122 Tage nach dem WEC-Rennen im belgischen Spa-Francorchamps (11. Mai 2024) steht das finale Ergebnis des Weltmeisterschafts-Laufs nun endgültig fest. Das Internationale Berufungsgericht (ICA/International Court of Appeal) hat eine von Ferrari eingelegte Berufung am 10. September - genau vier Monate nach dem Rennen - abgewiesen.
Damit steht das Porsche-Kundenteam Jota mit den Fahrern Will Stevens und Callum Ilott als offizieller Sieger des dritten Saisonrennens fest. Am kommenden Wochenende steigt im japanischen Fuji (13.-15. September) bereits der siebte und somit vorletzte Saisonlauf der Langstrecken-WM.
Ferrari verliert WEC-Sieg wegen Rennverlängerung
Ferraris Unmut richtete sich gegen die Entscheidung der Sportkommissare, das 6-Stunden-Rennen um 1:44 Stunden zu verlängern, nachdem es wegen umfassender Reparaturarbeiten an Leitplanken mit roten Flaggen unterbrochen werden musste. Der vorangegangene Unfall ereignete sich knapp 2 Stunden vor dem Rennende, während die Zeit unter Rot weiterlief. Zum Zeitpunkt des Abbruchs - knapp zwei Stunden vor dem eigentlichen Zieleinlauf - lagen die beiden Werks-Ferrari 499P in Führung.
Gegen die Verlängerung (Entscheidung 71) und gegen das ‚Vorläufige Ergebnis’ legte Ferrari nach dem Rennen einen Protest ein, der von den Sportkommissaren jedoch abgelehnt wurde mit der Begründung, dass "Entscheidungen der Stewards unter dem FIA International Sporting Code nicht Gegenstand eines Protests sein können".
Gegen diesen abgewiesenen Protest (Entscheidung 80) ging Ferrari dann in Berufung, um den Fall vor den International Court of Appeal zu führen. Bei der Verhandlung am 3. September wurden Mitglieder von Ferrari, der FIA, von Jota und dem Porsche-Werksteam angehört. Die unabhängigen Richter stützten schließlich die Begründung der Sportkommissare mit dem Verweis auf den International Sporting Code (ISC) und wiesen Ferrari sämtliche Gerichtskosten zu.
Renndirektor vs. Sportkommissare - Protest vs. Berufung
Die Richter kamen zu dem Schluss, dass Ferrari gegen Entscheidung 71 (Rennverlängerung) keine Berufung eingelegt habe, was laut dem International Sporting Code aber hätte geschehen müssen, um die Entscheidung anzufechten und sie von unabhängigen Richtern untersuchen zu lassen. Der ICA wies darauf hin, dass ein Protest dazu gedacht sei, mögliche Regelbrüche eines anderen Wettbewerbers oder Entscheidungen der Rennleitung zu untersuchen. Zur Info: Sportkommissare sind in der Hierarchie über dem Renndirektor angesiedelt und sollen komplett unabhängig von FIA und Co. handeln.
Als Beispiel führte der ICA hierzu an: Gegen ein ‚Vorläufiges Ergebnis’ kann protestiert werden, weil es durch den Renndirektor ausgestellt wird. Nicht möglich ist dies hingegen gegen das ‚Finale Ergebnis’, weil hier die Verantwortung bei den Stewards liegt. Klingt für Außenstehende auf den ersten Blick schwer verständlich, ist so aber im International Sporting Code geregelt, den die Richter bei solchen Verhandlungen heranziehen. Das alles geschieht auf der Annahme, dass die Sportkommissare als oberste Autorität im Motorsport anzusehen sind.
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Berufungsgericht teilt nicht Ansicht der FIA
Interessant: Die Richter des ICA teilten in diesem Fall ausdrücklich nicht die Ansicht der FIA, dass auch der eingelegte Protest gegen das ‚Vorläufige Ergebnis’ unzulässig sei, weil gegen Entscheidungen der Sportkommissare grundsätzlich nicht protestiert werden dürfe.
