Innerhalb weniger Minuten hat das Corvette-Werksteam einen absoluten Horror bei den 24 Stunden von Le Mans erlebt. Kurz nachdem der US-Hersteller am Sonntagmorgen die C8.R mit der Startnummer #63 (Antonio Garcia/Jordan Taylor/Nicky Catsburg) wegen technischer Probleme vorzeitig vom Rennen abmelden musste, knallte es heftig auf der Strecke.

Die #64-Corvette (Tommy Milner/Nick Tandy/Alexander Sims) mit Alex Sims am Steuer kollidierte gegen 10 Uhr im dichten Verkehr mit einem LMP2: Der Brite verlor bei hoher Geschwindigkeit die Kontrolle über das Auto und schlug heftig in die Leitplanken ein. Damit war die Führung in der LMGTE-Pro-Klasse futsch und das Rennen ebenfalls beendet.

Pikant: Beim LMP2-Auto handelte es sich ausgerechnet um die Startnummer #83 von AF Corse - jenem Team, das in der GTE-Pro mit dem #51 Ferrari 488 zuvor gegen die verunfallte Corvette um die Spitze gekämpft hatte. Am Steuer des AF-Corse-LMP2 saß Francois Perrodo, als es knallte. Der Franzose war nach dem Crash sichtbar betroffen und entschuldigte sich in der Corvette-Box.

"Es gibt keine Entschuldigung", sagte Perrodo am Nitro-Mikro. "Das war ein schrecklicher Fehler! Ein kleines Manöver mit großen Konsequenzen. Es war das Mindeste, mich bei Corvette zu entschuldigen. Ich weiß aber, dass ihnen das nicht hilft. Das ist ein Horror - für mich und vor allem für sie. Das sind Gentlemen und sie haben meine Entschuldigung angenommen. Aber ich habe ihr Rennen ruiniert. Ich entschuldige mich auch bei den Fahrern, wenn sie das akzeptieren."

Der Unfall blieb nicht ohne Konsequenzen: Die Rennleitung brummte Perrodo und dem #83 AF Corse eine 3-Minuten-Boxenstopp-Strafe für den Vette-Abschuss auf. Der #51 AF Corse-Ferrari (Alessandro Pier Guidi/James Calado/Daniel Serra) nahm das unfreiwillige Geschenk mit und führte 5:30 Stunden vor Schluss die GTE-Pro-Klasse an.

Der Corvette-Ausfall brachte unterdessen den #91 Porsche 911 RSR (Gianmaria Bruni/Richard Lietz/Frederic Makowiecki) wieder ins Spiel. Mit Fred Makowiecki am Steuer nahm der 911er bei seinem letzten Le-Mans-Einsatz die Verfolgungsjagd auf und lag nur 13 Sekunden hinter dem Ferrari. Das interessierte im Corvette-Lager freilich niemanden mehr, alle Teammitglieder waren am Boden zerstört.

Dem #91 Porsche steht auf dem Weg zum erhofften Klassensieg eine große Herausforderung bevor: Der Sportwagen aus Zuffenhausen muss nicht nur den #51-Ferrari jagen, sondern auch die #52 von AF Corse im Auge behalten. Das Schwesterauto hat eine Runde Rückstand auf das Führungsduo. Ex-DTM-Fahrer Miguel Molina: "Es ist wahr, was man über Le Mans sagt: Es kann alles passieren. Wir machen so viel Druck wie möglich auf den Porsche!"

Corvette-Horror bei den 24h Le Mans 2022, Foto: LAT Images
Corvette-Horror bei den 24h Le Mans 2022, Foto: LAT Images

Auf Unterstützung aus dem eigenen Lager kann der #91-Porsche kaum noch hoffen. Das Schwesterauto mit der #92 fährt mit zwei Runden Rückstand hinterher. Am frühen Sonntagmorgen um 07:45 Uhr flog Michael Christensen in Mulsanne ab und zog sich einen beträchtlichen Schaden an der Front zu. Der Vorfall kosteten den 911er die Führung in der Klasse und ereignete sich in einer Phase, als es an allen Ecken und Enden krachte.

Während in den kleineren Klassen noch alles offen zu sein scheint, dürfte der Gesamtsieg zum fünften Mal in Folge an Toyota gehen. Der #8 GR010 Hybrid (Sebastien Buemi/Brendon Hartley/Ryo Hirakawa) lag fünfeinhalb Stunden vor dem Rennende mit einer Runde Vorsprung in Führung vor dem Schwesterauto #7 Toyota (Mike Conway/Kamui Kobayashi/Jose Maria Lopez). Mit Lopez am Steuer erlitt die #7 am Morgen ein technisches Problem, blieb kurz auf der Strecke liegen und musste an der Box einen Reset vornehmen.