Kaum zu Glauben, aber wahr: Keine fünf Tage nach seinem Horrorsturz in Barcelona saß Francesco Bagnaia am Freitagvormittag in Misano wieder auf seiner Ducati Desmosedici GP-23. Während es im 1. Freien Training mit 0,690 Sekunden Rückstand noch 'nur' zu Platz 20 reichte, beeindruckte der Italiener in der Nachmittagssession mit P7. Die direkte Qualifikation für Q2 war geglückt, ein Gang durch Q1 wider Erwartens nicht nötig.

"Ich hatte gehofft, dass ich mich besser fühle. Ich kann das Bein nicht bewegen, durch das Hämatom habe ich starke Schmerzen", berichtete Bagnaia am Freitagabend dennoch von einem harten Arbeitstag. Speziell am Vormittag hatte er zu kämpfen: "Ich nicht wusste, wo ich den Fuß auf dem Bike platzieren soll. Ich habe das Heck in den schnellen Kurven ständig verloren. Das war beängstigend."

In der Zeit zwischen FP1 und Training am Nachmittag waren deshalb die Ducati-Ingenieure in Bagnaias Team gefordert, den Hebel für die Hinterradbremse neu auszurichten. Mit Erfolg, wie der 26-jährige Turiner erklärt: "Ich habe dann erkannt, wie ich mein Bein positionieren kann. Ich kann mich zwar nicht so in die Kurven lehnen, wie ich das normalerweise tue, aber uns ist ein großer Fortschritt gelungen." Im Zeitentableau fehlten Bagnaia lediglich 0,374 Sekunden auf die Rekordrunde seines Freundes und Markenkollegen Marco Bezzecchi. "Der Schmerz ist immer noch recht stark, aber ich fühle mich besser als vormittags. Wir waren konkurrenzfähig, das hilft sehr."

Bagnaia beim Fahren klar eingeschränkt: Bin limitiert

Die große Frage lautet jedoch, ob Bagnaia diesen Speed auch auf längere Distanz abrufen kann oder ob ihm in Sprint und Grand Prix ein Abfall droht. Beschwerdefrei fahren kann der Ducati-Star nämlich keinesfalls. "Normalerweise strecke ich mein Bein vom Bike, um eine bessere Balance zu haben und härter bremsen zu können. Ich kann das zwar tun, aber es ist nicht das Gleiche. Ich bin auf der Bremse deutlich instabiler", klagt er.

Francesco Bagnaia erlebte einen fordernden Trainingsfreitag in Misano, Foto: LAT Images
Francesco Bagnaia erlebte einen fordernden Trainingsfreitag in Misano, Foto: LAT Images

Zudem kann sich Bagnaia nicht so weit wie üblich vom Motorrad lehnen. Das führt zu Gripverlust in den Kurven. "Da bin ich limitiert", weiß er und ergänzt aber auch: "Glücklicherweise hat diese Strecke viel Grip und der Reifenverschleiß ist nicht sonderlich hoch. Dadurch kann ich das Bike mit dem Gas lenken." Der WM-Leader kann seine Einschränkungen also umfahren. Doch ob das auch über längere Runs möglich sein wird? "Ich will nicht über morgen nachdenken. Ich muss jetzt erholen, das wird helfen. Ich bin recht müde, es waren anstrengende Tage."

Mit einem anvisierten Ziel will Bagnaia deshalb nicht in Samstag und Sonntag auf seiner Heimstrecke in Misano gehen. Vielmehr stellt er den Erfolg des Trainingsfreitags in den Vordergrund: "Ich weiß nicht, was wir erwarten können, aber heute in den Top Ten zu sein, war wie eine Pole Position. Wir können sehr glücklich und zufrieden mit unserem Resultat sein."