Zugegeben, durch die Wechselgerüchte Jorge Lorenzos von Yamaha zu Ducati ging der "Genesungsurlaub" von Casey Stoner in den Medien etwas unter. Die Fragen, nach den wirklichen Gründen und nach dem werten Befinden des Australiers wurden nur ungenügend beantwortet. Aber das war auch kein Thema von Brisanz - Lorenzo gab ja den Takt an. Hinzu kam noch, dass Lorenzo vor Ort und greifbar war, die Stoner-Farm in Australien aber am anderen Ende der Welt liegt. Außerdem gab Stoner keine Interviews und wollte auch mit der Presse in sonst keiner Weise über seinen aktuellen Gesundheitszustand sprechen.

Aber auch wenn Stoner selbst derzeit nichts sagen möchte, bedeutet dies nicht, dass es keine Neuigkeiten gäbe. Denn auch ihm wird die Bereitschaft zum Markenwechsel nachgesagt. Angeblich spreche Stoner mit Yamaha. Aber gesagt wird ja vieles.

Casey Stoner hat mit dem Ducati-Werksteam einen Vertrag für 2010. Und er ist nach wie vor der Einzige Pilot, der diesen "Bock", die Desmosedici, züchtigen konnte und derzeit wohl auch kann. Dass Lorenzo nun doch bei Yamaha bleibt, nimmt natürlich etwas Brisanz aus der ganzen Angelegenheit. Einige Kollegen wollen nun aber wissen, dass Stoner krampfhaft versuche, aus seinem Vertrag mit Ducati herauszukommen, um zu Yamaha zu wechseln - oder aber eben um ganz aufzuhören.

Stoner in Yamaha-Kluft und es wären deren Drei., Foto: Bridgestone
Stoner in Yamaha-Kluft und es wären deren Drei., Foto: Bridgestone

Dies erscheint aber wirklich unwahrscheinlich. Denn wenn Stoner nicht von seiner mysteriösen Krankheit heimgesucht worden wäre, so ginge es in der WM-Tabelle an der Spitze sicher auch jetzt noch enger zu. Er gehört neben Valentino Rossi, Jorge Lorenzo und Dani Pedrosa definitiv zu den besten Fahrern der MotoGP-Klasse. Er ist einer von zwei Piloten, die Rossi den Titel ablaufen konnten. Er ist immer noch der erfolgreichste Fahrer der 800ccm-Ära. Und er weiß das sicher auch.

Wie es derzeit aber um Stoners Gesundheitszustand tatsächlich steht, ist nur vage bekannt. Livio Suppo sagte, dass der Australier wie geplant in Estoril wieder fahren und dann auch wieder vollkommen fit sein würde. Vielleicht war es ja wirklich ein Virus, der auskuriert werden musste, manche Kollegen haben da wiederum andere Ideen und Theorien.

Stoner soll unter schweren psychischen Problemen leiden, wie vorrangig italienische und spanische Medien berichten. Aber die berichteten auch, dass Lorenzo auf jeden Fall zu Ducati ginge und sie das sicher wüssten. Heute morgen wurde dies eindrucksvoll dementiert indem eben jener Lorenzo seinen Verbleib bei Yamaha verkündete.

Die Anschuldigungen nach dem Titel von 2007 hat Stoner noch nicht wieder vergessen., Foto: Ducati
Die Anschuldigungen nach dem Titel von 2007 hat Stoner noch nicht wieder vergessen., Foto: Ducati

Stoner wäre unglücklich in seiner Wohnung in Monaco und in Italien und damit Europa zu leben, wolle lieber in Australien sein. Außerdem spricht er kein italienisch und hat auch überhaupt keine Muße eine andere Sprache als sein geliebtes "Down-Under-Englisch" zu benutzen oder zu lernen. Aber dies liegt wohl nicht an Unfähigkeit sondern eher an seiner Lage und seinem Gefühl.

Stoner habe kein Vertrauen mehr in Europäer. Zum größten Teil liege das an diversen Medienberichten - speziell den italienischen - die ihm 2007 vorhielten, den Titel nur ob seiner Reifen und der überlegenen Ducati-Elektronik gewonnen zu haben. Und Stoner ist keiner, der schnell vergisst oder gar verzeihen kann. Im Juni dieses Jahres ließ er darüber seinen Unmut erneut durchsickern, als er der Corriere della Serra, einer italienischen Zeitung, sagte, dass sein einziger Freund im Fahrerlager seine Frau Adriana sei. Dies zeigte, wie tief der Frust im Ex-Weltmeister saß und vermutlich immer noch sitzt.

Das Verhältnis Stoner/Ducati

Als Stoner Ende 2006 zu Ducati kam, lobte er immer wieder die Atmosphäre im Team und dass er sich zuhause fühle. Aber seit dem flachten solcherlei Argumente immer mehr ab, sind in den letzten Monaten gar nie mehr zu hören gewesen. Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, kam wohl nach Laguna Seca, als Ducati bekanntgab, dass er unter einer Magenschleimhautentzündung und einer Anämie leide. Bei den folgenden Rennen auf dem Sachsenring und in Donington dementierte der Australier dies und sagte, dass dies nicht die Gründe für seine Probleme seien. Denn diese würden nicht eine solch extreme Ermüdung hervorrufen, wie man sie bei ihm vor allem in Barcelona und Assen sah. Weitere Tests daheim in Australien zeigten, dass sich Stoner vor dem Rennen in Spanien wohl einen Virusinfekt zugezogen und sich dann selbst zu hart unter Druck gesetzt hatte, anstatt sich auszukurieren.

