Honda sorgte am Montag vor dem MotoGP-Saisonstart in Jerez für eine Kettenreaktion auf dem Transfermarkt. Pol Espargaro wird ab 2021 im Werksteam fahren und Alex Marquez zu LCR-Honda abgeschoben, wo Cal Crutchlow wohl seine Koffer packen muss. Motorsport-Magazin.com beantwortet die wichtigsten Fragen zu den Hintergründen des Honda-Deals:

Warum hat Honda Pol Espargaro verpflichtet?

Die zweite Repsol Honda neben Marc Marquez entwickelte sich in den vergangenen Jahren zum Schleudersitz. Zunächst beendete Dani Pedrosa dort seine Karriere, im Vorjahr überraschend auch Jorge Lorenzo. Alex Marquez wurde nun über sein Aus informiert, noch bevor er überhaupt ein einziges Rennen auf der RC213V bestritten hat. Espargaro wird somit zum vierten Stammfahrer binnen vier Jahren auf dem Bike neben Marc Marquez.

Den letzten Podestplatz der zweiten Repsol Honda gab es im November 2017. Honda war daher auf der Suche nach einem soliden Piloten mit viel MotoGP-Erfahrung, der Marc Marquez bestmöglich flankiert, um einerseits das Motorrad weiterzuentwickeln, andererseits aber auch die Podestplätze einzufahren, die Honda für den Gewinn der Konstrukteurs- und Team-WM benötigt.

Teamchef Alberto Puig bringt es auf den Punkt: "Pol hat sehr viel Interesse an unserer Maschine gezeigt und er war frei für 2021. Wir denken, dass er ein echter Kämpfer ist", sagte er in einem Video-Interview mit der offiziellen Webseite der MotoGP. "Er hat einige Erfahrung in der WM und hat mit der Entwicklung der KTM sehr gute Arbeit geleistet. Wir denken, dass sein Fahrstil zu unserem Motorrad passt. Er wird eine gute Unterstützung für Marc sein."

Für Espargaro macht der Deal in jedem Fall Sinn. Obwohl er sowohl bei Tech3-Yamaha, als auch bei KTM stets für seinen Einsatz und sein Talent gelobt wurde, steht bis heute nur ein einziger Podestplatz in der MotoGP-Klasse zu Buche. Da er bereits 29 Jahre alt ist, will der Katalane seiner Statistik endlich zählbare Erfolge hinzufügen, ehe ihm altersbedingt die Optionen ausgehen.

Warum hält Repsol Honda nicht an Alex Marquez fest?

Alex Marquez war von Beginn an nur eine Notlösung. Der amtierende Moto2-Weltmeister würde 2020 erneut nur in der mittleren Klasse fahren, wenn Lorenzo nicht überraschend vor dem MotoGP-Finale in Valencia seinen Rücktritt erklärt hätte. Marquez' Vertrag bei Marc VDS war bereits unterschrieben, als Puig und Co. plötzlich einen Ersatz für Lorenzo suchen mussten

"Wir hatten damals keine andere Möglichkeit, weil wir nicht die Pläne von LCR-Honda mit Cal durchkreuzen wollten", erklärte Puig. "Für Rookies ist es eigentlich besser, in einem Satellitenteam zu beginnen. Uns liegt viel daran, dass Alex Fortschritte macht, weshalb er ab 2021 bei LCR fahren wird. Damit ist er weg von dem enormen Druck, der bei Repsol Honda herrscht."

Bei LCR-Honda bekommt Marquez nicht nur einen Zwei-Jahres-Vertrag, sondern bleibt auch direkt bei HRC angestellt. Somit zahlt Honda sein Gehalt und stattet ihn mit vollem Werksmaterial aus. So wie zuletzt Cal Crutchlow, der mehrfach bewiesen hat, dass man auf Honda auch in einem Satellitenteam gewinnen kann.

Wer bekommt den letzten freien Honda-Platz?

Neben Alex Marquez ist noch ein Platz bei LCR-Honda frei. An Cal Crutchlow wird dieser Platz nicht gehen, denn in der Hondas Presseaussendung vom Montag verabschiedete man sich bereits vom Briten und dankte ihm für die Erfolge der vergangenen Jahre. Crutchlow selbst sah bereits Anfang Juli nur noch eine geringe Chance, seinen Platz im Team zu behalten.

"Wenn man mit Taka keinen Deal zustande bringt, dann könnte ich vielleicht bleiben. Aber die Chancen darauf sind gering", sagte Crutchlow damals gegenüber "Bikesportnews". Takaaki Nakagami hat massive Rückendeckung aus Japan, weshalb er haushoher Favorit auf den letzten verbleibenden Sattel ist.

Was passiert nun mit Cal Crutchlow?

Der 34-jährige Brite bot sich zuletzt über die Medien bei Aprilia an, wo für 2021 neben Aleix Espargaro noch ein Platz frei ist. Nach seiner schweren Fußverletzung vor zwei Jahren sprach Crutchlow zwar offen von einem Karriereende, doch aktuell denkt er nicht mehr ans Aufhören. "Ich will, dass meine Arbeit Spaß macht und es geht mir nicht um Geld. Die RS-GP gemeinsam mit Aleix weiterzuentwickeln - das könnte jede Menge Spaß machen", so Crutchlow.

Seine Nationalität könnte sich als Trumpf im Motorrad-Poker für 2021 herausstellen. Denn die Dorna hat aufgrund der TV-Rechte ein großes Interesse an britischen MotoGP-Fahrern. Nach dem Ausscheiden von Scott Redding und Bradley Smith als Stammpiloten, ist Crutchlow der letzte verbliebene Fahrer aus dem Vereinigten Königreich.

"Ich darf mich glücklich schätzen, dass ich eine gute Beziehung zu Carmelo Ezpeleta habe", scherzte Crutchlow zuletzt. Es wäre nicht das erste Mal, dass Ezpeleta aktiv dabei mitwirkt, einen Piloten aus einem für die Dorna wichtigen Land in einem Team unterzubringen. Als Alternative hat Puig angekündigt, jederzeit einen Platz in Hondas Superbike-Team für Crutchlow bereit zu halten.