Es ist keine allzu große Überraschung: Toyota befindet sich auf bestem Wege zum fünften Sieg in Folge bei den 24 Stunden von Le Mans. Nach den ersten fünf Stunden drehten der Führende #8 Toyota (Sebastien Buemi/Brendon Hartley/Ryo Hirakawa) und das Schwesterauto mit der Startnummer #7 (Mike Conway/Kamui Kobayashi/Jose Maria Lopez) mit komfortablem Vorsprung ihre Runden an der Spitze.

Der Abstand auf den Drittplatzierten #708 Glickenhaus (Olivier Pla/Romain Dumas/Pipo Derani) betrug nach 80 Runden mehr als eine Minute. Das Schwesterauto des privaten US-Rennstalls fuhr mit Sensor-Problemen und mehr als drei Minuten hinterher, während der grandfathered Alpine #36 (Andre Negrao/Nicolas Lapierre/Matthieu Vaxiviere) aufgrund technischer Probleme und einer Durchfahrtsstrafe vier Runden auf dem 13 Kilometer langen Curcuit de la Sarthe einbüßte.

Das Schaulaufen des einzigen Werksteams in der Top-Klasse namens Hypercar geht munter weiter. Offenbar kann nur die Technik Toyota vom nächsten Le-Mans-Gesamtsieg abhalten. Ein Blick auf die vergangenen Jahre zeigt allerdings: Der LMP1 und auch der Nachfolger GR010 Hybrid sind ziemlich kugelsicher. Und selbst bei technischen Problemen reichte es seit 2018 mit Ausnahme von 2020 (Rebellion auf P2) in jedem Jahr für den Doppelsieg.

Aufgrund der Überlegenheit in so ziemlich jedem Bereich dürfte es wenig verwunderlich sein, dass Toyota kaum Interesse an einem offenen Kampf zwischen den beiden top-besetzten GR010 Hybrid um den Sieg hat. Deshalb lautet die Devise auch dieses Jahr beim japanischen Automobilgiganten: In Le Mans herrscht Überholverbot!

Einigen Sport-Fans dürften für diese Vorgehensweise wenig Verständnis haben und die Motorsport-Szene blickt schon jetzt sehnlich auf 2023, wenn Toyota mit Peugeot und Ferrari echte Hypercar-Konkurrenz erwarten dürfte und mit dem LMDh-Porsche auch die erfolgreichste Marke der 24h Le Mans wieder mit von der Partie ist.

Lobenswert: Toyota-Berater Alex Wurz macht überhaupt kein Geheimnis aus dem Nichtangriffspakt. "Natürlich haben wir eine Absprache", sagte der Österreicher bei RTL Nitro. "Sie dürfen sich nicht bekämpfen. Das schnellere Auto bekommt den Vorzug. Wir wollen nicht, dass sie anfangen zu fighten und sich gegenseitig ausbremsen. Das braucht man nicht bei einem 24-Stunden-Rennen. Wir wollen weiter Vollgas geben und einen gewissen Vorsprung rausholen."

Das bedeutet nicht, dass die Werks-Toyotas über die Strecke kriechen. Ganz im Gegenteil: Zeitweise trennte die #8 und die #7 weniger als eine halbe Sekunde. Sollte das Duo den Vorsprung auf die unterlegene Konkurrenz jedoch beträchtlich ausbauen, könnte der Fuß etwas vom Gaspedal genommen werden, um möglichst problemfrei durchzurollen - eine alles andere als einfache Aufgabe, wie Toyota selbst schon schmerzlich erleben musste.

"Wenn wir den Luxus haben sollten, eine Runde Vorsprung zu bekommen, dann kann man eventuell etwas Speed rausnehmen", bestätigte Wurz, der die 24 Stunden von Le Mans 1996 mit Joest-Porsche und 2009 mit dem Peugeot-Werksteam gewann.

Trotz der Teamorder stehen die beiden Toyota-Crews 24 Stunden lang - wenn alles gut geht - mächtig unter Druck. Jeder Fehler könnte die Führung und damit den möglichen Gesamtsieg kosten. So verlor #8-Startfahrer Sebastien Buemi nach dem Start von der Pole Position während der ersten Boxenstopps die Führung an Mike Conway im #7-Toyota. Der Schweizer blieb eine Runde länger draußen und verlor beim Boxenstopp-Vergleich rund drei Sekunden und damit den ersten Platz.

Das sollte sich ändern, als Jose Maria Lopez nach rund drei Stunden mit der #7 in der Schikane der Mulsanne-Geraden von der Strecke abkam und dadurch 18 Sekunden sowie P1 an #8-Fahrer Brendon Hartley verlor.