Wie genau verbessert das Getriebe die Rundenzeit?
Andrea Dovizioso: Zwei Dinge. Eine Sache ist die Beschleunigung. Es wird schneller geschalten, also ist es beim Speed ein wirklich, wirklich kleiner Unterschied, aber bei der Beschleunigung ein größerer. Am wichtigsten für das Gefühl des Fahrers ist das, wenn man im Trockenen schaltet, wenn man in Seitenlage schaltet. Da ist das Schalten weicher, schneller und ruhiger. Das macht einen kleinen Unterschied, denn da ist die elektronische Schaltung und die Zündung setzt für eine sehr kurze Zeit aus. Mit dem neuen Getriebe ist die Zeit, in der der Motor aussetzt, kürzer. Das Hauptproblem früher gab es dann, wenn der Reifen durchdrehte und man schalten musste. Dieses Getriebe verbessert das. Das ist gut. Auf einigen Strecken, in einigen Kurven, macht das einen großen Unterschied. In der letzten Kurve von Valencia muss man beispielsweise zwei Mal schalten und dort ist es einfacher, die Linie zu wählen und zu sliden.

Das Getriebe ist aber nur eine der Verbesserungen an der Honda RC212V...
Andrea Dovizioso: Ein Großteil der Medien sprach zu viel über das Getriebe, denke ich. Ich kann zwei Dinge dazu sagen: als ich das Getriebe ausprobiert habe, war das als Fahrer etwas Besonderes, denn man probiert nie etwas Großes, einen großen mechanischen Unterschied. Da man nie etwas Großes probiert, kann man, wenn man das dann fühlt, sagen: 'Wow, das ist so gut.' Das ist ein echt guter Punkt und Honda hat da einen starken Job gemacht, bei der Rundenzeit machte es aber keinen so großen Unterschied. Damit meine ich, er war sehr klein. Ich glaube nicht, dass es drei oder vier Zehntel pro Runde bringt. So ist das nicht. Aber auf der Maschine ist alles wichtig. Wenn man also mit allen Verbesserungen drei oder vier Zehntel zulegen kann, dann ist das sehr wichtig.

Du, Casey Stoner und Dani Pedrosa, ihr habt alle sehr unterschiedliche Fahrstile...
Andrea Dovizioso: Ja, wir drei. Ich dachte, nein, aber so ist es. Überall gibt es große, große Unterschiede. Beim Bremsen, bei der Seitenlage am Kurveneingang, beim Öffnen des Gases, der Traktionskontrolle. Alles.

Italienische Nachwuchstalente sind rar gesät, Foto: Milagro
Italienische Nachwuchstalente sind rar gesät, Foto: Milagro

Wenn du eine Maschine entwickelst, wer hat dann am meisten Einfluss?
Andrea Dovizioso: Das werden wir nächstes Jahr sehen. Für dieses Jahr war das kein Problem, da nicht viel Entwicklung an der Maschine stattfand; es gab Verbesserungen, keine Entwicklung. Die Maschine war schon gut. Wir haben ein paar Dinge geändert und das hat einen kleinen Unterschied gemacht, dadurch haben wir dieses Jahr eine wirklich gute Maschine. Die Entwicklung ist aber bereits abgeschlossen. Ich denke, wenn man eine gute Maschine mit einer guten Balance für alle drei Fahrer hat, dann ist das gut. Aufbauend darauf werden die Teams dann erarbeiten, was richtig ist, um dem Fahrstil der Piloten zu entsprechen. Die wichtige Entwicklung ist, ein gutes Basis-Motorrad zu haben. Danach sind der Fahrer mit dem Team und den Ingenieuren wichtig.

Als Casey sich dem Team anschloss, hat das die Entwicklungs-Richtung verändert?
Andrea Dovizioso: Nein, gar nicht. Die Maschine war schon fertig; er musste die Maschine nur an seinen Fahrstil anpassen.

Glaubst du, Casey ist der schnellste Fahrer in der MotoGP?
Andrea Dovizioso: Wenn man über Speed nachdenkt, ja, aber es braucht nicht nur Speed, um die Weltmeisterschaft zu gewinnen. Wenn man nur über den Speed redet, dann hätte er zehn Weltmeisterschaften, aber so ist es nicht.

Du und Marco Simoncelli, ihr seid die letzten beiden Italiener, die in die MotoGP kamen und es gibt keinen starken Kern an Italienern in der 125cc-Klasse...
Andrea Dovizioso: Es ist schwierig, darauf zu antworten, denn ein Grund dafür ist vielleicht, dass die kleinen Meisterschaften in Italien nicht so gut sind. Ich denke, Spanien arbeitet da sehr gut und wir sehen, dass viele spanische Fahrer sich stark präsentieren und das macht einen Unterschied. Ich denke, es gibt viele Talente auf der Welt, aber man muss den Fahrern auch die Möglichkeit geben, ihr Talent zu zeigen. Vielleicht läuft das in Italien, wie vielerorts, nicht ideal. Manchmal braucht man auch Glück, um talentierte Fahrer zu finden.

