Valentino Rossi und Marc Marquez - einst das MotoGP-Traumduo, beste Freunde, zwei Ausnahmekönner, die sich schätzen. Das sollte sich beim Malaysia-GP 2015 schlagartig ändern, beide wurden zu eiskalten Rivalen. Nun folgte beim Katalonien-GP 2016 in Barcelona die umjubelte Versöhnung. Den Weg von den ersten gemeinsamen Tests bis zum aktuellen GP-Wochenende in Spanien hat Motorsport-Magazin.com hier für euch noch einmal aufgezeichnet:

Barcelona 2016: Versöhnung unter besonderen Umständen

Der tragische Tod von Luis Salom im zweiten freien Moto2-Training in Barcelona änderte die Situation dann völlig. Widmungen, Danksagungen und Ehrungen, wohin man schaut, alles andere rückte in den Hintergrund. Auch die Feindschaft zwischen Rossi und Marquez. Für den Doktor der entscheidende Anstoß zur Versöhnung. "Ich denke, nach solchen Geschehnissen ist alles andere unwichtig. Unsere Rivalität ist dagegen nur sehr klein, daher war es das Richtige", kommentiert Rossi seinen fried- und respektvollen Handschlag mit Marquez nach dem heißen Siegduell beim Barcelona-GP, der auch gleich von den Zuschauern mit sehr viel Jubel bedacht wurde.

Diese Versöhnung bahnte sich schon zuvor an, denn nach der Winterpause 2015/2016 kühlte die Rivalität zwischen Rossi und Marquez mehr und mehr ab, beide präsentierten sich als absolute Vollprofis und hakten die Geschehnisse des Saisonfinals 2015 ab. "Neues Spiel, neues Glück", das war das Motto für Rossi und Marquez vor der Saison 2016. Auch, wenn es zwischen den Fanlagern immer noch zu Anfeindungen kommt und der Marquez-Fanclub daher beispielsweise dem Italien-GP in Mugello fern blieb, bemühten sich Rossi und Marquez um Deeskalation. Positives Aufsehen erregte Rossis Appell beim Heimrennen an seine Fans, jedem einzelnen Fahrer Respekt entgegenzubringen, auch Lorenzo und Marquez.

Sepang und Valencia 2015: Die Situation eskaliert völlig

Denn für Rossis Fans sind Marquez und Lorenzo aufgrund der Geschehnisse am Ende der Saison 2015 noch immer Hassobjekte. Zwischen Rossi und Marquez eskalierte die Situation beim Malaysia-GP 2015 völlig. Rossi schoss im Anschluss an die Donnerstags-PK gegenüber der italienischen Presse in ungewohnter Schärfe in Richtung Marquez: "Marc will, dass Jorge gewinnt, weil er sauer auf mich ist. Das ist eine persönliche Angelegenheit seit Argentinien. Marc hat das nie offen zugegeben, aber er denkt, dass ich ihn mit Absicht zu Sturz gebracht habe. Dann kam auch noch Assen. Seiner Meinung nach wollte ich damals nur verhindern, dass er gewinnt. Seitdem steckt das in seinem Kopf und er denkt wie ein Kind: 'Ich werde zwar nicht Weltmeister, aber du sollst es auch nicht werden.' Jorge ist für ihn also das geringere Übel", polterte ein ungehaltener Rossi.

Weiter ging es in Malaysia mit harten Bandagen und Psychospielchen auf der Strecke. Marquez ärgerte Rossi schon in den freien Trainings am Samstag, als sich der Spanier an das Heck Rossis heftete und selbst dann nicht vorbei zog, als der Italiener bummelte. Besonders im FP4 war Rossis Geduld erschöpft. Doch diese Spielchen sollten nichts sein gegen die überaus hart geführten Zweikämpfe der Beiden im Rennen. Marquez lag in den ersten Runden auf Rang zwei, vor Rossi und Lorenzo. Lorenzo schaffte es innerhalb von kurzer Zeit an Beiden vorbei. Ein Blick auf die Zeitentabelle verrät, dass Marquez danach begonnen hat, seine Geschwindigkeit zu reduzieren.

