37 Rennwagen in zwei Klassen, 14 weltweit bekannte Autohersteller, dazu Stars und Ikonen wie Valentino Rossi, Mick Schumacher, Jenson Button, Andre Lotterer oder Rene Rast: Die WEC-Saison 2024 verspricht eine epische Schlacht um die Langstrecken-Weltmeisterschaft zu werden. Vor allem Ferrari hat mit seiner Rückkehr nach 50 Jahren und dem sofortigen Triumph bei den 24 Stunden von Le Mans einen globalen Endurance-Hype ausgelöst. Längst sind die öden Jahre von Toyotas Alleinherrschaft mit fünf Le-Mans-Siegen in Folge von 2018 bis 2022 nur noch Schnee von gestern.

Wenn Ferrari, Toyota und Peugeot mit ihren selbstentwickelten Le-Mans-Hypercars auf die Meute der LMDh-Konkurrenz um WEC-Rückkehrer BMW, Daytona-Sieger Porsche, Cadillac oder die Neueinsteiger Alpine und Lamborghini treffen, erleben die Zuschauer ein nie dagewesenes Gefecht der Automobilgiganten. Und das bringt einige Tücken mit sich. 2023 taten sich der WEC-Veranstalter ACO und die FIA schwer, die unterschiedlichen Fahrzeugkonzepte mittels einer Balance of Performance - Not und Übel des modernen Motorsports - auf ein vergleichbares Niveau zu hieven.

Hypercars waren LMDh-Autos deutlich überlegen

Die LMH-Autos (Le Mans Hypercar aus der WEC) mit ihrem temporären Allradantrieb und selbstgebauten Hybridsystemen waren den kostengünstigeren LMDh-Boliden (Le Mans Daytona hybrid aus der IMSA) mit einheitlichem Heck-Hybrid sowie vorgegebenem Chassis über weite Strecken deutlich überlegen: Toyota gewann sechs der sieben WEC-Rennen und holte den WM-Titel, Ferrari setzte sich beim Highlight in Le Mans durch. Porsche mit seinem 963-LMDh musste sich mit zwei dritten Plätzen in Portimao und Fuji begnügen, IMSA-Kumpan Cadillac erreichte 'nur' in Le Mans das Podium.

Vor diesem Hintergrund überrascht es wenig, dass die WEC-Verantwortlichen bis zum letzten Moment, kurz vor dem Saisonauftakt in Katar Anfang März, an der BoP getüftelt haben: Die bislang unterlegenen LMDh-Vertreter verfügen dank der Neueinsteiger BMW, Alpine und Lamborghini jetzt über eine deutlich stärkere Lobby im Starterfeld. Die Politik hinter den Kulissen dürfte ähnlich spannend sein wie die Action auf der Rennstrecke.

Porsche und Co. dürfen nicht die zweite Geige spielen

Weltmarken wie Le-Mans-Rekordsieger Porsche können es nicht akzeptieren, nur die zweite Geige in einer FIA-Weltmeisterschaft zu spielen. Und auch bei BMW ist nichts anderes eingeplant als der Gesamtsieg beim 24-Stunden-Klassiker. Schließlich wurde den Herstellern versprochen, dass allesamt siegfähig sind - und so haben es die Motorsportchefs auch in den Vorstandsetagen kommuniziert, um das Budget einzusacken. Nach der 'Generalprobe' 2023 gibt es jetzt keine Ausreden mehr.

Gewagter Ansatz für eine Lösung, um das Fenster für BoP-Einflüsse zu verkleinern: Anstelle von sechs, acht, zehn oder 24-stündigen Rennen - wer schaut das mit Ausnahme von Le Mans wirklich komplett? - könnten die Hypercars in knackigen Sprintläufen gegeneinander antreten. Das hätte zwar nicht mehr den Charakter einer Langstrecken-Serie, aber der packende 100-Minuten-Sprint der IMSA in Long Beach hat gezeigt, dass in der Kürze oftmals die Würze liegt.

Skandal-Regel: Maulkorb für BoP-Kritiker!

Die Balance of Performance dürfte auch in der neu geschaffenen GT3-Kategorie als Nachfolge-Klasse der teureren GTE-Kategorie die übliche Rolle spielen. Eine vermeintlich unausgewogene Fahrzeugeinstufung gilt weiterhin als beliebtestes Argument für schlechtes Abschneiden auf der Strecke.

Doch Vorsicht ist geboten am Mikrofon: Öffentliche Einschätzungen zur BoP sind laut dem Sportlichen Reglement verboten! Bei den GT3-Vertretern werden aber wohl eher die verpflichtend einzusetzenden Bronze-Fahrer über Sieg oder Niederlage entscheiden. Das Amateur-Konzept in allen Ehren, aber ist das noch zeitgemäß?

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