Misano verspricht eines der großen Highlights in der DTM-Saison 2018 zu werden. Die ersten Nachtrennen in der Geschichte der Tourenwagenserie, eine unbekannte Strecke und mit Alex Zanardi ein bekanntes Gesicht - die Zutaten für einen echten Klassiker! Motorsport-Magazin.com beleuchtet die wichtigsten Themen vor den beiden Rennen am kommenden Wochenende in Italien.

Brennpunkt #1 - Nachtrennen

2003 trug die DTM auf dem Nürburgring ein Qualifying in der Dunkelheit aus, Nachtrennen gab es aber noch nie. Aus dem aktuellen Starterfeld war damals nur Gary Paffett in der Nacht am Ring dabei. Einige Fahrer kennen Nachtrennen aus Einsätzen bei 24-Stunden-Rennen. Robin Frijns, Jamie Green und Rene Rast (Audi) sowie Philipp Eng (BMW) und Daniel Juncadella (Mercedes) fuhren in der Vergangenheit sogar Nachtrennen in Misano im Rahmen der Blancpain GT Series.

Im DTM-Auto werden die Rennen jedoch eine andere Herausforderung als im GT3-Boliden. "An einigen Stellen war es trotz Flutlicht ganz schön dunkel", sagt Audi-Pilot Green. "Im Gegensatz zu einem GT3-Auto haben unsere DTM-Autos nur Tagfahrlicht, sind aber viel schneller. Da braucht es noch weitere Ausleuchtung, sonst könnte es heikel werden."

17 Lichtmasten sind entlang der Strecke installiert, fünf weitere befinden sich in der Boxengasse. Speziell für die DTM werden zusätzlich vier mobile Licht-Cubes installiert, an der Boxenausfahrt sowie in den Kurven 4, 5 und 14.

Die Beleuchtung an der Strecke wurde von Niels Wittich, dem Sicherheitsdelegierten von DMSB und DTM, gemeinsam mit Audi-Werksfahrer Jamie Green, inspiziert und abgenommen. Der DTM-Pilot und Wittich haben den beleuchteten Kurs mit einem serienmäßigen PKW bei Dunkelheit befahren.

Damit die Fahrer im Auto ihre Instrumente besser ablesen können, sind die Cockpits beleuchtet. Audi nutzt dabei dasselbe Schwarzlicht, das schon in den LMP1-Rennwagen der Marke bei den 24 Stunden von Le Mans zum Einsatz kam.

22 Lichtmasten sorgen für Licht in Misano, Foto: Vision Sport Agency
22 Lichtmasten sorgen für Licht in Misano, Foto: Vision Sport Agency

Brennpunkt #2 - Startzeit

Die Rennen am Samstag und Sonntag beginnen jeweils um 22:30 Uhr - nie zuvor wurde ein DTM-Rennen so spät gestartet. Keine DTM-Session in Misano beginnt vor 16:40 Uhr. Die Qualifyings sind jeweils auf 20:00 Uhr datiert. Deshalb müssen die Fahrer ihren Rhythmus radikal umstellen. Einige Piloten haben sich entsprechend darauf vorbereitet.

"Ich gehe später ins Bett und bleibe länger in den Tag hinein wach", sagt BMW-Pilot Marco Wittmann. "Am Wochenende muss du die Performance spät abends abliefern und nicht tagsüber. Es macht keinen Sinn, wenn du übermüdet ins Auto steigst." Mercedes-Pilot Daniel Juncadella witzelte am Dienstag: "Ich bin gerade in einem Sommerhaus mit vielen Freunden. Wir essen jeden Tag spät und bleiben lange wach. Die perfekte Vorbereitung!"

Brennpunkt #3 - Neuland

Die Nachtschichten stehen natürlich im Fokus, aber auch die Strecke ist Neuland. Die DTM gastiert zum ersten Mal in ihrer Geschichte auf dem 4,226 Kilometer langen Kurs in der Nähe des beliebten Badeorts Rimini. Ähnliches Spiel wie beim letzten Rennen in Brands Hatch auf dem längeren Grand-Prix-Kurs: Manche Piloten kennen die Strecke überhaupt nicht, anderen ist Misano aus GT-Rennserien vertraut. Bei Mercedes blickt nur Daniel Juncadella auf Streckenkenntnisse zurück, wohingegen vier der sechs Audi-Piloten schon einmal Rennen in Misano bestritten haben.

