Diese Meldung sorgte am Dienstagabend und in den folgenden Tagen für internationale Schlagzeilen. Wie Motorsport-Magazin.com exklusiv berichtete, legt Audi Sport sein LMDh-Projekt für die geplante Rückkehr in die Top-Klasse des Langstreckensports vorläufig und für angeblich zwei bis drei Monate auf Eis.
Durch die zeitliche Verzögerung ist die für 2023 angekündigte Rennpremiere des neuen LMDh-Prototyps beim 24-Stunden-Rennen Daytona Ende Januar sowie das Comeback bei den 24 Stunden von Le Mans vom Tisch. In Folge des ausgelösten Wirbels um die Marke mit den vier Ringen hören wir inzwischen aus VW-Konzernkreisen, dass sogar das gesamte LMDh-Projekt aus verschiedenen Gründen nicht umgesetzt werden könnte.
Die Neuigkeiten am Dienstagabend machten schnell die Runde, erwischten einige Mitbewerber sogar offenbar auf dem falschen Fuß. Nach Informationen von Motorsport-Magazin.com wurde etwa BMW - die Münchner entwickeln ebenfalls ein LMDh-Auto und haben bereits angekündigt, 2023 nur in der IMSA und nicht in der WEC/Le Mans antreten zu wollen - kalt vom Audi-Hammer erwischt. "Stimmt das wirklich", war die vielsagende Frage eines BMW-Angestellten, den man mit solchen News für gewöhnlich nicht überraschen kann.
Mitarbeiter von Porsche Motorsport sollen erst wenige Stunden vor unserer Exklusiv-Meldung vom Audi-Stopp erfahren haben. Das LMDh-Projekt des Sportwagenbauers war bislang eng mit Audis Projekt verknüpft, der Motor für den Audi-Prototypen sollte aus Gründen der 'Konzern-Synergie' von Porsche stammen. Beide Hersteller aus dem VW-Konzern nutzen zudem mit Multimatic den selben Chassis-Hersteller.
Als Motorsport-Magazin.com am Mittwochmorgen nach der exklusiven Audi-Meldung in Barcelona bei einem Hypercar-Test von Peugeot aufschlug, hatte die Nachricht aus Ingolstadt beim französischen Autobauer bereits die Runde gemacht. Peugeot hatte erst vor Kurzem bekanntgegeben, dieses Jahr mit seinem neuen Hypercar nicht bei den 24 Stunden von Le Mans anzutreten. Die Rennpremiere ist stattdessen für einen später folgenden WEC-Lauf in dieser Saison geplant.
Duval: Vielleicht will jemand für Audi übernehmen?
Auf dem Circuit Catalunya, wo Peugeot in dieser Woche unter Ausschluss der Öffentlichkeit sein 9X8-Hypercar fleißig weiterentwickelt, trafen wir unter anderem auf den früheren Audi- und heutigen Peugeot-Werkspiloten Loic Duval. Der Franzose gewann 2013 mit Audi die 24 Stunden von Le Mans sowie die WEC-Weltmeisterschaft und hätte sich auf ein Wiedersehen im Jahr 2023 beim berühmtesten Rennen der Welt gefreut.
"Das wäre schade", sagte Duval zu der von Motorsport-Magazin.com angesprochenen Audi-News. "Aber es handelt sich um eine große Gruppe (VW-Konzern; d. Red.). Vielleicht gibt es ein paar andere Marken, die das Projekt von Audi gerne übernehmen würden." Ein Hinweis auf Lamborghini, die angeblich und im Gegensatz zu Audi und Porsche planen, ein Dallara-Chassis zu nutzen, wie es bei BMW tatsächlich der Fall ist? Der Sportwagenhersteller aus dem VW-Konzern wird seit längerer Zeit mit einem LMDh-Einstieg ab 2024 in Verbindung gebracht - und soll angeblich ebenfalls nichts von der Audi-Verschiebung gewusst haben.
Duval weiter: "Natürlich wäre es toll, Audi dabei zu haben, auch wegen ihrer großen Langstrecken-Geschichte. Ich kenne dort noch ein paar Leute, die bestimmt nur zu gerne zurückkehren würden. Aber manchmal läuft es so. Wenn ich jetzt noch mal die Wahl hätte, dann würde ich mich wieder für Peugeot entscheiden. Daran hätten auch die neuen Hersteller nichts geändert, die vor eineinhalb Jahren noch nicht da waren. Ich bin sicher: Peugeot ist genau der richtige Platz, um ab 2023 bei den 24 Stunden von Le Mans zu siegen."
Duval: Budget hat früher viele Probleme bei Audi gelöst
Langstrecken-Fans weltweit hatten sich auf eine Rückkehr von Audi zu den 24 Stunden von Le Mans im Jahr 2023 gefreut. Mit 13 Gesamtsiegen sind die Ingolstädter hinter Porsche (19 Siege) immerhin die zweiterfolgreichste Marke beim Rennen entlang der Sarthe.
