Der 'Fall Alesia Kreutzpointner' sorgt auch Tage nach den 24h Nürburgring 2024 für Diskussionen unter Fans und Fahrerlager-Insidern. Der 25-Jährigen wurde nach ihrem Unfall mit Sheldon van der Lindes Rowe-BMW die Nordschleifen-Permit entzogen und eine Geldstrafe in Höhe von 1.500 Euro aufgebrummt.
Nicht wenige Beobachter meinen, dass diese Bestrafung deutlich zu hoch ausgefallen sei. Motorsport-Magazin.com hat beim Deutschen Motor Sport Bund (DMSB) nachgehakt und wollte wissen, wie genau die Sportkommissare dieses Strafmaß für den Crash rechtfertigen, der neben Kreutzpointners Porsche Cayman auch den Führenden Rowe-BMW vorzeitig aus dem Rennen nahm und in dessen Folge sich der 1er BMW von Giti Tire überschlug.
Alesia Kreutzpointner: Rowe-BMW gesehen, trotzdem Spur gewechselt
"Die Fahrerin hat eingeräumt, dass sie nicht angemessen agiert hat", erklärte ein DMSB-Sprecher auf Anfrage. "Sie ist auf ein anderes Fahrzeug (Giti-BMW; d. Red.) aufgelaufen, hat aber das nachfolgende Fahrzeug (Rowe-BMW; d. Red.) im Spiegel durchaus gesehen. Trotzdem hat sie die Fahrspur gewechselt und damit die Kollision ausgelöst."
Und weiter: "Auch aus Sicht des nachfolgenden Fahrzeugs (Rowe-BMW; d. Red.) war die Situation vermeintlich klar: Vor ihm haben zwei Fahrzeuge sichtbar verlangsamt, sodass er annehmen musste, dass beide das schnellere Fahrzeug gesehen haben und ihn vorbeilassen. Auf das plötzliche Ausscheren von Alesia Kreutzpointner war Sheldon van der Linde nicht eingestellt."
Rowe-BMW-Pilot van der Linde, der betonte, dass sich Kreutzpointner nach dem Unfall unmittelbar und mehrfach entschuldigt habe, vermutete, dass er kurz vor dem Überholvorgang im "Blind Spot" (Toter Winkel) des Cayman-Porsche gefahren sei. Das war offenbar aber nicht der Fall, wie es jetzt seitens des DMSB-Sprechers nach Rücksprache mit den Sportkommissaren heißt.
DMSB: "Entzug der Permit gehört zu den geringeren Strafen"
Kreutzpointner war am langen Nürburgring-Wochenende nicht die Einzige, die ihren 'Nordschleifen-Führerschein' abgeben musste. Im Nacht-Qualifying war auch der YouTuber Steve Alvarez Brown fällig, nachdem er in seinem BMW M4 GT4 mit 145,5 km/h während einer Code-60-Phase 'geblitzt' worden war, wo eigentlich nur 60 km/h erlaubt sind. Der Brite wurde zudem disqualifiziert und durfte demnach nicht am 24h-Rennen teilnehmen.
Wie ist der Permit-Entzug der Rennfahrerin aus Sicht des DMSB einzuordnen? "Der ausgesprochene Entzug der Permit für ein Rennen gehört zu den geringeren Strafen, die in diesem Zusammenhang möglich sind", hieß es. Eine Weitermeldung an das DMSB-Sportgericht, um etwa einen Lizenzentzug für alle Autorennen, nicht nur auf der Nordschleife zu erwirken, wäre beispielsweise deutlich drastischer. "So muss die Fahrerin einmal aussetzen und anschließend noch einmal ein E-Learning machen, dass sie auf die speziellen Nordschleifen-Rennen vorbereiten soll."
Bestrafung für Kreutzpointner "ausreichend, aber nötig"
Dabei dürfte es bleiben, nachdem die Sportkommissare nach der Anhörung in ihrer Entscheidung vermerkten, dass die Bestrafung für Kreutzpointner "ausreichend, aber nötig" gewesen sei. Der DMSB-Sprecher erklärte dazu: "Für die übergeordnete Distanz (das Sportgericht) ist es ein Hinweis darauf, dass die Strafe ausreichend war - keine zusätzliche Bestrafung notwendig. Einige Strafen - wie etwa ein Lizenzentzug oder sehr hohe Geldstrafen - darf nämlich nur das Sportgericht verhängen, nicht aber die Sportkommissare vor Ort."
Die immer wieder heiß diskutierte Nordschleifen-Permit gebe es unter anderem, damit Sportkommissare die Möglichkeit hätten, einzelne Fahrer und nicht das gesamte Team für Vergehen zu bestrafen, die Nordschleifen-spezifisch sind. Dazu zählten unter anderem Vergehen, die mit der besonderen Situation von Geschwindigkeitsunterschieden durch Multi-Class-Racing zu tun haben, wie es beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring der Fall ist.
Kreutzpointner professionell: Ehrlich Auskunft erteilt und Urteil verstanden
Dass Kreutzpointner nach dem Unfall in den sozialen Medien offenbar beschimpft und angefeindet wurde, offenbarte die hässliche Seite des Internets. Die Rennfahrer-Tochter erhielt in der Folge ebenso öffentliche Rückendeckung, unter anderem von Rowe-Racing-Mitbesitzerin Dr. Alexandra Kohlmann und von Sheldons älterem Bruder Kelvin van der Linde. "Der Tenor bei vielen: 'War ja klar, eine Frau'. Für mich unerträglich", schrieb Dr. Kohlmann unter anderem auf Instagram.
Fan-Vorwürfe, dass die Strafe für Kreutzpointner nur wegen ihres Geschlechts derart hoch ausgefallen sei, wies der DMSB-Sprecher ausdrücklich zurück und merkte in diesem Zuge an, dass im Gremium der Sportkommissare mit Stefanie Kleiber eine Frau tätig sei.
"Nach Aussage der Sportkommissare hat Alesia Kreutzpointner zusammen mit einer Teamvertreterin im gesamten Verfahren trotz ihrer Jugend hochprofessionell agiert, ehrlich Auskünfte erteilt und auch das Urteil verstanden", hieß es seitens des DMSB. "Die Diskussionen über das Urteil liegen daher wohl eher im Bereich der Fans, als bei der Fahrerin selbst."
Alesia Kreutzpointner, die Tochter des früheren DTM-Piloten und Le-Mans-Starters Fritz Kreutzpointner, gab 2020 ihr Debüt im Automobilsport und startete zunächst in der ADAC GT4 Germany. 2021 und 2022 bestritt sie zudem Rennen auf dem Nürburgring im Rahmen der NLS-Serie sowie im BMW M2 Cup. 2023 erlangte sie zusammen mit Schwester Jacqueline ihre Nordschleifen-Permit beim Team Four Motors, für das sie dieses Jahr beim 24h-Rennen Nürburgring antrat.
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