Jamie Green und Bruno Spengler bereiteten sich sogar ganz akribisch auf das DTM-Wochenende vor. Mitte dieses Jahres absolvierten sie einen Gaststart in der Italienischen GT3-Serie in Misano. "Im 1. Freien Training ist es schon ein kleiner Vorteil, wenn du die Strecke kennst", sagt Marco Wittmann zu Motorsport-Magazin.com. "Für mich ist sie neu, deshalb muss ich mich so schnell wie möglich einschließen."

DTM-Piloten: Erfahrung in Misano

FahrerRennen in Misano
Loic Duval (Audi)-
Robin Frijns (Audi)Blancpain Sprint 2016, Blancpain Sprint 2015
Jamie Green (Audi)GT3 Italia 2018 + Blancpain Sprint 2017
Nico Müller (Audi) Formel Renault 2.0 Italy 2008
Rene Rast (Audi)Blancpain Sprint 2016
Mike Rockenfeller (Audi)-
Philipp Eng (BMW)Blancpain Sprint 2017 + Blancpain Sprint 2016
Joel Eriksson (BMW)-
Augusto Farfus (BMW)Formel Renault 2.0 Italy 2000 + 2001 (gegen Uhrzeigersinn)
Timo Glock (BMW)-
Bruno Spengler (BMW)GT3 Italia 2018
Marco Wittmann (BMW)-
Lucas Auer (Mercedes)-
Paul Di Resta (Mercedes)-
Daniel Juncadella (Mercedes)Blancpain Sprint 2017
Pascal Wehrlein (Mercedes)-
Edo Mortara (Mercedes)-
Gary Paffett (Mercedes)-

Brennpunkt #4 - Zanardi

Mit Alex Zanardi als Gaststarter ist BMW bzw. der DTM ein riesengroßer Coup gelungen. Der Auftritt des absoluten Fan-Lieblings heizt das Interesse von Zuschauern und Medien mächtig an. Bei aller Vorfreude auf Zanardis DTM-Debüt muss man jedoch realistisch bleiben: Alles andere als letzte Plätze wären ein Wunder.

Was für Zanardi spricht: Er hat sich mit höchster Akribie auf sein erstes Rennen seit knapp zwei Jahren vorbereitet. Laut Informationen von Motorsport-Magazin.com hat der 51-Jährige intern bei BMW ordentlich Druck gemacht, um den Test in Vallelunga zu bekommen. Dafür musste sogar das DTM-Reglement angepasst werden.

Zanardi, der in seinem umgebauten BMW mit der Hand Gas gibt und bremst und erstmals ohne Beinprothesen ein Rennen fährt, kündigt an: "Ich versuche, zumindest ein anderes Auto hinter mir zu lassen." Gelingt das dem Italiener tatsächlich, wäre das schon jetzt die große Sensation des Wochenendes. Forza Alex!

Fan-Liebling und Vorbild für viele: Alex Zanardi, Foto: BMW Motorsport
Fan-Liebling und Vorbild für viele: Alex Zanardi, Foto: BMW Motorsport

Brennpunkt #5 - Sat.1

Da TV-Partner Sat.1 dem eigenen Format 'Promi Big Brother' den Vorzug im Abendprogramm gibt, überträgt stattdessen kabel eins die beiden DTM-Rennen live im Fernsehen. Eine Aktion, die bei vielen Beteiligten in der DTM nicht gut angekommen ist. Verständlich einerseits, weil das Trash-TV-Format vermutlich höhere Quoten erzielen wird als die DTM. Andererseits dürfte sich der Senderwechsel nicht allzu positiv auf die TV-Quoten der DTM 2018 auswirken.

Nicht nur wir werden am Montag ganz genau auf die Auswertung schauen, wie viele Zuschauer 'Promi Big Brother' beziehungsweise wie wenige die DTM gesehen haben. Immerhin ein guter Bonus: Mit den beiden Nachtrennen geht die DTM der Formel 1 in Spa und dem MotoGP-Rennen in Silverstone am selben Wochenende zeitlich komplett aus dem Weg.