Andrea Iannone soll sich noch Zeit nehmen, Foto: Milagro
Andrea Iannone soll sich noch Zeit nehmen, Foto: Milagro

Wen erwartest du als nächsten Italiener in der MotoGP?
Andrea Dovizioso: Ich denke, Iannone kann der nächste sein, momentan ist sein Speed wirklich, wirklich gut. Auch die Position, die er auf der Maschine hat, ist gut, aber er ist noch nicht bereit, um in die MotoGP zu kommen. Ich denke, jeder hat ihn schon schnell fahren sehen, vielleicht ist er auch der Schnellste in der Moto2, aber das ist nicht genug. Man sieht bei einigen Fahrern, dass sie in die MotoGP kommen und das ihre Karriere beendet. Also ist es besser, wenn er erst die Moto2-Weltmeisterschaft gewinnt oder zumindest konstanter wird. Danach kann er mit mehr Erfahrung und stärker in die MotoGP kommen. Das ist wichtig, wenn man dort ankommt.

Du hast eine 250er gefahren und siehst dir die Moto2 an. Welche Klasse ist deiner Ansicht nach eine bessere Vorbereitung auf die MotoGP?
Andrea Dovizioso: Da gibt es keinen Vergleich; die Moto2 ist aus vielen Gründen schlecht dafür. Es gibt nichts, was sich mit der MotoGP vergleichen lässt, aber wenn man auf einer 250er schnell ist, dann ist man schnell, denn es ist so schwierig, auf einer 250er schnell zu sein. Wenn man also einen guten Speed auf der 250er erreicht, dann bedeutet das, du hast einen guten Job gemacht, du verstehst viele Dinge und bist am Gas wirklich präzise. Sicher hat man noch keine Erfahrung mit Viertaktern, aber wenn man sich die Vergangenheit ansieht, da kam das Talent aus der 250er und vom ersten Jahr an konnten sie um das Podest und um Siege mitfahren. Das heißt, wenn man in der 250er schnell ist, hat das einen Grund. In der Moto2 ist das nicht so. Ich habe die Maschine nie probiert, also kann ich es nicht genau sagen, aber es sieht so aus, als wäre da nicht genug Kraft. Es ist also einfach, denn es ist ein Viertakter und man hat zu viel Motorbremse. Dadurch rutscht sie am Kurveneingang und das ist das Gegenteil zu 250ern und MotoGP, das ist genau anders herum. Also lernt man einen Fahrstil, der ganz anders ist als in der MotoGP und dieser Fahrstil bringt die Fahrer eng zusammen, weil es das Limit der Maschinen gibt. Da kann man nichts dagegen machen.

Denkst du, die nächste Fahrer-Generation wird es schwerer haben, sich an die MotoGP zu gewöhnen?
Andrea Dovizioso: Sicher, aber nach dem Talent, das jetzt in der MotoGP ist, wird jeder aus der Moto2 kommen, daher ist das kein Problem.

Freust du dich darauf, nächstes Jahr die 1000er zu fahren?
Andrea Dovizioso: Ich, ich bin sehr gespannt darauf, sie auszuprobieren, denn ich denke, das wird eine angenehmere Maschine. Kein großer Unterschied, aber man wird unten heraus sicher mehr Kraft haben. Das hat die Honda jetzt nicht. Es ist nur das, was der Honda fehlt. Ich denke, sie wird eine der besten Maschinen der Welt werden.

Andrea Dovizioso will kein Spaßtiger werden, Foto: Milagro
Andrea Dovizioso will kein Spaßtiger werden, Foto: Milagro

Wenn du verantwortlich für die MotoGP wärst, was würdest du ändern?
Andrea Dovizioso: Was ich gerne ändern würde, wäre das Elektronik-System. Das ist sehr wichtig für die Sicherheit, sehr wichtig für die Straßen-Maschinen, also ist das wirklich gut. Aber wenn man auf der Strecke Spaß auf der Maschine haben will und Kämpfe an der Rennstrecke sehen will, dann muss man die Elektronik zurückschrauben. Nicht alles, aber mehr als 50 Prozent, denn die Maschine ist ohne das Elektronik-System nicht kontrollierbar. Wenn man eine schwierige Maschine kontrollieren muss, dann rutscht man viel, man macht mehr Fehler und jetzt liegen alle enger beisammen; es hängt davon ab, aber es kann enger sein und man mehr Spinning haben. Alles wäre besser, also würde ich mir das wünschen, aber ich bin mir zu 99 Prozent sicher, es wird nicht passieren; aber aus gutem Grund.

Und was ich nicht an der MotoGP-Welt mag, aber nicht nur an der MotoGP, ist das Drumherum. Das Fernsehen und die Medien achten mehr auf unterhaltsame Fahrer, nicht auf den schnelleren Fahrer. Das mag ich nicht. Ich mag das nicht, weil ich einer davon bin. Ich bin normal und das gefällt den Medien nicht. Das ist lustig, denn ich kann meinen Charakter nicht ändern, nur weil die Medien das wollen. Das ist ziemlich übel, aber es ist auch deswegen schlecht, weil sich das auf die Risiken auswirkt, die man auf der Strecke nimmt. Man kämpft, kämpft, kämpft, man ist einer der besten Fahrer der Welt, aber wenn man nicht lustig ist, dann reden nicht viele Leute über dich. Das mag ich nicht, das ist aber nicht nur in der MotoGP so. Das ist die Welt und das ist sehr schlecht für den Sport.