Hierzu notierte das Berufungsgericht in seinem 15 Seiten umfassenden Schreiben: „Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass die Sportkommissare den Protest zu Unrecht allein aus dem - wenn auch berechtigten - Grund abgelehnt haben, dass eine Entscheidung der Sportkommissare nicht angefochten werden kann. Die Sportkommissare hätten in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Frage des Vorläufigen Ergebnisses behandeln müssen.“
Ferrari: Porsche wurde Spa-Sieg „auf dem Teller serviert“
Diese Feststellung hilft Ferrari allerdings nicht, da die Richter abschließend feststellten, dass der Protest nicht wie vorgegeben innerhalb der einstündigen Frist nach einer getroffenen Entscheidung eingelegt worden sei. Deshalb müssten Ferraris Ausführungen bei der Gerichtsverhandlung „zurückgewiesen werden, da sie ausschließlich auf dem Argument beruhen, dass die Entscheidung 71 gegen die Vorschriften verstoßen habe und dass folglich das Vorläufige Ergebnis bzw. das Finale Ergebnis geändert werden müsse“.
Das Gericht ordnete an, dass die Verantwortlichen aus diesem Fall die richtigen Schlüsse ziehen sollten. Sprich: Im Reglement muss eindeutig geklärt sein, wie der Ablauf im Fall eines für eine längere Dauer abgebrochenen Rennens geregelt ist. Die FIA hatte sich nach dem Belgien-Lauf auf „Fairness“ berufen, weil alle Teams ihre Strategien auf ein 6-Stunden-Rennen ausgerichtet hätten.
Ferrari hingegen argumentierte während der Gerichtsverhandlung, dass alle Teams ähnliche Strategien bei den Boxenstopps und Reifen genutzt hätten, sodass eine Verlängerung des Rennens nicht durch sportliche Fairness gerechtfertigt werden könne. Laut Ferrari habe ausschließlich Porsche von der Verlängerung profitiert, und der Doppelsieg sei ihnen „auf dem Teller serviert“ worden, weil sie als einzige kurz vor der roten Flagge ihren Boxenstopp eingelegt hätten.
Der Fall Ferrari von Anfang bis Ende: So lief das komplette Prozedere ab
- 11. Mai, 13:01 Uhr: 6-Stunden-Rennen der WEC in Spa beginnt
- 17:13 Uhr (Runde 96): Rote Flaggen nach Unfall zwischen Cadillac und BMW
- Bei Rot-Abbruch führen #51 und #50 Ferrari mit 55 Sekunden vor #12 Jota-Porsche und #6 Porsche
- #12 Jota-Porsche und #6 Porsche hatten als einzige Autos kurz vor Rot Boxenstopps absolviert
- 18:49 Uhr: Sportkommissare entscheiden, dass Rennen um 19:10 Uhr für 1:44 Stunden fortgesetzt wird
- Unter anderem #51 und #50 Ferrari legten direkt nach Rennfortsetzung ihre Boxenstopps ein
- 20:55 Uhr: #12 Jota-Porsche siegt nach 5:57 Stunden Renndauer und 141 Runden. #51 und #50 Ferrari landen auf Plätzen drei und vier
- 22:03 Uhr: Ferrari legt Protest gegen Entscheidung 71 (Verlängerung) und Vorläufiges Ergebnis ein
- 22:28 Uhr: Anhörung von Ferrari-Team AF Corse vor den Sportkommissaren
- 00:12 Uhr: Sportkommissare lehnen Ferrari-Protest ab. Ferrari kündigt Berufung an
- 15. Mai: Ferrari legt schriftlich Berufung gegen abgelehnten Protest ein
- 29. Mai: Lamborghini-Team Iron Lynx wird Teilnahme an Gerichtsverhandlung verweigert
- 05. Juni: Iron Lynx fechtet diese Entscheidung an, erhält Möglichkeit einer Einzelanhörung
- 28. Juni: Gericht entscheidet nach Einzelanhörung, dass Iron Lynx nicht zur Verhandlung zugelassen wird
- 01. Juli: Ferrari legt seine Berufungsgründe vor
- 12./13. August: Porsche und Kundenteam Jota reichen ihre schriftlichen Beobachtungen ein
- 16. August: Die FIA legt ihre Gründe vor
- 03. September: Internationales Berufungsgericht tagt zum Fall in Genf
- 10. September: Internationales Berufungsgericht weist Ferrari-Berufung ab
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