DTM Electric: So sieht das 1.200-PS-Rennauto aus: (01:03 Min.)

Timo, du bist am Donnerstag die Weltpremiere mit dem DTM-Elektroauto gefahren. Dein erster Eindruck?
Timo Scheider: Es hat schon gekribbelt im Bauch, nach vielen Jahren war das mal wieder ein ganz besonderes Erlebnis, eine Weltpremiere mit solch einem speziellen Auto zu fahren. Als dann dieses Auto mit 1.200 PS und vier Motoren vor mir stand, dachte ich: 'Mein lieber Freund, das wird richtig geil'! Und ich bin in der Tat nicht enttäuscht worden.

Das heißt konkret?
Timo Scheider: Wenn 1.200 PS beschleunigen, dann schiebt das einfach nur wie blöd nach vorne und hört nicht auf! Das gibt so ein richtig geiles Achterbahn-Kribbeln im Bauch. Das wünscht man sich ja als Rennfahrer: Immer dann Leistung zu haben, wenn du es willst - und davon reichlich. Das war schon cool. Natürlich ist das ganze Projekt in der Anfangsphase und muss weiterentwickelt werden. In erster Linie ging es hier darum, die Technik zu zeigen und wohin die Reise gehen soll. Ich finde es toll, dass Schaeffler mir das Vertrauen geschenkt hat, diese Premiere zu fahren. Und noch etwas...

Ja, bitte?
Timo Scheider: Das ganze Thema ist auch für mich emotional. Ich war im Jahr 2000 einer der Fahrer, die die Neue DTM mitgegründet haben. Und durch diese erste Fahrt in Hockenheim bin ich irgendwie auch ein kleiner Teil dessen, was in der Zukunft kommt oder zumindest eine Perspektive bietet.

Wie fühlt es sich an, mit einem 1.200 PS starken Auto zu beschleunigen?
Timo Scheider: Ich habe einen Start gemacht und durch den Allradantrieb und die Elektronik ist geregelt, dass da nichts durchdreht, sondern die maximale Performance auf die Strecke geht. Das ist schon geil! Das Auto marschiert unfassbar schnell nach vorne. Das Gesamtpaket mit so einem agilen und wirklichen Rennauto war einfach toll, das muss ich so sagen. Ich hätte wirklich Freude daran, das Thema weiter zu pushen und ein Teil davon zu sein.

Warum?
Timo Scheider: Neue Dinge reizen mich sowieso und eines ist ganz wichtig: Plötzlich gibt es wieder eine Perspektive für die DTM. Auf der einen Seite erzeugt man schon Gegenwind jetzt für die GT3, das muss man fairerweise so sagen. Auf der anderen Seite ist das aber auch eine ganz klare Perspektive für die DTM und deswegen finde ich das positiv. Andernfalls wird es meiner Meinung nach sehr schwierig, das Projekt DTM finanziell über Wasser zu halten. Wenn man ein anständiges und finanzierbares Paket auf die Beine stellt, sehe ich auch wieder Sponsoren, Partner und Werke einsteigen.

Foto: DTM
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Du hattest die Ehre, als erster Rennfahrer mit dem Elektro-DTM zu fahren. Nimm uns doch bitte mal mit auf deine Runde.
Timo Scheider: Bei meinem ersten Run war es noch ziemlich kalt und ich weiß, wie schwierig Hockenheim mit kalten Reifen sein kann. Da hatte ich schon ein bisschen die Hose voll. Nach einer Check-Lap konnte ich es auf der zweiten Runde schon ein bisschen brennen lassen. Beeindruckend war Turn 2 und auch die Haarnadel nach der Parabolika. Wenn da du mit Lenkwinkel aufs Gas latschst und das Auto wegen Allrad Grip und Leistung ohne Ende hat, marschiert es nach vorne und hört einfach nicht auf zu schieben! Gefühlt hast du in der Beschleunigungsphase durchgängig ein Grinsen im Gesicht, weil du die Emotionen im Kopf und im Bauch gleichzeitig spürst.

