"Geh in die Lotto-Annahmestelle und füll' einen Lottoschein aus - da ist die Chance höher zu gewinnen, als in der Formel 1 zu landen", hat Scheider im Interview mit Motorsport-Magazin.com eine eindeutige Meinung zum Ziel vieler Nachwuchsfahrer, irgendwann Formel 1 zu fahren. Timo Scheider ist der Nachwuchs wichtig. Jahrelang unterstütze er junge talentierte Piloten im Kartsport und steigt 2015 mit seinem eigenen Team in die neu-gegründete ADAC Formel 4 ein. Trotzdem hat er eine differenzierte Einschätzung dazu, dass viele junge Fahrer ausschließlich die Königsklasse anstreben.

"Du brauchst einfach einen großen finanziellen Background, um es in die F1 zu schaffen. Da verdienen die besten Fahrer zwar Geld, aber alle anderen müssen viel Kohle mitbringen, um ein Cockpit zu bekommen. Wenn man sich mal überlegt, wie viele Stationen es auf dem Weg in die Formel 1 sind, kann man sich schnell ausrechnen, was das alles kostet", erklärt Scheider und schätzt: "Da sprechen wir von rund 6,5 Millionen Euro Investment, bevor man überhaupt die Chance hat, in die Formel 1 zu kommen. Nur die wenigsten Fahrer haben dafür ausreichend Geld, Talent und auch das nötige Glück."

2014 stellte Deutschland mit vier Fahrern die stärkste Nation in der Königsklasse. In Zukunft könnte das Bild jedoch ganz anders aussehen, denn in den Formel-Nachwuchsklassen sind deutsche Fahrer rar - in der FIA Formel 3 Europameisterschaft war 2014 kein einziger deutscher Pilot im Einsatz. "Es hieß überall: Wenn du in einer deutschen Rennserie stark bist, verfügst du über eine gewisse Qualität. Diesen Ruf hat sich Deutschland über die Jahre hinweg erarbeitet. Schwierig zu sagen, was jetzt los ist", weiß auch Scheider nicht auf Anhieb die Lösung.

Timo Scheider unterstützt junge Nachwuchsfahrer, Foto: Audi
Timo Scheider unterstützt junge Nachwuchsfahrer, Foto: Audi

"Geld spielt da sicherlich eine große Rolle. Das ist schon brutal. Ich bin seit 25 Jahren im Motorsport und hatte nie einen Sponsor, der mir einfach so Geld gegeben hat. Niemand steckt dir einfach so zwei Millionen zu, um in der GP2 zu fahren...", kommentiert Scheider das gegenwärtige Problem, dass Geld überwiegend über die Cockpitvergabe entscheidet. Sponsoren seien heutzutage nicht mehr nur daran interessiert, dass ihr Logo das Auto schmückt, sondern wollen wirkliche Vorteile von ihrem Engagement, beschreibt Scheider. "Bei jeder großen Firma sitzen heute Marketingleute, die Ergebnisse sehen wollen. Die fragen sich, was sie von ihrem Investment haben - und es ist nicht einfach, sie zu überzeugen. Heute brauchst du Vitamin B, Überzeugung und einen Mehrwert, den du bieten kannst."

Von Motorsport-Magazin.com auf die steigenden Kosten für Nachwuchsfahrer angesprochen, meint Scheider: "Die Teams selber schreien inzwischen nach Testbeschränkungen. Ist doch klar: Wenn du in deiner Serie ein Team hast, das ständig mit den Jungs testet, musst du nachziehen. Es gibt natürlich Fahrer mit dem nötigen Budget, um überall zu testen. Aber es gibt auch viele junge Fahrer, die sich jeden Reifensatz vom Mund absparen müssen. Und was sagst du diesen Jungs dann, wenn andere Piloten ein paar tausend Testkilometer mehr abgespult haben und deshalb eine halbe Sekunde schneller sind?"

Als Lösung sieht Scheider Testlimitierungen, die in der Praxis allerdings schwer umzusetzen sind. "Ich habe auch Angebote von Fahrern mit riesigem Budget. Wenn ich denen aber sagen muss, dass bei uns Testmöglichkeiten beschränkt sind, gehen die eben ins Ausland und fahren dort. Dann kommen sie zurück und haben trotzdem haufenweise Testkilometer auf dem Konto. Wie soll man das kontrollieren? Andererseits: Wenn solch ein Fahrer mit viel Geld zu deinem Team kommt, dann schickst du ihn ja auch nicht weg...", schildert Scheider das Problem.

Lesen Sie ein ausführliches Interview mit Audi DTM-Pilot Timo Scheider in der aktuellen Print-Ausgabe von Motorsport-Magazin.com. Das Magazin ist ab sofort im Handel erhältlich oder am besten gleich online zum Vorzugspreis bestellen: