Toyota hat wenig überraschend die 90. Auflage der 24 Stunden von Le Mans gewonnen. Dem Autobauer aus Japan gelang ein Doppelsieg mit den beiden GR010-Hybrid-Hypercars beim Langstrecken-Klassiker. Ohne echte Konkurrenz im Rekord-Feld der 62 Autos überquerte der #8 Toyota mit Sebastien Buemi, Brendon Hartley und Neuzugang Ryo Hirakawa die Ziellinie nach 380 Runden (5.177,88 Kilometer) als Erster.

Das Schwesterauto mit der Startnummer #7 (Mike Conway/Kamui Kobayashi/Jose Maria Lopez) folgte mit einem Abstand von zwei Minuten auf dem zweiten Platz. Mangels Konkurrenz in der Hypercar-Klasse hatte Toyota einen Nichtangriffspaket zwischen seinen beiden Werks-Autos vorgegeben und diese Strategie konsequent durchgezogen.

Schon nach wenigen Stunden war der Vorsprung auf die Hypercar-'Gegner' von Glickenhaus und dem grandfathered LMP1 von Alpine ausreichend groß. Die Hoffnungen für das bekannteste Autorennen der Welt liegen auf 2023, wenn Toyota mit den neuen Hypercars von Ferrari und Peugeot sowie dem LMDh-Debüt von Porsche und weiteren Herstellern echte Konkurrenz erwartet.

Fünfter Le-Mans-Sieg für Toyota in Folge

Toyota feierte ungefährdet den fünften Le-Mans-Sieg in Folge sowie den vierten Doppelsieg auf dem 13,626 Kilometer langen Circuit de la Sarthe. Für den Schweizer Buemi war es der vierte Triumph, Teamkollege Hartley war nach seinem Porsche-Sieg 2017 und dem Toyota-Triumph 2020 zum dritten Mal siegreich.

Der frühere Formel-1-Pilot aus Neuseeland hatte dem #8-Toyota zuvor die Pole Position beschert und bestritt im Rennen den Schluss-Stint. Im Vorjahr gewann das #7-Schwesterauto beim Debüt der Hypercars, die die LMP1-Boliden abgelöst haben. Hartley: "Ich bin das erste Mal über die Ziellinie gefahren, ein unglaubliches Gefühl! Ich habe geweint beim Zieleinlauf. Hier kann immer alles passieren Wir kennen ja alle die Historie von Toyota."

In einem Rennen bei durchweg trockenen Bedingungen und mit auffällig wenigen Zwischenfällen vor allem in der Nacht, komplettierte der privat eingesetzte #709 Glickenhaus (Ryan Briscoe/Richard Westbrook/Franck Mailleux) das Podium als Dritter mit fünf Runden Rückstand - das ist als Erfolg anzusehen für den vergleichsweise kleinen US-Rennstall von Besitzer James Glickenhaus. Das Schwester-Auto #708 (Olivier Pla/Romain Dumas/Pipo Derani) schaffte es nach anfänglichen Problemen mit einer Aufholjagd auf den vierten Platz.

"Das ist sehr emotional", sagte der rennbegeisterte Glickenhaus. "Beide Autos waren sehr gut unterwegs. Wir hatten einen Abflug, das war ein Fehler, aber wir konnten es lösen. Ansonsten gab es keine Schwierigkeiten."

Ins Schwitzen kam die abermals top aufgestellte Toyota-Crew nur einmal während des 24-stündigen Rennens, als Jose Maria Lopez am Sonntagmorgen kurzzeitig auf der Strecke liegen blieb und in der Box mehrere Resets der Elektronik durchführen musste. Das kostete rund 20 Sekunden und brachte der #8 letztendlich den entscheidenden Vorteil für den Gesamtsieg ein.

Gar keine Rolle spielte der #36 Alpine (Andre Negrao/Nicolas Lapierre/Matthieu Vaxiviere): Das angepasste alte LMP1-Auto plagte sich früh mit technischen Problemen, kassierte später eine Strafe und krachte zu allem Überfluss am Sonntag auch noch in die Leitplanken - beim Zieleinlauf fehlten 18 Runden auf den Sieger-Toyota.

LMP2: JOTA siegt vor Kubicas Prema

Eine unauffällige, aber höchst souveräne Leistung in der mit 27 Autos stark besetzten LMP2-Klasse lieferte der #38 JOTA (Roberto Gonzalez/Antonio Felix Da Costa/William Stevens) ab: Das Trio führte die Kategorie ab der zweiten Rennstunde quasi durchweg an und holte nach 369 absolvierten Runden den Klassensieg.

