Audis Ausstieg nach der Saison 2020 hat das Ende der DTM in ihrer bisherigen Form eingeleitet. Hätte das Horror-Szenario vermieden werden können, wenn angekündigte Schritte viel früher umgesetzt worden wären?

Es war vorgesehen, ab 2022 mit einheitlichen Hybridsystemen und danach folgend umweltverträglichen Kraftstoffen anzutreten. Wie nun herauskam, hatten sich die Hersteller zudem darauf geeinigt, ab 2025 auf eine reinelektrische Tourenwagenserie umzusteigen.

Anfang November 2019 hatte die DTM-Dachorganisation ITR ein entsprechendes und futuristisch angehauchtes Konzept vorgestellt sowie eine Machbarkeitsstudie eingeleitet. Von einer konkreten Einführung zum Jahr 2025 war zumindest in der Öffentlichkeit allerdings nie die Rede gewesen.

Diese Zukunftsperspektive war offensichtlich nicht attraktiv genug für den Audi-Vorstand um den neuen Chef Markus Duesmann, der den DTM-Ausstieg auch mit den Auswirkungen der Corona-Krise argumentierte.

Timo Scheider: So einen Abschied hat die DTM nicht verdient (19:04 Min.)

Mercedes verhinderte Turbo-Einführung 2017

Dabei hätten diese zukunftsträchtigen Maßnahmen unter anderen Umständen wesentlich früher umgesetzt werden können. Der Auslöser für die Aufschiebung führt tatsächlich auf Mercedes-Benz zurück. Eigentlich wurde schon im Jahr 2014 beschlossen, die Turbo-Motoren zur Saison 2017 einzuführen. Dieser Schritt hätte den Weg hin zu Hybrid und Elektro um mindestens zwei Jahre beschleunigt. Die Formel 1 fährt bereits seit 2014 mit einem aufwendigen Hybridsystem.

Doch im Herbst 2015 stieg Mercedes auf die Bremse und erwirkte einen Aufschub der DTM-Turbo-Generation auf das Jahr 2019. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich jedoch nicht angedeutet, dass der Autobauer aus Stuttgart 2017 seinen DTM-Ausstieg ankündigen würde. "Einer war gegen die Einführung 2017 - ausgerechnet der, der zur Einführung 2019 die Szene verlässt", sagte einst der ehemalige Audi-Sportchef Wolfgang Ullrich.

Wie ein Insider bei Motorsport-Magazin.com berichtet, sei damals die Entscheidung von Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff vorausgegangen, dass der DTM-Turbo-Motor nicht bei HWA in Affalterbach, sondern stattdessen in Großbritannien entwickelt werden soll. Dabei sei eine hohe zweistellige Millionensumme verbrannt und schließlich eine Verschiebung auf 2019 erwirkt worden, der Audi und BMW nur zähneknirschend zustimmten. Der Motor, der 2019 in den Aston Martin von R-Motorsport werkelte, war schließlich eine HWA-Entwicklung.

Dabei wäre der Zwei-Liter-Motor wesentlich früher für den Renneinsatz bereit gewesen. Schon im Dezember 2015 lief ein Turbo-Aggregat auf dem Audi-Prüfstand. Nach einer Zwangs-Entwicklungspause im darauffolgenden Jahr setzten die Ingenieure ihre Arbeit fort. Etwa zweieinhalb Jahre Entwicklungszeit stehen bei Audi zu Buche. Rund 1.000 Stunden hat der Motor auf dem Prüfstand seine Runden gedreht.

Wäre Duell mit Formel E anders ausgegangen?

Würde die DTM schon heute mit einem Hybridsystem fahren, hätten die Chancen beim Audi-Vorstand im direkten Duell mit dem Formel-E-Werksprogramm sicherlich anders gestanden. Nicht zuletzt, weil sich seit 2019 mit Porsche ein weiterer Hersteller aus dem Volkswagen-Konzern in der Elektro-Rennserie engagiert.

Beim Saisonbeginn 2019 auf dem Hockenheimring hatte Audi-Vorstandsmitglied Hans-Joachim Rothenpieler angemerkt: "Ich halte es für sinnig, wenn das Thema Hybridisierung weiter in den Vordergrund kommt. Das Thema Verbrenner wird uns noch lange weiter begleiten. Verbrenner-Motoren sind nicht so schlecht, wie in den vergangenen drei Jahren darüber gesprochen wurde."

Stattdessen setzt Audi nach 2020 nur noch auf die Formel E als Werkssport. Weitere progressive Motorsport-Formate würden für die Zukunft geprüft.

BMW-Vorstand versteht Audi-Entscheidung nicht

Das in diesem Jahr scheidende BMW-Vorstandsmitglied Klaus Fröhlich zur Süddeutschen: "Die Perspektive der DTM lautet: Sie wird elektrisch und global. Das haben wir maßgeblich getrieben. Dass Audi das aufs Spiel setzt, wo wir auch gemeinschaftlich so viel Arbeit reingesteckt haben, verwundert mich. Und die Aussage 'Wir gehen wegen Elektro in Formel E, statt in der DTM zu bleiben' kann ich eben deswegen nicht verstehen, weil die DTM bis 2025 ja vollelektrisch werden will."