Unfassbare Schräglagen, rasante Slides, in letzter Sekunde doch noch abgefangene Stürze - viele der spektakulärsten Szenen der letzten Jahre wurden auch durch die immer ausgeklügeltere Elektronik der MotoGP-Maschinen möglich. Was uns tolle Bilder bescherte, kostete den Werken aber gleichzeitig Millionen Euro an Entwicklungskosten und sorgte für ein massives Ungleichgewicht zwischen größeren und kleineren Herstellern, vor allem aber zwischen Werken und Privatteams. Dem soll nun ein Riegel vorgeschoben werden. In der kommenden Saison treten alle Fahrer mit der exakt gleichen Elektronik an, was zum einen die Kosten senken und andererseits das Feld noch näher zusammenbringen soll. Bei den Testfahrten in Valencia nach dem Saisonende konnte die neue Elektronik erstmals getestet werden und warf direkt einige Fragen auf. Motorsport-Magazin.com hat die Antworten dazu:

Wodurch unterscheidet sich die Einheitselektronik von der der Werke?

Die Einheitselektronik wird vom italienischen Hersteller Magneti Marelli entwickelt und nicht mehr von den MotoGP-Herstellern in Eigenregie. Die Software aus dem Hause Magneti Marelli fällt deutlich simpler aus als die bisher verwendete, vor allem die der japanischen Motorradgiganten Honda und Yamaha. Es werden deutlich weniger Sensoren verwendet, welche Geschwindigkeiten, Bewegungen und andere Parameter messen. Damit einher geht, dass die Ingenieure nun über geringere Einstellungsmöglichkeiten verfügen. Bisher war es kleineren Teams aufgrund der nicht vorhandenen Kapazitäten gar nicht möglich, die komplexe Software der Hersteller voll zu nutzen. Das soll so nun verhindert werden. Durch die simplere Ausführung der neuen Elektronik soll gleichzeitig Geld gespart werden.

Die Einheitselektronik könnte eine Chance für Kundenteams wie Tech 3 sein, Foto: Tech3
Die Einheitselektronik könnte eine Chance für Kundenteams wie Tech 3 sein, Foto: Tech3

Wie kam die Einheitselektronik bei den Fahrern an?

Rennfahrer werden sich immer maximale Performance wünschen. An das Leistungsvermögen der komplexen Werkselektronik der einzelnen Hersteller kommt die neue Einheitssoftware aber einfach nicht heran und soll es auch gar nicht. "Die neue Elektronik wirft uns zurück. Nicht nur ein bisschen, sondern eigentlich um viele Jahre", stellte Dani Pedrosa nach dem ersten Kennenlernen mit der neuen ECU (Electronic Control Unit) ernüchtert fest. Auch Teamkollege Marc Marquez war nicht begeistert: "Es wird schwierig, das gleiche Level zu erreichen, das wir gewohnt waren." Weltmeister Jorge Lorenzo konnte die Honda-Fraktion aber beruhigen. Auch mit der Yamaha M1 lief es nicht besser. "Es wird für alle hart, mit dieser Elektronik das richtige Gefühl für das Motorrad aufzubauen", ist er überzeugt. Man darf aber davon ausgehen, dass die Piloten sich früher oder später darauf einstellen werden, so wie sie sich noch an alle neuen Begebenheiten angepasst haben.

Was sind die größten Schwachstellen der neuen Software?

Hauptkritikpunkt der Fahrer war eine gewisse Inkonstanz der ECU. Sie erklärten, dass es schwierig gewesen sei, zu verstehen, wie sich die Elektronik von Runde zu Runde verhält. MotoGP-Technikdirektor Corrado Cecchinelli wollte bei Motomatters den Grund dafür aber nicht in einem Fehler der Software sehen. "Das hat nichts damit zu tun. Es ist viel mehr eine Frage der Abstimmung. Das Feintuning muss eben von Kurve zu Kurve stimmen", meint Cecchinelli. Auch von einem rein informatischen Standpunkt aus sei eine Inkonstanz nicht logisch: "Es gibt keinen Grund, warum Software inkonstant sein sollte. Wir müssen einfach sehen, was die Fahrer genau meinen und das dann mit unseren Daten vergleichen. Ich mache mir deshalb keine großen Sorgen."

Die Kritik von Lorenzo und seinen Kollegen sorgt für keine große Aufregung, Foto: Yamaha
Die Kritik von Lorenzo und seinen Kollegen sorgt für keine große Aufregung, Foto: Yamaha

Ist die neue Software schon am Limit?

Davon ist nicht aufzugehen. Auch wenn die Einheitselektronik um vieles einfacher ausfällt als die bisher verwendeten Programme, dauert es doch eine gewisse Zeit, bis sich Fahrer und auch Techniker darauf eingestellt haben. Zwei Testtage wie zuletzt in Valencia, wo viele Piloten an einem Tag sogar noch die alte Elektronik eingesetzt hatten, um den Unterschied zwischen den bisher verwendeten Bridgestone-Reifen und den neuen Michelins besser zu verstehen, reichen da mit Sicherheit nicht aus. Das bestätigt auch Technikdirektor Cecchinelli: "Ich denke, dass aktuell aufgrund der fehlenden Feinabstimmung nur etwa zehn Prozent des Potenzials genutzt werden. Jeder ist noch sehr weit vom Maximum dieser Software entfernt."

Was ändert sich noch bis zum Saisonauftakt?

Eine vollkommen überarbeitete Version der neuen Software wird bis dahin zum Einsatz kommen. Die zuletzt in Valencia verwendete Version ist bereits Geschichte, eine optimierte für die Sepang-Tests Anfang Februar bereits fertig. Diese soll weniger fehleranfällig sein, aber nicht unbedingt mehr Performance bieten. "Wenn die Fahrer dann schneller sind, liegt es wohl eher daran, dass sie sich besser daran gewöhnt haben", glaubt Cecchinelli. Die in Sepang verwendete Version wird dann aller Voraussicht nach auch beim Saisonauftakt in Katar zum Einsatz kommen. Anschließend könnte ein weiteres Update folgen.