Für Rene Rast und sein Team #31 WRT mit den Teamkollegen Robin Frijns und Sean Gelael waren die 24 Stunden von Le Mans 2022 vorzeitig beendet - nach einer Wechselbad-Woche der Gefühle bei der 90. Auflage des Langstrecken-Klassikers. Als am Sonntagmorgen um 10:45 Uhr der bis dato so stark aufgelegte Niederländer Frijns in die Leitplanken krachte und nach 19 Stunden die erste Safety-Car-Phase auslöste, war Feierabend.

Das schnelle Trio, das obendrein den verlorenen doppelten Punkten in der WEC-Weltmeisterschaft nachweint, zählte vor dem Rennstart am Samstagnachmittag zu den Sieganwärtern auf den LMP2-Klassensieg. Frijns hatte dem belgischen Rennstall die Pole Position beschert und die Favoriten-Rolle bestätigt. Jener Frijns, der vor 14 Tagen noch die 24h Nürburgring gewonnen hatte, aus der Eifel direkt zur Formel E nach Jakarta reiste und unmittelbar im Anschluss die Reise nach Le Mans antrat.

Nach dem Ausfall des früheren Audi-DTM-Piloten war die Stimmung gedrückt, aber kämpferisch. "Wo gehobelt wird, fallen Späne", stellte Teamkollege Rast am Nitro-Mikro fest. "Wir haben eh nicht mehr um den Sieg gekämpft, aber trotzdem ist das ärgerlich. Es zeigt aber, dass wir von vorne bis hinten gepusht und wie viel Energie und Leidenschaft wir reingesteckt haben."

Als Frijns einen ungeplanten Ausflug in die Leitplanken unternahm, lag der #31 WRT auf dem siebten Platz in der Klasse. Einen Rückschlag hatte das Trio wenige Stunden zuvor erlebt, als Sean Gelael in Folge einer Kollision mit Sebastien Bourdais im #10 Vector-Sport-LMP2 (Nico Müller/Ryan Cullen/Sebastien Bourdais) eine Durchfahrtsstrafe kassierte und quasi zunichte machte, was Frijns während eines überragenden Nacht-Stints aufgeholt hatte.

Während ihrer zahlreichen Vierfach-Stints fuhren alle drei WRT-Piloten auf einem vergleichbaren Niveau, wobei Frijns mit wenigen Zehntelsekunden schnelleren Rundenzeiten etwas herausstach. Die Performance der #31 kam wenig überraschend, schließlich führten sie die WEC-Weltmeisterschaft nach den ersten Saisonrennen in Sebring und Spa-Francorchamps vor dem #38 JOTA (Roberto Gonzalez/Antonio Felix Da Costa/William Stevens) an. Das dürfte sich ändern, wenn die JOTA-Truppe in Le Mans weiter wie ein Uhrwerk funktioniert und die gefühlt ewige Klassenführung bis über den Zielstrich bringen kann.

Ein Knackpunkt im Rennen bildete sicherlich der Start, als Rast nach wenigen Metern mit dem Mit-Favoriten #22 United Autosports (Philip Hanson/Filipe Albuquerque/William Owen) zusammenstieß und den Streckengegner ins Kiesbett schickte. Die Rennleitung machte Rast als Schuldigen dieser Kollision aus und brummte dem WRT-Team eine deftige 1-Minute-Boxenstopp-Strafe auf.

"Für mich ist das nicht nachvollziehbar", ärgerte sich Rast kurz nach der Bestrafung bei RTL Nitro. "Als grün war, habe ich beschleunigt, dann waren links und rechts schon Autos neben mir. Die hätten da gar nicht sein dürfen, sondern erst beschleunigen dürfen, als grün war."

Was Rast damit meinte: Von Platz sechs in der Startaufstellung fuhr der dreifache DTM-Champion direkt hinter den Hypercars an der Spitze des LMP2-Pulk los. Aus einem Fahrer-Briefing vor dem Rennen ging hervor, dass die Rennleitung vorgab, die Distanz zum vorausfahrenden Auto zu wahren. Überholmanöver waren erst erlaubt, nachdem das Auto die Linie überquert hatte. Und vor allem sollten die Pole-Setter konstant beschleunigen, wobei ein ansteigendes Momentum akzeptiert wurde.

Bei Rasts Unfall-Gegner William Owen aus dem #22 United-Autosports-LMP2 war der Frust nach dem frühen Rückschlag war deutlich spürbar.

"Ich war fast neben Rast, ich bin etwas weiter hinten gestartet, aber ich hatte einen guten Start und war direkt neben ihm", erklärte der US-Amerikaner. "Ich sah das blaue Auto (Habsburg, ebenfalls involviert; d. Red.) in meinem Spiegel nach links fahren. Mir war bewusst, dass er einen Run hatte, aber ich habe die Lücke gemeistert. Und dann kommt plötzlich Rast und biegt aggressiv nach links ab, was man auf einer Geraden nie machen würde. Ich meine, so verursacht man Unfälle, ehrlich. Ich konnte nicht schnell genug reagieren, bevor ich das blaue Auto rammte und im Kies landete."

Der #31 WRT war das erste LMP2-Auto, das von den 24 Stunden von Le Mans offiziell abgemeldet werden musste. Zuvor hatte es die bereits die beiden GTE-Pro-Autos von Corvette mit Tommy Milner/Nick Tandy/Alexander Sims und Antonio Garcia/Jordan Taylor/Nicky Catsburg sowie die GTE-Am-Boliden #59 Inception Racing-Ferrari, #71 Spirit of Race-Ferrari, #777 D'station Racing-Aston Martin sowie den #46 Porsche 911 RSR des deutschen Teams Project 1 erwischt.