Mit 2:21 Minuten Rückstand belegte der #9 Prema (Robert Kubica/Louis Deletraz/Lorenzo Colombo) den zweiten Platz. Damit verpasste der frühere Formel-1-Fahrer Robert Kubica nach 2021 (später Ausfall in Führung liegend) zum zweiten Mal den Klassensieg in Le Mans. Mit #28 JOTA (Oliver Rasmussen/Edward Jones/Jonathan Aberdein) auf P3 gelang dem Team gar ein doppelter Podesterfolg.

Rasts WRT nach Unfall ausgeschieden

Deutlich schlechter lief es für den #31 LMP2 des belgischen Top-Teams WRT (Sean Gelael/Robin Frijns/Rene Rast), der von der Pole Position gestartet war. Startfahrer Rene Rast kassierte nach einem viel diskutierten Crash früh eine 1-Minuten-Boxenstopp-Strafe. Eine große Aufholjagd von Robin Frijns in der Nacht bis auf den dritten Platz, eine weitere Strafe für Sean Gelael und schließlich ein Abflug von Frijns beendete die 'Achterbahn der Gefühle' am Sonntagvormittag vorzeitig.

So lief es für Flörsch, Krütten, Ogier und Co.

Für eine positive Überraschung aus deutscher Sicht sorgte Niklas Krütten in der LMP2-Klasse: Bei seinem Le-Mans-Debüt fuhr er mit dem #37 Cool Racing und seinen Teamkollegen Yifei Ye sowie Ricky Taylor auf den siebten Platz.

Sophia Flörsch fiel bei ihrem dritten Le-Mans-Start wegen eines Getriebeproblems im #47 Algarve-Racing-LMP2 schon früh zurück. Die Aufholjagd der Nachwuchspilotin und ihrer Teamkollegen Jack Aitken und John Falb endete auf dem 20. Rang in der LMP2-Kategorie.

Das Algarve-Pro-Schwesterauto mit dem Österreicher Rene Binder feierte unterdessen den Klassensieg in der Pro-Am-Wertung (P15 in LMP2-Klasse) - nach dem Start aus der letzten Reihe. Der achtmalige Rallye-Weltmeister Sebastien Ogier (#1 Richard Mille Racing) errang bei seinem ersten Start in Le Mans den neunten Platz in der LMP2-Klasse mit Teamkollegin Lilou Wadoux und Charles Milesi.

LMGTE-Pro: Porsche siegt - Debakel für Corvette

Mehrere Dramen spielten sich in der sieben Autos kleinen LMGTE-Pro-Klasse ab, die nach einem kürzlich erfolgten Beschluss des ACO ihren letzten Auftritt bei den 24 Stunden von Le Mans erlebte. Beim Klassensieg von Porsche erlebte das Corvette-Werksteam ein absolutes Debakel: Wenige Minuten nach der Abmeldung der #63 Corvette (Antonio Garcia/Jordan Taylor/Nicky Catsburg) wegen eines Schadens, wurde die führende #64 C8.R vom AF-Corse-LMP2 unsanft in die Leitplanken geschickt - Doppel-Ausfall für den US-Autobauer.

Vom Abschuss des Corvette-Trios Tommy Milner/Nick Tandy/Alexander Sims profierte die von Manthey betreute Porsche-Crew mit der Startnummer #91: Gianmaria Bruni, Richard Lietz und Frederic Makowiecki lieferten sich ein spannendes Duell mit dem #51 AF Corse-Ferrari (Alessandro Pier Guidi/James Calado/Daniel Serra) und behielten mit 41 Sekunden die Nase vorne. Der zweite 911er des Porsche GT Team (P4) spielte nach einem Unfall in Folge eines Reifenschadens keine Rolle beim Kampf um den Klassensieg.

LMGTE-Am: Aston-Sieg - Turbulentes Debüt für Michael Fassbender

In der mit 23 Autos beliebten LMGTE-Am-Kategorie verpasste Porsche einen zweiten Klassensieg hingegen um 44 Sekunden. Der #79 WeatherTech-Porsche (Cooper Mac Neil/Julien Andlauer/Thomas Merrill) landete hinter dem Klassensieger #33 TF Sport-Aston Martin (Ben Keating/Henrique Chaves/Marco Sörensen) auf Platz zwei. Der #98 Northwest AMR-Aston Martin (Paul Dalla Lana/David Pittard/Nicki Thiim) komplettierte das Klassen-Podest.

Hollywood-Star und Amateur-Rennfahrer Michael Fassbender erlebte ein turbulentes Debüt bei den 24 Stunden von Le Mans. Der deutsch-irische Schauspieler erwies seinem Team #93 Proton-Competition-Porsche im Qualifying am Mittwoch mit einem Unfall einen Bärendienst.

Im Rennen hingegen war Fassbender bei einer Kollision schuldlos, bevor er sich wenig später ohne Feindkontakt auf der Strecke drehte. Das Team mit Fassbender, Porsche-Werksfahrer Matt Campbell und Zach Robichon sah mit 14 Runden Rückstand immerhin die Ziellinie.