Die neue Saison hatte noch gar nicht richtig begonnen, da ging es hinter den Kulissen schon zu wie auf einem Basar. Der Grund ist ganz einfach. Eigentlich alle Verträge in der Königsklasse laufen aus. Bis auf Cal Crutchlow und Sam Lowes verfügte bei der Anreise zum ersten Rennen niemand über ein Arbeitspapier über das Jahr 2016 hinaus. Was wiederum auch Auswirkungen auf die anderen beiden Klassen in der Weltmeisterschaft hat. Hoffnungen werden geschürt und Drucksituationen geschaffen, um Leistungen heraus zu kitzeln oder mentale Belastbarkeit zu überprüfen. Früher begann man in der Sommerpause zu verhandeln. Heutzutage sind die Bandagen härter. Wohl auch deshalb haben Bradley Smith und Valentino Rossi mit ihren Unterschriften unter neue Arbeitspapiere bei KTM und Yamaha den Transferball mal so richtig ins Rollen gebracht.

Deutsche hinken Briten in MotoGP hinterher

Das mit Crutchlow und Lowes schon jetzt zwei Briten fix in der MotoGP 2017 sind, ist schön für die Fans von der Insel, wirft aber für die deutsche MotoGP-Herrlichkeit Fragen auf. Und da Sam Lowes einen Vertrag bei Aprilia hat, ist automatisch der einzige deutsche Starter in der Königsklasse betroffen. Stefan Bradl also unter Druck? Ja, natürlich. Das Talent des ehemaligen Moto2-Weltmeisters ist wohl unbestritten. Außer man fragt die Mitglieder der deutschen Fan-Szene, die den Bayern gerne mal auf das Niveau eines Fahrschülers runter kommentieren. Dabei ist Bradl für Fahrerlagerexperten immer noch ein echter Rohdiamant.

2011 wurde Bradl Moto2-Weltmeister, Foto: Ozan Kutay
2011 wurde Bradl Moto2-Weltmeister, Foto: Ozan Kutay

Klar hat er sicherlich nicht immer alles richtig gemacht. Natürlich hätte er durchaus auch schon so manches Mal etwas weniger schlecht gelaunt daher kommen können. Trainingsfleiß gehört sicherlich auch nicht zu seinen Stärken. Aber der Bursche kann Motorrad fahren. Nasenbohrer gibt es in der MotoGP 2016 nämlich garantiert nicht. Deshalb wäre eine geschlossene Unterstützung seiner Fans sicherlich hilfreicher als nur mit Häme seine Leistungen zu beurteilen. Die Aufgabe ist nämlich hammerhart. Die jungfräuliche Aprilia weiterzuentwickeln und dabei auch noch regelmäßig den Teamkollegen Alvaro Bautista zu schlagen, ist der einzige Weg für einen Verbleib in der MotoGP. Sicherlich kein sanftes Ruhekissen. Aber einer, der gegen Marc Marquez Moto2-Weltmeister geworden ist, kann auch das schaffen. Achtung, erster Aufschrei am Internet-Stammtisch: "Der ist nur Weltmeister geworden, weil Marquez gestürzt ist". Jaja, hätte, wäre, wenn. Die Diskussion, ob es nach 18 Rennen auch unverdiente Weltmeister gibt, hatten wir ja in der letzten Zeit an anderer Stelle zur Genüge.

Cortese, Folger und Schrötter wollen Moto2 aufmischen

Was uns automatisch zum zweiten deutschen Weltmeister bringt. Klar, Sandro Cortese hat in drei Jahren Moto2 zu wenig geliefert. Unbestritten. Aber glaubt irgendjemand, dass er das nicht selbst weiß? Ohnehin glaube ich, dass es für Hobby-Biker schwer zu verstehen ist, wie brutal es in der Moto2 zugeht. Man könnte ja mal bei Alex Marquez nachfragen. Oder bei vielen anderen ähnlichen Fällen. Aber deshalb jetzt schon Sandro Cortese in den Vorruhestand zu schreiben, ist sicherlich das falsche Signal. Übrigens ist er 2012 Weltmeister geworden, weil er jeden Tag Druck hatte. Von Aki Ajo, seinem damaligen Teamchef und auch von seinem Teamkollegen Danny Kent. Vielleicht hat ihm genau das gefehlt. Und Druck hat er jetzt. Wobei das in Katar, vom Frühstart mal abgesehen, ja eigentlich schon ganz gut aussah.