Das Auto ist mit dem Steer-by-Wire-System namens Space Drive ausgestattet. Was hältst du davon?
Timo Scheider: Erst mal war es schwierig für meinen Kopf, zu verstehen, dass du jetzt in ein Rennauto einsteigst, das zwischen Lenkrad und Vorderachse gar keine mechanische Verbindung hat. 'Oh Gott, hoffentlich geht das alles gut', habe ich mir gedacht. Nicht, dass das Auto irgendwo hinfährt, wenn vielleicht irgendwelche Sensoren spinnen. Am Ausgang der Boxengasse war das aber alles verflogen. Vom Handling hat das Auto brutal gut reagiert und das Handling hat mich extrem begeistert. Und das sage ich jetzt nicht, um Werbung zu machen - wenn ich etwas scheiße finde, dann sage ich das auch offen.

Wie fühlt sich das Fahren mit dem System an?
Timo Scheider: Im ersten Moment dachte ich, dass eine kleine Verzögerung drin ist, als ich in der Boxengasse schnelle Rechts- und Linksbewegungen gemacht habe. Komischerweise war das auf der Strecke dann nicht mehr spürbar, was ja positiv ist. Obwohl du gar keine Verbindung zwischen Lenkrad und Reifen hast, sind die Einstellungen so sensibel, dass man wirklich bei der kleinsten Bodenwelle oder beim Fahren über die Kerbs ein Feedback am Lenkrad hat. Das ist schon irgendwie beeindruckend. Das Projekt läuft ja schon in Rennautos und ich kann mir gut vorstellen, dass es eine Zukunft im Profi-Sport hat.

Was glaubst du, wie die Fans auf die Nachricht einer Elektro-DTM reagieren?
Timo Scheider: Ich selbst bin schon lange dabei, bin ein Petrol-Head und liebe den Gestank und den Sound. Alles andere wäre gelogen. Aber: Fakt ist, dass wir die Möglichkeiten, um den Motorsport am Leben zu erhalten, ergreifen und nutzen müssen. Das ist die Neuzeit. In zehn Jahren wird gefühlt kein Mensch mehr danach fragen, wie das mit dem V8 oder irgendwelchen brüllenden Motoren war. Dann wird es normal sein, dass ein Auto irgendeinen anderen Klang macht.

Foto: DTM
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Das Sound-Thema wird im Motorsport sehr kontrovers diskutiert...
Timo Scheider: Ich wäre ein Fan davon, dem Auto einen Klang zu verleihen, der einen guten Elektrik-Sound auch nach außen transportiert. Da ist eine Menge Potenzial und das Thema Sound ist wichtig für die Fans. Wenn es einen coolen Klang gäbe, würde es wahrscheinlich gar keinen Aufschrei geben. Bestimmt werden einige Racing-Fans zusammenzucken, und das kann man auch verstehen. Aber das ist die Zukunft und damit müssen uns jetzt beschäftigen. Davor darf man nicht die Augen verschließen, alles entwickelt sich weiter. Man schaut heute auch Fernsehen auf dem Flatscreen und nicht mehr mit einem Röhrenfernseher.

Wie hast du denn den Sound im Elektro-DTM wahrgenommen?
Timo Scheider: Im Auto war ich beeindruckt von den Getriebe-Geräuschen und wie laut dieses Surren durch die zunehmende Geschwindigkeit wird. Das ist auch ein sehr gutes Feedback, weil wir Fahrer mit dem Motoren-Sound arbeiten. Am Anfang war ich unsicher, ob ich das Auto darüber so spüren würde, aber das hat sehr gut funktioniert. Von außen klingt es für mich wie ein Formel-E-Auto, du hörst den Antriebsstrang. Es sollte eine Perspektive für einen neuen Sound - keine Motorsound-Kopie - geben, der draußen geil klingt. Wenn das noch hinzukommt, ist das die Zukunft zu 100 Prozent.