Wenn Sie an die bisherigen Siege in der Rallye-WM zurückdenken - welcher ist der wichtigste?
Jost Capito: Das wäre ja beinahe so, als müsste man sein liebstes Kind benennen. Und das in einer Großfamilie. Ich kann Ihnen sagen: Jeder einzelne Erfolg war ein ganz besonderer Moment. Unser erster Sieg in Schweden war definitiv der emotionalste. Der folgende in Mexiko angesichts der Höhenlage mit einer der größten Ingenieursleistungen. Der von den Mechanikern am härtesten erkämpfte Erfolg war der in Portugal und ohne jede Frage die größte Teamleistung. Der Sieg in Griechenland war die größte Erleichterung, der allen auch anhand dieses Ergebnisses bewiesen hat, dass wir die beiden besten Fahrer der Rallye-WM verpflichtet haben. Der Triumph in Finnland ist der mit dem höchsten Prestige, der in Italien ist der mit der routiniertesten Leistung der gesamten Mannschaft. Und der Erfolg in Australien war mit 21 gewonnenen Wertungsprüfungen bei 22 insgesamt der dominanteste. Sie sehen: Für einen Motorsport-Direktor hatte jeder Sieg herausragende und enorm wichtige Aspekte und die machen Lust auf die Zukunft.

Sie haben am Anfang der Saison Podiumsresultate als Ziel ausgegeben. Wann war der Moment gekommen, diese Ziele nach oben zu korrigieren?
Jost Capito: Gleich im ersten Jahr Titel in der Rallye-WM zu feiern, eine der komplexesten Aufgaben für Fahrer, Beifahrer, Ingenieure und Mechaniker - davon haben wir nicht einmal geträumt. Im Premierenjahr aus eigener Kraft das Podium zu erreichen war und ist immer noch ein hoch gestecktes Ziel. Volkswagen tritt nicht gegen irgendwen an, sondern gegen erfahrenere Teams wie Citroën und Ford, die beide den Hersteller-Titel in der WM schon gewonnen haben. Citroën hat mit Sebastien Loeb zuletzt neun Fahrer-Titel in Folge geholt. Geschenkt gibt es im Sport nichts und Erfolg ist nicht planbar. Wir haben uns allerdings auf unsere Aufgabe bestmöglich und im Volkswagen typischen, extrem akribischen Stil vorbereitet. Als wir in Portugal schon unsere dritte Rallye in Folge gewonnen und mit Sebastien Ogier beinahe die optimale Punktausbeute erreicht hatten, während unseren Gegnern Fehler unterliefen - von da an haben wir natürlich auch den WM-Titel angepeilt.

13 Rallyes rund um den Globus bedeuten einen hohen Rhythmus für Mechaniker, Ingenieure und Fahrer. Wie hält man als Motorsport-Direktor die Motivation hoch?
Jost Capito: Man darf nicht vergessen, dass wir mit dem Polo R WRC die erste Saison in der Rallye-WM bestreiten. Für jeden einzelnen im Team ist jede Rallye eine noch nie dagewesene Herausforderung, der sich jeder von uns mit Respekt und größtmöglicher Willenskraft stellt. Wir haben uns ein Jahr lang mit Autos unserer Konzernschwester Skoda auf unsere Premiere vorbereitet. Jeder kennt die Abläufe, ist gleichzeitig aber auch hungrig darauf, in der Top-Klasse WRC zu zeigen, was in uns steckt. Mehr Motivation geht nicht.

Volkswagen hat die ersten beiden Rallye-WM-Titel schon gefeiert, in der Hersteller-Wertung liegen die Polo R WRC ebenfalls an der Spitze. Welche Abkürzungen in der Fahrzeugentwicklung haben die Ingenieure gefunden, um derart schnell so erfolgreich zu sein?
Jost Capito: Erst einmal ist die Entwicklung des Polo R WRC noch lange nicht zu Ende. Doch die Basis ist schon jetzt konkurrenz- und sogar siegfähig. Das ist mehr als wir erwartet hatten. Bei der Entstehung des Polo R WRC haben viele Parteien perfekt zueinander gefunden und gemeinsam dieses ehrgeizige Projekt gemeistert. Nicht nur die Motorsport-Abteilung bei uns in Hannover, sondern auch die Entwicklungsabteilungen für die Serienfahrzeuge in Wolfsburg haben viel dazu beigetragen. Die Entwicklung des Motors - eines der Herzstücke der Siege - ging Hand in Hand mit Dr. Donatus Wichelhaus und seinen Motorsport-erfahrenen Experten sowie den Kollegen aus Wolfsburg, die ihrerseits den Konstruktions- und Berechnungsprozess beschleunigt haben. Bei der Entwicklung des Chassis konnten wir auf die Rallye-Expertise unseres neuen Technischen Projektleiters FX Demaison bauen, der im Doppelpass mit unserer Konstruktionsabteilung viele innovative Ideen umgesetzt hat. Und davon haben wir noch mehr.

Beinahe alle Ziele des Dreijahresplans sind schon vor Ablauf der ersten Rallye-WM-Saison erreicht. Wie geht es weiter?
Jost Capito: Sie sagen es: beinahe. Volkswagen hat gute Chancen, schon 2013 den Herstellertitel zu gewinnen. Das zu erreichen ist aber noch ein langer Weg. Diese Weltmeisterschaft ist für einen Automobilkonzern die wichtigste, denn sie beweist, dass nicht nur ein Fahrer Extra-Klasse ist, sondern auch das Produkt selbst. Diesen Titel zu gewinnen, hat jetzt oberste Priorität. Und bei Volkswagen laufen jetzt schon die Vorbereitungen auf Hochtouren, die bereits feststehenden Fahrer- und Beifahrertitel im kommenden Jahr zu verteidigen.