Dass Stoner auf diese Bekanntgabe Ducatis so heftig reagierte, könnte auch mit der Kritik des Werkes an seiner Diät und dem Trainingswahn zusammen hängen. Es wird berichtet, dass er über zwölf bis 14 Stunden am Tag nichts isst und sich dann mit Süßigkeiten vollstopft, statt richtig zu essen. Diese Berichte aber stammen aus spanischen Medien, die nicht immer als besonders zuverlässig gelten - auch wenn sie sich auf Informationen "aus dem engeren Umfeld" von Stoner berufen. Dorther hatten diese Medien aber auch, dass Jorge Lorenzo definitiv zu Ducati wechseln würde - heute Morgen unterschrieb er bei Yamaha - nur zur wiederholten Erinnerung.

Das Verhältnis zwischen Fahrer und Werk ist durch all diese Dinge aber nicht besser geworden. Stoner ist der Ansicht, als würde Ducati mit dem Finger auf ihn und seine Diät zeigen und fühlt sich damit auch vor den Kopf gestoßen. Der Fall Lorenzo und dass der Spanier das zwei- oder dreifache von Stoners Gehalt geboten bekommen haben soll, macht die Angelegenheit auch nicht besser.

Stoner sieht sich als Rennfahrer und nicht als PR-Gallionsfigur., Foto: Milagro
Stoner sieht sich als Rennfahrer und nicht als PR-Gallionsfigur., Foto: Milagro

Stoner zu Yamaha?

Mehrere Medien berichten nun, dass Stoner in intensiven Gesprächen mit Yamaha stehen soll und darüber nachdenke, entweder zum japanischen Werk zu wechseln oder das Handtuch ganz zu werfen. Außerdem beschäftige sich der Australier damit, wie er aus seinem Ducati-Vertrag herauskomme. Vor allem wenn Marlboro mehr Druck auf ihn machen sollte, an Presse- und PR-Terminen teilzunehmen. Diese kann er überhaupt nicht leiden und da höre er angeblich lieber auf.

Stoner auf einer dritten Yamaha, zum Beispiel im Tech 3-Team mit Werksmaterial, wäre für den Fan und Zuschauer wohl nicht das schlechteste Szenario. Dann säßen drei momentan fahrerisch schon ebenbürtige Fahrer auf demselben Material. Das Barcelona-Rennen im nächsten Jahr sähe dann wohl gleich zwei Überholmanöver in der letzten Kurve, da es ein echter Dreikampf der Giganten wäre. Für Yamaha gäbe es sicher schlimmeres, als einen weiteren Top-Piloten an Bord zu haben. Sicher wäre dann James Toseland derjenige, der gehen müsste, Colin Edwards dürfte vermutlich bleiben, bis Ben Spies, der dann vierte Top-Pilot, 2011 nachkommt. Was aber würde das für die anderen Werke und die MotoGP als solches bedeuten?

Ben Spies könnte 2010 oder 2011 ins Yamaha-MotoGP-Programm aufgenommen werden., Foto: Yamaha
Ben Spies könnte 2010 oder 2011 ins Yamaha-MotoGP-Programm aufgenommen werden., Foto: Yamaha

Nun, wenn Stoner weg wäre, ist nicht anzunehmen, dass nächstes Jahr eine Ducati unter normalen Umständen auf das Podest fahren würde. Das Werk sähe sich das noch ein zwei Jahre an und - dann käme der Ausstieg. Damit würden vier weitere Bikes in der Startaufstellung fehlen. Und Honda? Nun, die werden sicher entwickeln und entwickeln. Aber lediglich Dani Pedrosa kann hin und wieder - wenn nicht verletzt - vorne mitmischen. Andrea Dovizioso fehlt der letzte Schliff und die Satelliten-Maschinen haben heutzutage eh kaum mehr Chancen. Außerdem, wen sollte Ducati auf die Werksmaschine setzen, wenn Stoner tatsächlich gehen würde? Eine Option und einer, der es sich auf jeden Fall verdient hätte, wäre sicherlich Noriyuki Haga. Der hat die besten Chancen dieses Jahr seinen ersten Superbike-WM-Titel einzufahren. Aber ob er sich die MotoGP wirklich antun würde, bleibt zu bezweifeln.

Bis Stoner in Estoril wieder ins Fahrerlager der MotoGP zurückkehren wird, folgen noch zwei weitere Rennen. Ebenso werden wieder Zutaten in die Gerüchtesuppe geworfen und sicher noch der ein oder andere Schwachsinn geschrieben werden. Prinzipiell sollte nichts dagegen sprechen, dass Stoner bei Ducati bleibt. Und wenn er auf diesem Gerät sitzt, ist er immer eine Gefahr für andere.