Die beiden VW-Marken standen jahrzehntelang für Dominanz in Le Mans: In den 22 Jahren von 1996 bis 2017 gelang es anderen Herstellern nur dreimal, den Langstrecken-Klassiker in Frankreich zu gewinnen: BMW 1999, VW-Tochter Bentley 2003 sowie Peugeot 2009. Audi beendete sein erfolgreiches wie sündhaft teures LMP1-Programm nach 2016, Porsche folgte 2017.
Die damaligen Langstrecken-Zeiten seien mit den heutigen nicht mehr zu vergleichen, meinte Duval. Kein Wunder: Zu LMP1-Zeiten von Audi und Porsche herrschte ein wahnsinniger Machtkampf zwischen beiden VW-Marken, wo Geld - ganz im Gegensatz zu heute - nur eine untergeordnete Rolle spielte. Nach Informationen von Motorsport-Magazin.com soll Audi am Ende mit einem jährlichen LMP1-Budget von bis zu 200 Millionen Euro gearbeitet haben!
"Bei Audi hat das damals schier unlimitierte Budget viele Probleme gelöst", erinnerte sich Duval an die 'Goldenen Zeiten'. "Wir sind im Motorsport, da ist das Budget nun einmal immer wichtig. Wenn wir heute etwas mit fünf Ingenieuren erledigen, hatte ich das Gefühl, dass es bei Audi dafür früher zehn Leute gegeben hat. Für mich als Fahrer ist es schöner, mit einem kleineren Team zu operieren. Das Budget bei Peugeot ist groß genug, um alles ordentlich zu erledigen. Gleichzeitig ist das Team klein genug, um superschnell reagieren zu können."
24h Le Mans: Wer kämpft um den Gesamtsieg?
Zur mit Spannung erwarteten Neuauflage des Audi/Porsche-Duells in Le Mans wird es 2023 also nicht kommen. Die Zuffenhausener, die ihren LMDh-Boliden sogar schon auf der Rennstrecke getestet haben, halten als einzige Marke die deutsche Flagge hoch. BMW hat für 2023 bereits abgesagt, der Fokus soll zunächst auf der IMSA-Serie und dem für die BMW M GmbH wichtigen US-Markt liegen.
Honda-Ableger Acura und Cadillac wollen 2023 in noch nicht bekannten Programmen mit ihren LMDh-Autos starten, Alpine soll 2024 hinzustoßen. Auf Seiten der Hypercars (LMH) starten ab 2023 Peugeot und Ferrari neben den bereits fahrenden Autos von Toyota und Glickenhaus.
Der revolutionäre Zusammenschluss von ACO, IMSA und FIA war von Beginn an mit heißer Nadel gestrickt. Mehrfach änderten sich Reglements und Rahmenbedingungen. Und wie die Veranstalter eine Balance of Performance für LMDh-Autos und Hypercars bei gemeinsamen Rennen erstellen wollen, kann auch jetzt noch niemand so richtig erklären. Viele Fragezeichen also bis zum Renndebüt der LMDh-Wagen im Januar 2023 in Daytona...
Peugeot-Technikdirektor: Keiner will etwas überstürzen
Von den zahlreichen Änderungen und Wirrungen ist auch Peugeot betroffen, das schon im November 2019 sein Comeback in Le Mans mit einem Hypercar angekündigt hatte. Zum damaligen Zeitpunkt war von gemeinsamen Rennen mit LMDh-Autos noch nicht einmal die Rede. Dass Audi und BMW 2023 in Le Mans fehlen werden, dafür zeigte Peugeot-Technikdirektor Olivier Jansonnie in gewisser Weise Verständnis.
In Barcelona beim Test sagte der frühere BMW-Motorsport-Mitarbeiter zu Motorsport-Magazin.com: "Jeder Hersteller verfolgt seine eigenen Pläne. Die Realität für uns alle ist, dass die Zeit sehr knapp bemessen ist. Wir erwarten einen starken Wettbewerb. Ich denke also, dass alle bereit sein und nichts überstürzen wollen. Da sitzen wir irgendwie alle im selben Boot."
Für die 24 Stunden von Le Mans 2022 reicht es zeitlich nicht, aber Peugeot will auf jeden Fall noch dieses Jahr bei einem WEC-Rennen an den Start gehen. Der erste Lauf nach dem Saison-Highlight ist das 6-Stunden-Rennen in Monza am 10. Juli 2022. Jansonnie: "Wir peilen Monza als erstes Rennen an. Ein 6-Stunden-Rennen ist nicht ganz so schwierig wie Le Mans. Aktuell sind wir im Plan. Sicher ist aber, dass wir nicht fahren werden, wenn wir uns nicht bereit fühlen."
Der Peugeot-Plan laut Jansonnie: ausgewählte WEC-Rennen 2022 und ab 2023 die gesamte Saison inklusive der 24 Stunden von Le Mans. Ist auch ein Einsatz in der IMSA-Serie bzw. bei Highlights wie den 24h Daytona oder Sebring vorstellbar? "Alles ist möglich. Aktuell geht es um das Programm in der WEC. Final wollen wir das jetzt noch nicht entscheiden."
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