Vermutlich wird Darren Cox mittlerweile die Pressekonferenz von Andy Palmer im Jahre 2014 verfluchen, als dieser vollmundig ankündigte, Nissan werde 2016 Le Mans mit einem völlig anderen Konzept gewinnen. 14 Monate später ist Palmer längst zu Aston Martin abgewandert und Nissan steht mit einem völlig anderen Konzept da, das bislang aber nicht funktioniert hat. Logische Konsequenz: Nissan zieht den GT-R LM Nismo fürs Erste komplett aus dem Wettbewerb zurück und konzentriert sich für unbestimmte Zeit auf Testfahrten.
Als Erstes gilt es, die skeptischen Fans zu beruhigen, dass Nissan das Projekt nicht komplett einstampft. Einiges spricht für eine Fortführung, schließlich sucht Nissan mit großen Stellenanzeigen in Amerika nach Verstärkung. Darren Cox spult es gebetsmühlenartig herunter: "Wir stoppen definitiv nicht", versichert der Nismo-Marketingchef gegenüber Daily Sportscar. "Die Jungs aus der Garage haben nach Le Mans ein paar Wochen freibekommen, aber der Rest hört nicht auf zu arbeiten. Der wichtigste Ingenieur - Ben Bowlby - und das Management haben sich keine Ruhepause gegönnt. Wir planen alle, wie wir das Programm zurück in die Spur bringen können."
"Die Pressemitteilung ist relativ klar bezüglich des Engagements in diesem Projekt. Wir würden nicht weiterentwickeln und weiterhin testen, wenn wir einen Abgesang anstimmen würden. Es geht darum, das Potenzial dieses Pakets langfristig freizusetzen. Das ist uns bislang nicht gelungen. Wir wissen, wozu es in der Lage ist und wir müssen sicherstellen, dass es jetzt auf der Strecke umgesetzt wird."
Medienpräsenz überzeugt Vorstand
Dass das Projekt fortgeführt wird, dürfte insbesondere an der Resonanz in den Medien liegen. Nissan hatte von Anfang an mit offenen Karten gespielt und das zahlt sich aus: "Hinter den Kulissen gab es eine massive, äußerst positive Resonanz von den Fans für unsere Offenheit. Wir haben viele Einblicke in das Team und Kontakt zu den Fahrern ermöglich - so, wie wir es immer tun wollten. Die Fans, die in Le Mans waren, werden unseren Auftritt im Dorf genossen haben und diejenigen mit Fahrerlager-Zugang haben gesehen, wie offen wir sind."
Doch auch abseits der Strecke habe es Einbindung gegeben: "Diejenigen, die nicht beim Rennen waren, konnten auf Nismo TV zuschauen. Wir hatten drei Onboard-Kameras und einen Livechat über das gesamte Rennen. Wir haben mit den Fans interagiert. Wir hatten beispielsweise 44.000 Kommentare auf unserem Youtube-Kanal und unglaubliche 1.000 Tweets von Nismo alleine im Juni. Die Reaktion der Fans und der meisten Medien war sehr positiv, fair und hat uns mit Stolz erfüllt."
Das scheint auch Nissan-CEO Carlos Ghosn überzeugt zu haben, bekanntermaßen ein knallharter Kosten-Nutzen-Manager, der das Programm in Folge der Probleme gleich auf den Prüfstand gestellt hat. "Ich denke, man hätte sich eher Sorgen machen sollen, wenn es bei einem solch massiven Programm kein Review gegeben hätte", bleibt Cox ganz cool. "Wir wissen, dass Audi beispielsweise seine Motorsportaktivitäten jeden Monat evaluiert. Das Management ist sehr glücklich mit der Reaktion von und der Interaktion mit den Fans. Dieser Aspekt des Sports ist in Japan sehr wichtig."
Gerade in Europa stieß der Marketing-Ansatz Nissans teils auf Unverständnis. Cox verteidigt die Herangehensweise: "Die Leute nennen es Marketing; nennt es wie ihr es wollt, wir versuchen, den Langstreckensport zu den Fans zu bringen. Wir zeigen die Super GT auf Nismo TV - eine Rennserie, die außerhalb Japans niemand sehen könnte, wenn wir es nicht machen würden. Wenn sich jemand dazu entschließt, das Marketing zu nennen, dann ist das schade, denn alles, was wir versuchen, ist, unseren Sport den Fans zu kommunizieren."
Neue Offensive mit mehr Nismo-Ressourcen
Mit der Rückendeckung des Managements muss nun aber dringend etwas in sportlicher Hinsicht geschehen. Und da sollen Ressourcen gebündelt werden: "Das Gute ist, dass Nissan ein globales Unternehmen ist." Vin nun an soll nämlich mehr Support aus Japan den Wagen für 2016 konkurrenzfähig machen. "Für Nissan läuft es in der Super GT gut. Damit können wir mehr Nismo- und Nissan-Ressourcen für das LMP1-Projekt einbinden."
Erstmals gibt er aber auch indirekt Fehler zu. Was hätte er anders gemacht, wenn er das Projekt noch einmal starten könnte? "Neun Monate früher anfangen!", schießt es wie aus der Pistole heraus. "Es ist leicht, der Meinung zu sein, dass wir erst 2016 hätten starten sollen, aber die Regeln sollen sich am Ende von ´16 ändern und für jedes große Unternehmen wäre ein Motorsportprogramm für ein Jahr nicht sinnvoll. Die Alternative wäre gewesen, auf 2017 zu warten, aber das ist nicht das, was wir wollen."
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