Brennpunkt #6 - Mercedes

Die Stuttgarter dominieren die DTM, führen alle drei Wertungen komfortabel an. Doch was ist mit den Sorgenkindern Pascal Wehrlein und Edo Mortara, die ihre eigenen Erwartungen aktuell nicht erfüllen können? Über Wehrlein wird wöchentlich ausführlich berichtet, während Mortara ein wenig untergeht. Dabei lag er nach vier Rennwochenenden an zweiter Stelle hinter Gary Paffett in der Meisterschaft!

In Brands Hatch und Zandvoort erlebte der frühere Audi-Pilot jedoch herbe Rückschläge und sammelte in den vier Rennen insgesamt nur 8 Punkte. Der Rückstand auf Spitzenreiter Paffett ist auf 76 Punkte angewachsen. Titelzug abgefahren?

Mortara zeigt sich selbstkritisch: "Es stimmt, dass es zuletzt nicht gut für mich gelaufen ist. Das gilt für Zandvoort und auch Brands Hatch, wo ich einfach zu viele Fehler gemacht habe, vor allem im Qualifying. Ich hätte viel weiter vorne starten müssen. Entsprechend wird es wichtig, diese Fehler abzustellen. Wenn mir das gelingt, haben wir normalerweise die Pace, um mindestens unter die besten Fünf zu kommen."

Brennpunkt #7 - Audi

Der Meister wehrt sich standhaft mit seinem Audi gegen die überlegene Konkurrenz von Mercedes und BMW: Rene Rast hatte zuletzt einen völlig überraschenden Lauf und holte in den vergangenen drei Rennen insgesamt 54 Punkte. Mehr sogar als Gary Paffett (50) und Paul Di Resta (42).

"Wir müssen das Momentum hochhalten, vor allem wenn man die Leistung von Rene Rast in den letzten Rennen sieht", warnt jetzt sogar Mercedes-Teamchef Uli Fritz. Aber: Rast hat gleichzeitig satte 100 Punkte Rückstand auf Titelfavorit Paffett - bei noch 224 zu vergebenen Punkten. Rasts Chancen auf die Titelverteidigung sind mehr theoretischer Natur. Immerhin scheint er in der Lage zu sein, für Wirbel auf den vorderen Plätzen zu sorgen, um der Mercedes-Armada einzuheizen.

Rene Rast ist die große Überraschung der letzten Wochen, Foto: DTM
Rene Rast ist die große Überraschung der letzten Wochen, Foto: DTM

Brennpunkt #8 - BMW

Vier Mercedes-Fahrer belegen Plätze in den Top-5 der Meisterschaft - und Marco Wittmann. Gelingt es dem drittplatzierten BMW-Piloten, den Stuttgartern die eigentlich unausweichliche Meister-Party noch zu verderben? Wittmann werden angesichts der Vergangenheit zumindest die besten Chancen eingeräumt. Wenn es früher bei BMW nicht lief, war Wittmann stets zur Stelle.

Und wenn es bei Mercedes in der aktuellen Saison nicht lief, war Wittmann ebenfalls zur Stelle. Beim Chaosrennen in Ungarn und am Norisring gelang es ihm jeweils, trotz Mercedes-Fünffach-Pole den Sieg einzuheimsen.

Allerdings sind 67 Punkte Rückstand auf Gary Paffett eine Hausnummer. Wittmann muss eigentlich schon auf Pech beim Mercedes-Piloten hoffen. Und am besten auch beim Zweitplatzierten Paul Di Resta, der sich auch mit seiner großen Konstanz 38 Zähler Vorsprung auf den zweifachen DTM-Champion erarbeitet hat.

Da könnte Wittmann etwas Schützenhilfe aus den eigenen Reihen nicht schaden, doch Timo Glock hatte zuletzt arge Probleme. Nachdem es zu Saisonbeginn gut in der Meisterschaft ausgesehen hatte, fiel er bis auf den sechsten Platz zurück. In den letzten sechs Rennen holte der BMW-Pilot nur 11 Punkte. Glock: "Ich wünsche ich mir, dass das Glück wieder zurückkommt, das zuletzt bei uns ein bisschen auf der Strecke geblieben ist."