Es war die Überraschung des Tages, als am Freitagmittag um 14:00 Uhr eine Pressemitteilung von BMW ins Haus flatterte mit dem Betreff: 'BMW Group Motorsport Direktor Jens Marquardt übernimmt neue Funktion'. Zum 01. November 2020 verabschiedet sich Marquardt nach zehn Jahren als BMW-Rennleiter und übernimmt künftig die Leitung des rund 700 Mitarbeiter starken Pilotwerks für den Prototypenbau der Serienmodelle der BMW Group.

"Ich war selbst überrascht von der Nachricht", sagte DTM-Chef Gerhard Berger in einer Medienrunde am Freitagabend, nachdem er unter anderem mit Marquardt über Monate hinweg über die Zukunft der Rennserie verhandelt hatte, die mit einem neuen GT-Pro-Reglement samt GT3-Autos fortgeführt wird.

Der 53-jährige Marquardt sprach von einem emotionalen Abschied aus dem Motorsport, in dem er 25 Jahre lang involviert war. Zunächst ab 1996 beim Motorenentwickler Ilmor, ab 2000 bei Toyota in der Formel 1 und seit 2011 als BMW-Motorsportchef. "Ich habe eine Träne im Auge", sagte Marquardt in einer Medienrunde. "Aber ich bin auch sehr gespannt auf die neue Aufgabe."

Marquardt: Es war meine Entscheidung

Marquardt versicherte, dass der Jobwechsel innerhalb von BMW seine Entscheidung gewesen sei: "Es war meine Entscheidung und sie wurde vom gesamten Management unterstützt. Ich bin sehr dankbar, dass ich die Aufgabe erhielt, zehn Jahre lang Motorsport bei BMW zu machen. Das ist eindeutig das beste und emotionalste Marketing-Werkzeug. Viele Menschen arbeiten hart, um das zu ermöglichen. Wir müssen viele Autos verkaufen, um weltweit Motorsport betreiben zu können."

Nach dem werksseitigen DTM-Ausstieg zum Ende der Saison 2020 setzt BMW seine Aktivitäten in der Formel E sowie im GT-Sport fort. In der US-amerikanischen IMSA-Serie treten die Münchner weiter mit dem BMW M8 GTE an, nachdem das Le-Mans-Programm 2019 nach nur zwei Jahren eingestellt wurde.

Jens Marquardt 2011 vor der BMW-Rückkehr in die DTM, Foto: BMW
Jens Marquardt 2011 vor der BMW-Rückkehr in die DTM, Foto: BMW

DTM-Zukunft wirklich eine Herausforderung

Marquardt über den Zeitpunkt der Entscheidung: "Das Timing wird nicht nur diktiert durch die Position, in der du bist, sondern auch durch die, in die du wechselst. Diese Position erforderte einen Nachfolger. Dieses Jahr war schwierig, normalerweise wäre das Racing zu dieser Zeit schon vorbei. Große Dinge wurden erreicht. Wir haben eine stabile Möglichkeit für Gerhard geschaffen, um die Plattform fortzuführen. Das war wirklich eine Herausforderung."

Aus Sicht von BMW Motorsport habe sich der Zeitpunkt angeboten, weil mit der DTM das aktuell letzte Thema geklärt wurde und das Programm für 2021 fixiert ist. Wie es bei den Münchnern künftig weitergeht, ist noch nicht beschlossen. Nicht zuletzt die Corona-Krise schafft zusätzliche Herausforderungen, wenngleich Berger überzeugt war, dass "Motorsport weiter bei BMW im Zentrum steht".

Zogen viele Motorsport-Projekte durch: Alex Zanardi und Jens Marquardt, Foto: BMW AG
Zogen viele Motorsport-Projekte durch: Alex Zanardi und Jens Marquardt, Foto: BMW AG

BMW: Zeit für Neuaufstellung im Motorsport

Als kommissarischer Nachfolger übernimmt der Österreicher Markus Flasch, Geschäftsführer der BMW M GmbH, den Posten als BMW-Motorsportchef. Wie es langfristig um diese Position und die Aufstellung im Motorsport bestellt ist, steht noch nicht fest. "Aktuell muss aussortiert werden, wie der Motorsport in den nächsten Jahren aussieht und welche Engagements für BMW interessant sind", sagte Marquardt. "Das ist aber nichts, was jetzt entschieden wird, weil das kommende Jahr ziemlich klar ist. Wir können uns die Zeit nehmen, um uns neu aufzustellen."

Marquardt begründete den Jobwechsel außerdem mit der Möglichkeit, künftig mehr Zeit mit seiner Familie in München verbringen zu können. Als Sportchef gehörte es zum Tagesgeschäft, das gesamt Jahr lang rund um den Globus von Rennen zu Rennen zu reisen.

Der 61-jährige Berger konnte das bestens nachvollziehen: "Irgendwann kommt man in ein Alter, wo man nicht mehr jedes Wochenende weg sein muss. Du bist vom Frühjahr bis zum Herbst ständig unterwegs, das ist eine extreme Belastung für die Familie. Man sehnt sich danach, einen Gang zurückzuschalten und öfter zuhause zu sein. Jens Marquardt war immer fair zu mir, ich kann nur Positives sagen. Seine Entscheidung kann ich absolut nachvollziehen."

Mit Nachfolger Flasch erwartete der Österreicher bei der weiteren Zusammenarbeit einen "nahtlosen Übergang. Ich habe bei BMW mit mehreren Wechseln im Management zu tun gehabt und bin eigentlich immer nur auf gute Leute getroffen."

Marquardt 2017 nach einer DTM-Taxifahrt zum Geburtstag, Foto: BMW Motorsport
Marquardt 2017 nach einer DTM-Taxifahrt zum Geburtstag, Foto: BMW Motorsport

Marquardts neuer BMW-Job

Marquardt, der Rennen mit BMW-Beteiligung bis zum Saisonende begleiten wird, steht mit dem Prototypen-Pilotwerk vor einer neuen Herausforderung in München. Aufgabe dieses Bereichs: An der Schnittstelle zwischen Entwicklung und Produktion werden sowohl das Produkt, als auch die Fertigungsprozesse für die Serienproduktion ausgereift und anschließend an die Serienwerke übergeben.

"Nach zehn Jahren in dieser Position ist es Zeit für mich, dem Unternehmen etwas zurückzugeben", meinte Marquardt. "Als ich mich BMW vor zehn Jahren angeschlossen habe, war ein Grund dafür, dass die beste Marke der Welt weitreichende Aktivitäten hat. Ich habe etwas gefunden, das in den kommenden Jahren sehr interessant für mich ist."