platz 2) verlor, machte den schwarzen Tag perfekt.

Für Beobachter war es nur eine Frage der Zeit, bis Bortolotti den Ferrari überholen und seinem ersten Sieg in der DTM entgegensteuern würde. Dann krachte es in der letzten Kurve der 3,629 Kilometer langen Kurzanbindung des Nürburgrings. Nach dem Rennen, das nach 18:00 Uhr und wegen des Nebels vier Stunden später als geplant endete, trafen wir GRT-Teamchef Gottfried Grasser und Bortolotti nicht mehr im Fahrerlager an.

Foto: DTM
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Bortolotti entschuldigt sich für Unfall

Der Lamborghini-Star hatte sich aber schon kurz nach seinem Ausfall im DTM-Livestream bei Unfallopfer Fraga entschuldigt. "Ich habe einen Fehler in der letzten Kurve gemacht", räumte Bortolotti ein. "Ich habe versucht, Felipe dort auszubremsen. Es war ein bisschen nass, dadurch habe ich die Vorderachse verloren und leider haben wir uns berührt. Ich bin sehr enttäuscht und es tut mir leid fürs Team. Entschuldigung an Felipe. Ich wollte natürlich nicht sein Rennen zerstören. Einfach ein schlechter Tag, mehr kann ich nicht sagen."

Fraga nimmt Entschuldigung an, aber: "Was nutzt mir das"

Fraga, der zum siebten Mal im neunten Rennen nicht die Ziellinie sah, sagte zu Motorsport-Magazin.com: "Ich akzeptiere die Entschuldigung von Mirko, aber was nutzt mir das. Er war zu diesem Zeitpunkt schneller und hätte solch ein aggressives Manöver gar nicht nötig gehabt. Diesen Ausfall zu verdauen, dauert mehr als eine Nacht. Ich weiß, dass ich heute meine letzte Chance, doch noch in den Titelkampf eingreifen zu können, ohne eigenes Verschulden vertan habe. Das ist sehr, sehr bitter und enttäuschend."

Der DTM-Neuling weiter mit großer Ernüchterung: "Was soll ich sagen, wieder einmal sind wir für einen sehr guten Job nicht belohnt worden. Sieben von neun Rennen ohne Punkte, das ist hart und mehr als frustrierend. Heute hätte ich die Möglichkeit gehabt, in der Tabelle den Anschluss an die Top drei herzustellen (mit einem Sieg wäre der AF-Corse-Pilot auf Platz vier vorgerückt, d. Red.). Mein Start war super, das Auto perfekt - es hätte nicht besser sein können. Alles hat gepasst, nur das Ergebnis nicht."

Reichert: Ich verstehe ihn, aber auch sein Team nicht"

Das Team AF Corse, das 2021 bis zuletzt mit dem heutigen Formel-2-Sieger Liam Lawson um den DTM-Fahrertitel kämpfte und sich mit dem Gewinn der Team-Meisterschaft begnügen musste, hatte sich nichts vorzuwerfen. Am Nürburgring hatte sich Fraga mit einem spektakulären Blitzstart vom sechsten Platz (Qualifying ausgefallen - Startaufstellung nach Meisterschaftsstand) bis auf P1 innerhalb der ersten Runde perfekt in Position gebracht.

"Ist es Pech oder Unvermögen oder was ist es sonst? Nein, das Team hat heute wieder einen super Job gemacht", sagte AF-Corse-Teamdirektor Ron Reichert zu Motorsport-Magazin.com. "Die Vorbereitung war perfekt, da haben unsere Ingenieure wirklich gute Arbeit geleistet. Die Strategie hat gepasst und auch der schnellste Boxenstopp hat uns in die Karten gespielt. Die Stopps haben wir heute in der langen Pause noch ausgiebig geübt. Trotzdem hätten wir das Rennen nicht gewonnen, so ehrlich muss man sein."

Denn, so Reichert weiter: "An den Rundenzeiten konnte man erkennen, dass es eigentlich nur noch eine Frage von einigen Runden - ich denke fünf oder sechs - gewesen wäre, und Bortolotti hätte ohne irgendein wildes Manöver Felipe locker passieren können. Zudem hat er sich die einzige Stelle für seine Attacke ausgesucht, die noch feucht und nicht ganz trocken war. Ich verstehe ihn, aber auch sein Team nicht. Sie waren auf Siegkurs, haben es weggeworfen und dabei sind wir heute erneut völlig ohne Not aus einem Rennen genommen worden. Die Enttäuschung bei Felipe, bei mir und natürlich auch beim gesamten Team, für die es mir sehr leidtut, ist riesengroß."

Sheldon van der Linde der lachende Dritte

Der große Profiteur des Bortolotti/Fraga-Crashs war der spätere Sieger Sheldon van der Linde, der seinen Augen kaum trauen konnte und dem gestrandeten Lamborghini Huracan gerade noch ausweichen konnte: "Ich habe gesehen, wie sich beide gedreht haben. Ich war nicht sicher, ob ich gerade träume. Ich dachte: Das kann nicht wahr sein! Für die beiden war das nicht toll, aber ich muss jede Chance nutzen, die sich mir bietet."