Rossi kam Marquez immer näher und wurde schon bald in eine erbitterte Schlacht verstrickt, heruntergezogen bis auf die persönliche Ebene. Beide überholten sich unzählige Male gegenseitig, jeweils mit leichtem Feindkontakt oder nur durch wenige Millimeter voneinander getrennt. In Runde sieben hatte Rossi genug von der "lästigen Fliege" Marquez: Nach einem weiteren beinharten Duell kam es zur Kollision der Beiden in Turn 14. Rossi verlangsamte und ließ Marquez auflaufen, um ihn anschließend vermutlich mit einem Tritt zu Fall zu bringen! Das Ende vom Lied: Drei Strafpunkte für Rossi und damit Rückversetzung auf den letzten Startplatz beim Finale in Valencia. Der endgültige negative Höhepunkt dieses Duells! In Spanien dann verdeutlichte Marquez seine Absichten, als er Lorenzo in den letzten Runden lediglich Geleitschutz auf dem Weg zum Sieg und zum Titel gab, aber nie eine Attacke ritt.

Phillip Island 2015: Es wird frostig zwischen Rossi und Marquez

Um Marquez' Verhalten zu verstehen, muss man aber zurückgehen auf den Australien-GP 2015, der eine Woche vor Sepang stattfand. Rossi warf Marquez vor, im Rennen nicht alle Karten aufgedeckt und mit der Konkurrenz gespielt zu haben. Marquez hätte im Rennen schon viel früher an Lorenzo vorbei gehen und ihn so einbremsen können, was Rossis Chancen auf eine bessere Platzierung gesteigert hätte. Zwischen den Zeilen stets mit der Kritik an die Adresse von Marquez behaftet, Jorge Lorenzo im WM-Kampf zu unterstützen, auch wenn der Repsol-Honda-Pilot dies damals natürlich abstritt: "Ich fahre nur für mein Team und mich. Mein Ziel ist es, Rennen zu gewinnen. Ich schlage mich auf keine Seite und wünsche den Beiden nur das Beste."

Rossi wirft Marquez vor, in Australien Schützenhilfe für Lorenzo geleistet zu haben, Foto: Yamaha
Rossi wirft Marquez vor, in Australien Schützenhilfe für Lorenzo geleistet zu haben, Foto: Yamaha

Rossi beruhigte sich auch in den Tagen zwischen Phillip Island und Sepang nicht und ätzte weiter gegen Marquez. "Es war klar zu sehen, dass Marc mit uns gespielt hat. Er hatte das Potenzial, sich abzusetzen. Dann hätte es ein anderes Rennen werden können", erneuerte Rossi seine Kritik aus Phillip Island bei der Pressekonferenz am Donnerstag und ätzte gleichzeitig, wenn auch mit ironischem Unterton: "Sein Ziel war es bestimmt, nicht nur das Rennen zu gewinnen, sondern auch Jorge dabei zu helfen, mir Punkte abzunehmen. Es ist ganz klar, dass Jorge jetzt mit Marc einen neuen Unterstützer hat." Ein denkwürdiges Sepang-Wochenende war damit eingeläutet.

Der Knackpunkt: Assen 2015

Tiefere Risse in der bis dahin intakten Beziehung Rossi-Marquez gab es aber auch schon vorher. In dieser Hinsicht bedeutend war ihr episches Duell um den Sieg beim Rennen in Assen. Beide belauerten sich, beide fuhren sich die Seele aus dem Leib - und beide berührten sich in der allerletzten Kurve des Rennens. Die Bilder dürften allen, die das Rennen mitverfolgt haben, noch in lebhafter Erinnerung sein: Marquez bremst sich in der letzten Schikane innen rein, berührt Rossi, der Doktor muss geradeaus durch den Kies und holt sich so den Sieg.

In Holland eskalierte das Duell Rossi vs. Marquez, Foto: Repsol Honda
In Holland eskalierte das Duell Rossi vs. Marquez, Foto: Repsol Honda

Danach schien nichts mehr wie es war zwischen den Beiden. Marquez, in Argentinien noch darum bemüht zu betonen, immer etwas vom großen Idol aus Kindheitstagen lernen zu können, raunzte nun nur noch, dass er an diesem Tag höchstens eine Lektion in Sachen Motocross erhalten habe. Er habe genau gewusst, was er tut und hätte das Manöver in der Schikane über das gesamte Wochenende immer und immer wieder einstudiert. "Ich habe die Schikane am absoluten Limit angebremst, aber auf einmal war er neben mir", wunderte sich Rossi allerdings damals. "Ich musste abkürzen, sonst wäre ich gestürzt", gab der Doktor zu Bedenken. Die Rennleitung gab Rossi Recht und folgte seiner Argumentation. Somit gewann Rossi die Dutch TT vor Marquez.

