Aleix Espargaro fuhr in Silverstone das Rennen seines Lebens. Nur von Startplatz 12 aus gestartet legte der Aprilia-Pilot eine spektakuläre Aufholjagd hin. In der letzten Runde setzte er in Maggots das entscheidende Manöver gegen Weltmeister Francesco Bagnaia, der zuvor fast das ganze Rennen anführte. Der zweite MotoGP-Sieg für Espargaro und Aprilia ist ein historischer. Das letzte Mal, dass ein Fahrer ein Trockenrennen von weiter hinten als Startplatz 12 gewann, war vor mehr als eineinhalb Jahrzehnten. Marco Melandri siegte 2006 in der Türkei von Startplatz 14 aus für Honda.

Für Aprilia ist Silverstone so etwas wie ein Befreiungsschlag. Nach guten Eindrücken bei den Testfahrten verlief die Saison bisher mäßig, wie auch Espargaro bemerkte: "Es fühlt sich gut an, wieder oben zu stehen. Am Anfang der Saison war die Erwartungshaltung, dass ich und das Team uns weiter steigern. Ich machte dann zu viele Fehler und stürzte in Argentinien und Amerika. Da habe ich Punkte verloren. Ich hatte guten Speed und war in vielen Sessions nah dran, aber es half nicht. Ich muss am Sonntag schnell sein."

Neuer Aprilia-Rahmen verleiht Espargaro Flügel

Bisher war das Problem der Aprilia, dass es im Rennen nie nach vorne gehen konnte, weil das Überholen viel zu schwer war. In Silverstone war dies kein Hindernis und Espargaro konnte auch erklären, warum: "Am Freitag war ich im Trockenen sehr stark, das habe ich heute wieder bewiesen. Die kalten Temperaturen haben den Druck im Vorderreifen nicht sehr stark anheben lassen. Silverstone ist eine sehr breite Strecke, da ist es leicht zu überholen."

Dennoch war die Ausgangslage mit Platz 12 nicht gerade gut, zumal Aprilia bisher auch unter einer eklatanten Startschwäche litt. Doch auch an diesem Problem hat das Team laut dem 34-Jährigen gearbeitet, der gute Start war also kein Zufall. Für den großen Fortschritt in Sachen Speed war aber ein anderes neues Teil verantwortlich. Espargaro strahlte über das Update, dass seine RS-GP erhalten hat: "Am Freitag testeten wir einen neuen Rahmen und ich fühlte, dass die engen Kurven besser sind. Ich kann das Bike etwas früher aufrichten, wir haben uns am meisten in der Beschleunigungsphase verbessert. Maverick [Vinales] war da immer besser, aber mit diesem neuen Rahmen habe ich mich während dieses Wochenendes sehr verbessert, das war der Schlüssel. Ich hatte viel Traktion, es ist ein sehr wichtiges Update."

Ein neuer Rahmen verhalf Espargaro zum Erfolg, Foto: LAT Images
Ein neuer Rahmen verhalf Espargaro zum Erfolg, Foto: LAT Images

Ist das jetzt der Durchbruch für Aprilia? Silverstone war auch schon vor 2023 eine gute Adresse für das Werk aus Noale. 2021 holte Espargaro dort das erste MotoGP-Podest, 2022 verpasste Maverick Vinales den Sieg nur knapp. Der Katalane muss zugeben, dass die Strecke auch ein Faktor war: "Es ist eine Strecke, wo du beim Beschleunigen nicht sofort das Gewicht hochziehst. Es geht mehr um Traktion und Grip. Deine Motorleistung ist auf dieser Strecke durch den Grip limitiert. Die Aprilia hat viel Grip. Auf Strecken wie Katar, Argentinien oder Silverstone funktioniert das Bike sehr gut."

Espargaros große Ambitionen: Top 3 in der WM

Dennoch hat sich Espargaro auch für die anderen Strecken noch so einiges vorgenommen. In der Meisterschaft will er sich noch deutlich verbessern: "Zu Saisonbeginn waren unsere Ziele zu hochgesteckt, zu optimistisch gewählt. Ich machte viele Fehler und hatte Stürze, mir gelangen keine guten Qualifyings. Jetzt bin ich entspannter. Pecco [Bagnaia] hat einen großen Vorsprung in der Meisterschaft, aber die Top 3 sind möglich." Marco Bezzecchi auf Rang Drei der Gesamtwertung hat 167 Punkte und damit genau 60 mehr als Espargaro, eine Menge Holz.

Trotz des fortgeschrittenen MotoGP-Alters hat sich der Katalane noch so einiges vorgenommen, und das nicht nur für 2023. Er will sich sein Hochgefühl erhalten und sich sogar noch steigern: "Für einen Fahrer ist es das Wichtigste zu fühlen, dass du gut fährst. Der Sieg ist sicher wichtig. Ich bin 34 und fahre besser als je zuvor. Hoffentlich kann ich dieses Gefühl noch für ein paar Saison spüren. Es ist immer noch merkwürdig für mich, um Siege und Podestplätze in der MotoGP zu kämpfen. Es ist nicht einfach, wenn dir das in den kleineren Kategorien nicht gelungen ist. Jetzt bin ich in der Schlussphase meiner Karriere, aber ich kann immer noch dazulernen."