Das Audi-Beben zieht seine Kreise. Nach der Absage des LMDh-Projekts mindestens für das Jahr 2023, wie Motorsport-Magazin.com zuerst berichtet hatte, herrschen auch im Umfeld der Ingolstädter zahlreiche Fragezeichen. Unter anderem beim Erfolgs-Team WRT, das als sicherer Partner für die angekündigten Einsätze in der WEC und bei den 24 Stunden von Le Mans galt.

Beim WEC-Finale Anfang November 2021 lag dem belgischen Rennstall nach Informationen von Motorsport-Magazin.com ein Vertrag als Einsatzteam für die Langstrecken-Weltmeisterschaft vor, der bis heute nicht unterschrieben ist. Dabei sollen auch finanzielle Gründe eine Rolle spielen.

"Nach dem, was ich in der Presse gelesen habe, sieht es danach aus, als ob wir nächstes Jahr nicht mit Audi in der WEC fahren", sagte Teamchef Vincent Vosse am Rande der offiziellen WEC-Testfahrten in Sebring zu Autosport. Wie Motorsport-Magazin.com aus VW-Konzernkreisen erfahren hat, könnte sogar Audis gesamtes LMDh-Engagement aus verschiedenen Gründen nicht umgesetzt werden.

Aktuell bestätigt ist lediglich eine Pause des Projekts für zwei bis drei Monate. Durch die zeitliche Verzögerung wären Einsätze im Januar 2023 bei den 24 Stunden von Daytona (IMSA) sowie bei den 24 Stunden von Le Mans (WEC) im selben Jahr vom Tisch.

WRT-Chef: Gespräche mit anderen Herstellern

Für Vosse wäre die Einstellung des Le-Mans-Projekts ein großer Rückschlag. Seit der vergangenen Saison bereitet sich das Team auf der Langstrecke mit LMP2-Prototypen vor - und die 'Fingerübung' war von großem Erfolg gekrönt. WRT gewann auf Anhieb die LMP2-Weltmeisterschaft in der WEC, feierte einen Klassensieg bei den 24 Stunden von Le Mans und triumphierte obendrein in der European Le Mans Series.

WRT, das seit mehr als zehn Jahren zu den erfolgreichsten GT-Teams der Welt zählt, will die Langstrecke auch im Falle eines Audi-Ausstiegs nicht abschreiben. "Wir haben weiter das Verlangen und die Kapazitäten, um ein LMDh-Programm zu fahren", versicherte Vosse. "Wenn das wirklich stimmt, was ich da lese, dann werden wir bald Gespräche mit anderen Herstellern aufnehmen."

WRT habe seine letztjährigen Langstrecken-Erfolge mit den LMP2-Wagen laut Vosse auch nicht mit Audi gefeiert und gezeigt, dass das Team verdiene, zusammen mit einem Hersteller auf höchstem Niveau zu starten. Vosse weiter: "Wenn Audi keinen LMDh hat, den wir nächstes Jahr einsetzen können, wäre es schön, wenn wir unsere Gespräche mit anderen Herstellern fortsetzen könnten."

WRT 2022 mit Rast, Habsburg und Co.

Einige Möglichkeiten bei anderen LMDh-Herstellern sind bereits vergeben: Porsche arbeitet in der WEC und in der IMSA mit US-Traditionsteam Penske zusammen, das bereits einen Motorsportstandort in Mannheim errichtet. BMW verzichtet 2023 noch auf die WEC und Le Mans, in der IMSA-Serie setzt RLL den BMW M LMDh ein. Bei Acura, Cadillac (beide ab 2023) und Alpine (ab 2024) ist noch unklar, welche Teams die Einsätze durchführen werden.

Dieses Jahr startet WRT das Projekt Titelverteidigung in der WEC mit einem zweiten LMP2-Auto. Audi-Werksfahrer und DTM-Rückkehrer Rene Rast (zusammen mit Nico Müller für LMDh-Audi vorgesehen) teilt sich einen Boliden mit dem früheren Audi-Piloten Robin Frijns sowie Sean Gelael. Der Österreicher Ferdinand Habsburg bestreitet seine zweite LMP2-Saison mit WRT an der Seite von Ex-Formel-E-Fahrer Norman Nato und Rui Andrade. Habsburg, Frijns und Charles Milesi siegten 2021 in der WEC sowie in Le Mans.

LMDh-Gerüchte um Lamborghini - Werksfahrer bei WRT

Bei den diesjährigen 24 Stunden von Le Mans (11./12. Juni 2022) stockt WRT auf einen dritten LMP2-Boliden auf - und das mit interessanten Personalien: Lamborghini-Werksfahrer Mirko Bortolotti wechselt sich am Steuer mit dem langjährigen Lambo-Piloten Rolf Ineichen aus der Schweiz sowie Dries Vanthoor ab. Die beiden Erstgenannten geben dieses Jahr ihr DTM-Debüt beim Lamborghini-Team GRT, während Vanthoor zuletzt mit WRT die GT World Challenge gewann.

Sind die beiden Lamborghini-Piloten bei WRT nur ein Zufall, oder steckt ein größerer Plan dahinter? Nach Informationen von Motorsport-Magazin.com wird der italienische Sportwagenbauer aus dem VW-Konzern seit längerer Zeit mit einem LMDh-Einstieg ab 2024 in Verbindung gebracht.

Lamborghini plant angeblich, für dieses mögliche Projekt ein Chassis von LMP2-Hersteller Dallara zu nutzen, ähnlich wie BMW, das sein Auto direkt beim Traditionsunternehmen in Italien entwickelt. Audi und Porsche hatten sich bei ihrem gemeinsam geplanten LMDh-Projekt - im Audi sollte ein von Porsche entwickelter V8-Turbomotor werkeln - für Chassisbauer Multimatic entschieden.