Folger dominierte den Katar-GP in den ersten Runden, Foto: Dynavolt Intact GP
Folger dominierte den Katar-GP in den ersten Runden, Foto: Dynavolt Intact GP

Und der Kollege in der Garage, Jonas Folger, wird sicherlich nicht langsamer. Gerade mal 22 Jahre alt, wirkt Folger gereift und deutlich erwachsener. Was auch Zeit wird, denn nicht wenige Experten sind der Meinung, dass auch Folger schon zu viele Chancen nicht genutzt hat. Jetzt hat er ein absolutes Traumpaket. Material, Team und das Umfeld. Besser geht es eigentlich nicht. Dazu ein klasse Fan-Club und eine wesentlich positivere Unterstützung der deutschen Fans als in anderen Fällen . Aber auch für Jonas Folger gilt 2016: Es muss geliefert werden. Und zwar bis Rennende. Die Chancen, die sich dann ergeben könnten, wären durch die Vertragssituationen in der Moto GP gigantisch und so gut wie schon lange nicht mehr. Warum eigentlich nicht zwei deutsche Starter in der Königsklasse?

Auch Kumpel Marcel Schrötter träumt davon, irgendwann mal oben dabei zu sein. Aber auch Marcel Schrötter muss sich 2016 im Haifischbecken Moto2 beweisen. Nach der allenfalls charakterbildenden Zeit mit Tech 3 hat er jetzt Topmaterial in einem guten Team. Viele Rivalen und Teamchefs haben den Bayern ganz oben auf der Liste. Was jetzt kommen muss, sind die Beweise. Bitte nicht falsch verstehen, Für mich ist jeder einzelne, der es in die Weltmeisterschaft geschafft hat, ein Held. Aber der Grat ist schmal, die Luft extrem dünn. Und gerade deshalb hätten unsere Starter bedingungslose Unterstützung verdient.

Öttl als letzte Hoffnung in der Moto3

Natürlich auch der jüngste. Phillip Öttl ist der einzig in der WM verbliebene aus der sogenannten Nachwuchsriege. Alt und Grünwald zum Beispiel haben es nicht geschafft, Öttl schon. Aber auch er muss jetzt den nächsten Schritt machen. Soll bedeuten, Topresultate müssen her. Was möglich ist, wie auch seine Aufholjagd nach der verkorksten ersten Runde in Katar gezeigt hat. Aber auch Moto3 ist kein Ponyhof, sondern eher sowas wie Rodeo reiten ohne Regeln.

Öttl gehörte in der Schlussphase des Katar-GP zu den schnellsten Piloten auf der Strecke, Foto: Schedl GP
Öttl gehörte in der Schlussphase des Katar-GP zu den schnellsten Piloten auf der Strecke, Foto: Schedl GP

Und bevor jetzt wieder der Vorwurf mit der Deutschen Brille kommt…

Ich finde unsere Jungs haben es schwer genug. In Deutschland stehen die Sponsoren nicht wie in Italien oder Spanien Schlange. Jeder, der auf dem Level der Weltmeisterschaft über einen längeren Zeitraum an den Start geht, kann was. Auch der Platz 34 in der Startaufstellung. Und jeder, der so weit gekommen ist, verdient Respekt und viel eher Unterstützung, als hämische Kommentare.

Was auch für Markus Reiterberger in der Superbike-WM oder die Youngster Meggle und Orgis bei den Red Bull Rookies zutrifft. Denn es bleibt dabei: Die größte deutsche Sportveranstaltung ist schon seit längerem der Sachsenring. Nur leider bekommt das in Deutschland keiner mit. Und genau deshalb brauchen wir in unserem Land, in dem schon der zweite der erste Verlierer ist, alles an Unterstützung, was geht.

Deshalb lasst uns unsere Helden auf zwei Rädern ruhig mal feiern. Auch wenn sie nicht immer alles richtig machen.