2014/2015: Erste Sieg-Zweikämpfe zwischen Rossi und Marquez

Dass es auch ohne böses Blut geht, haben Rossi und Marquez in der Saison 2014 gezeigt. Damals verstanden sich Marquez und sein einstiges Idol aus Kindheitstagen noch prächtig, auch wenn die Sieg-Duelle schon enger wurden, wie etwa in Misano, Sepang oder Valencia. Erste Risse bekam das gute Verhältnis der beiden Superstars zu Beginn der Saison 2015. Beim Großen Preis von Argentinien kam es erstmals zu einem ernsthaften Duell der Beiden um einen Rennsieg. Marquez, auf weichen Reifen gestartet und schon bis zu vier Sekunden enteilt, musste machtlos mit ansehen, wie sein Vorsprung immer kleiner und kleiner wurde, bis es zwei Runden vor Schluss zur folgenreichen Kollision kam. Der Spanier stürzte, während Rossi zum Sieg brauste.

Zur Kollision zwischen Rossi und Marquez kam es dieses Jahr in Argentinien, Foto: motogp.com
Zur Kollision zwischen Rossi und Marquez kam es dieses Jahr in Argentinien, Foto: motogp.com

Dieses Ereignis nahm Marquez noch sportlich und mit Humor: "Ich habe immer gesagt, dass er mein Idol und meine Referenz ist, es gibt also immer etwas von ihm zu lernen." Rossi hingegen analysierte das Ganze damals schon kühler: "Er ist eben der Typ Fahrer, der immer auf Alles oder Nichts setzt. Er hat mich mitten in der Kurve berührt und dann noch einmal, als ich schon aus der Kurve heraus beschleunigt habe. Ich denke, das war sein Fehler und deswegen ist er gestürzt."

2013: Rossi und Marquez verstehen sich auf Anhieb gut

Noch wärmer und herzlicher war das Verhältnis Rossi-Marquez im Jahr 2013, Marquez' Debüt-Saison in der Königsklasse. Rückblende: Vorsaison-Tests in Malaysia im Februar 2013. Valentino Rossi fährt auf der Strecke vor Marc Marquez. Doch anstatt sich nicht vom aufstrebenden Rookie in die Karten schauen lassen zu wollen und seinen Turn abzubrechen, zog Rossi in Sepang Marquez für drei Runden hinter sich her, ehe beide ihre Positionen tauschten. Rossi streute Marquez danach Rosen: "Ich habe es sehr genossen, denn sein Fahrstil ist sehr spektakulär, f*ck er fährt sehr hart. Ich mag seinen Fahrstil sehr", so Rossi im Februar 2013. Marquez gab das Kompliment damals umgehend zurück: "Er war vor mir und dann lag ich vor ihm und war ziemlich gut, denn ich sah einen Fahrer mit einer Menge Erfahrung und ich habe auf den drei Runden hinter ihm viel gelernt."

In der Corkscrew düpierte Marquez 2013 Rossi, Foto: Repsol Honda
In der Corkscrew düpierte Marquez 2013 Rossi, Foto: Repsol Honda

Überhaupt schienen sich mit Rossi und Marquez zwei gefunden zu haben. Der Superstar und sein designierter Nachfolger kamen prima zurecht. Am Deutlichsten wurde das beim US-GP 2013 in Laguna Seca, als Marquez Rossi außenrum in der Corkscrew aufschnupfte - ein Manöver, das Rossi fünf Jahre zuvor schon gegen Casey Stoner setzte. Marquez gewann, Rossi wurde hinter Stefan Bradl Dritter. Beide nahmen es mit Humor. Nach dem Rennen nahm Rossi Marquez aus Spaß in den Würgegriff angesichts der auffallend gelungenen Kopie seines Manövers. Marquez entgegnete der Presse damals mit einem Augenzwinkern: "Ich habe Rossi schon gesagt, dass ich ihm das Copyright für das Manöver bezahlen werde." Scherze aus den guten Tagen in der Beziehung Rossi-Marquez. Vielleicht geht der Weg nach dem Barcelona-GP 2016 ja wieder da hin.