Der Sachsenring zählt aufgrund seiner Charakteristik mit zehn Linkskurven und nur drei Rechtskurven zu den speziellsten Rennstrecken im MotoGP-Kalender. Die 'Wasserfall'-Kurve Turn 11 spielt dabei eine ganz besondere Rolle. Bevor der schnelle Rechtsknick den Berg hinunter in den Schlusssektor der Strecke befahren wird, geht es für die MotoGP-Piloten nämlich sieben Mal in Folge nach links.

Das sorgt dafür, dass die rechte Flanke des Reifens ordentlich an Temperatur verliert. Der reduzierte Grip sorgt dann wiederum für erhöhte Sturzgefahr. Da Turn 11 mit weit über 200 km/h durchfahren wird, fallen Stürze an dieser Stelle selten unspektakulär aus. Im MotoGP-Grid war die Wasserfall-Kurve lange gefürchtet, in den letzten Jahren wurden Abflüge aber immer spärlicher. 2023 hat sich das jedoch geändert: T11 ist wieder zur Angstkurve der MotoGP-Stars geworden.

In Turn 11 geht es steil den Berg hinunter, Foto: LAT Images
In Turn 11 geht es steil den Berg hinunter, Foto: LAT Images

Den Anfang machte am Freitagvormittag Yamaha-Pilot Franco Morbidelli, er stürzte wenige Minuten vor Schluss des 1. Trainings in der Wasserfall-Kurve. Das 2. Training eröffnete dann Takaaki Nakagami mit einem Crash in Turn 11, in dessen Folge die Session kurzzeitig unterbrochen werden musste, um die Unfallstelle zu reinigen. Einige Minuten nach Wiederbeginn stürzte dann Raul Fernandez an gleicher Stelle. Zum Abschluss erwischte dann auch noch Fabio Di Giannantonio. Mit Marc Marquez hatte sich kurz zuvor noch ein weiterer Pilot dazugesellt, er konnte einen heftigen Wackler aber gerade noch abfangen.

Identische Stürze in Turn 11: Medium-Reifen ist Schuld!

Am Freitagabend auf ihre Stürze angesprochen, reagierte alle vier Piloten auf gleiche Art und Weise. "Ich habe die Front verloren - ein typischer Sturz für diese Strecke. Wir hatten den Mediumreifen aufgezogen. Ich hatte schon in der Runde vor meinem Sturz Probleme mit der rechten Flanke in Turn 1 und 11", berichtete etwa Nakagami und Morbidelli meinte: "Ich habe den Mediumreifen aufgezogen und bin sofort gestürzt - so wie alle anderen."

Wie anfangs bereits beschrieben müssen die MotoGP-Piloten sieben Linkskurven am Stück befahren, bevor es in Turn 11 wieder nach rechts geht. Dabei macht sich der Temperatur-Verlust in der rechten Flanke natürlich mit härteren Reifenmischungen umso mehr bemerkbar. Dass dies in den letzten Jahren seltener zum Tragen gekommen war, lag einzig an den Hitzewellen, die die MotoGP 2021 und 2022 am Sachsenring erwischt hatte. In diesem Jahr ist es jedoch deutlich kühler, was den Grip auf der gesamten Strecke zusätzlich reduziert.

Das hatte auch Aleix Espargaro zu spüren bekommen - allerdings an anderer Stelle. Er stürzte, ebenfalls mit Medium-Front unterwegs, bereits in der Anfangsphase des 1. Trainings in Turn 1. "Der Medium ist hier keine Option. Ich bin heute morgen damit gestürzt und alle anderen, die ihn verwendet haben, sind auch gecrasht. Er funktioniert nicht. Wenn du den Reifen nicht stark genug forderst, hast du überhaupt keinen Grip", fand er Aprilia-Pilot am Freitagabend deshalb deutliche Worte in Richtung Reifenhersteller Michelin.

Franco Morbidelli stürzte mit Medium-Vorderreifen in Turn 11, Foto: LAT Images
Franco Morbidelli stürzte mit Medium-Vorderreifen in Turn 11, Foto: LAT Images

Aleix Espargaro hofft auf Temperatur-Anstieg am Sachsenring

"Ich bin meine schnellste Runde im 2. Training auf einem zehn Runden alten Softreifen gefahren. Das mache ich sonst eigentlich nie, aber der Medium ist einfach nicht sicher genug", ergänzte der Katalane. Mit der weichen Reifenmischung ausgestattet gab es am Freitag tatsächlich keine Stürze in der dritten und letzten Rechtskurve des Sachsenring. Dass auch mit dem Soft lange Zeit schnelle Rundenzeiten möglich sind, zeigte Espargaro. Für den Grand Prix dürfte dieser aber dennoch keine Option sein, schließlich sind am Sonntag ganze 30 Umläufe zu absolvieren.

Espargaro hofft deshalb, dass die Temperaturen am Sachsenring an Samstag und Sonntag etwas in die Höhe klettern. Das könnte den MotoGP-Stars nämlich die Möglichkeit eröffnen, an der Front auf den Hard-Reifen zu setzen - die Reifenmischung, mit der die letzten beiden Rennen gewonnen wurden. Dadurch könnte der ungeliebte Medium umgangen werden: "Ich hoffe, dass ich ihn [den harten Vorderreifen, Anm.] verwenden kann. Wenn es warm genug ist, würde ich das sogar machen, ohne ihn vorher im Training getestet zu haben", wählt der Aprilia-Pilot erneut deutliche Worte. "Der Medium ist einfach keine Option."