Audi Sport wird sein am 30. November 2020 angekündigtes LMDh-Projekt nach gesicherten Informationen von Motorsport-Magazin.com aus Kreisen des Volkswagen-Konzerns und der Audi AG vorläufig und für voraussichtlich zwei bis drei Monate auf Eis legen. Die genauen Hintergründe zu dieser für viele überraschenden Entscheidung waren zunächst nicht bekannt.

Fakt ist, dass unter anderem Verzögerungen in der Teileversorgung durch Zulieferer für eine Verschiebung des geplanten Werks-Engagements ab 2023 in der US-amerikanischen IMSA-Sportwagenserie sowie der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) sorgt. Zudem sollen einige Kapazitäten für die Weiterentwicklung des Dakar-Projektes benötigt werden.

Ein mögliches Engagement des Volkswagen-Konzerns in der Formel 1 ist einem Sprecher zufolge kein Grund für die aktuelle problematische Lage, von der Motorsport-Magazin.com schon seit längerer Zeit Kenntnis und darüber auch berichtet hat.

Audi: 24h Daytona 2023 kein Thema mehr

Seit mehr als zehn Monaten hat es von Audi Sport keine weiteren Informationen zum LMDh-Projekt gegeben. Wie wir auch aus dem IMSA-Umfeld hören, ist der geplante Start beim 24h-Rennen in Daytona im Januar 2023 schon seit längerer Zeit kein Thema mehr.

Neben den bereits feststehenden Werksfahrern Nico Müller und Rene Rast wurden noch keine weiteren Piloten von Audi Sport benannt - eher ungewöhnlich für ein Projekt, in dem nach eigenen Angaben im Frühjahr 2022 der Rollout und im Anschluss daran erste Testfahrten geplant waren.

Audi: 24h Le Mans 2023 kommt zu früh

Die sollen jetzt frühestens im Herbst dieses Jahres über die Bühne gehen, was bedeuten würde, dass die Rennpremiere des Audi-Prototyps wohl erst frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2023 stattfinden könnte. Und damit nach dem Saison-Highlight, den 24 Stunden von Le Mans, die traditionell im Juni ausgetragen werden.

Ähnlich ist es aktuell übrigens auch bei Peugeot bereits in diesem Jahr der Fall: Der Autobauer aus Frankreich hat offiziell bekanntgegeben, 2022 mit seinem neuen Hypercar nicht bei den 24 Stunden von Le Mans anzutreten und plant die Rennpremiere bei einem später folgenden WEC-Lauf in dieser Saison.

Dagegen hat Porsche, mit dem sich Audi nach unseren Informationen den 680 PS-starken V8-Biturbo-Motor mit Bosch-Technik sowie dem Chassis-Partner Multimatic teilt, seinen Rollout am 14.01.2022 auf dem Werksgelände in Weissach absolviert und Anfang Februar in Barcelona bei einem ersten Härtetest schon mehr als 2.000 Kilometer abgespult.

Nach Informationen von Motorsport-Magazin.com planen die Verantwortlichen des Autobauers aus Stuttgart ab März 2022 in jedem Monat Testfahrten zu absolvieren. Davon kann die Konzernschwester Audi momentan nur träumen.

Audi noch immer ohne LMDh-Einsatzteam

Während bei Porsche mit US-Rennstall Penske der Partner für das LMDh-Projekt längst bekannt und bereits im Einsatz ist, herrscht auch hier bei Audi bisher Funkstille. Beim WEC-Finale Anfang November 2021 lag dem belgischen WRT-Team nach Informationen von Motorsport-Magazin.com ein Vertrag als Einsatzteam für die WEC vor, der bis heute noch nicht unterschrieben ist. Dabei sollen auch finanzielle Gründe eine Rolle spielen.

WRT-Teamchef Vincent Vosse hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass die neue LMDh-Kategorie ab 2023 ein interessantes Betätigungsfeld für seine Truppe darstellt - vor allem wegen der bevorstehenden Hersteller-Flut.

Eine mögliche Zusammenarbeit mit Audi Sport wollte Vosse im November 2021 auf Motorsport-Magazin.com-Nachfrage aber nicht bestätigen: "Ich sage nur, dass es seit zwölf Jahren eine starke Partnerschaft mit Audi gibt. Wir haben zusammen viele Erfolge gefeiert. Ich stehe wegen unterschiedlicher Themen ständig im Austausch mit Audi." Diese Aussage ist alles andere als ein Dementi...

Audi: LMDh-Projekt schon Im November 2020 angekündigt

"Wir evaluieren mögliche Betätigungsfelder für uns im internationalen Motorsport", wurde Julius Seebach, Geschäftsführer der Audi Sport GmbH Ende November 2020 in einer Pressemitteilung zitiert. "Dabei haben wir die Wünsche unserer Kunden genauso im Blick wie die zukünftige Strategie des Unternehmens, die ganz klar im Zeichen der Elektrifizierung und einer CO2-neutralen Mobilität steht. Deshalb bereiten wir uns intensiv auf den Einstieg in die neue Sportwagen-Kategorie LMDh mit ihren Highlight-Rennen 24 Stunden von Daytona und Le Mans vor."

Motorsport bei Audi würde auch weiterhin eine bedeutende Rolle spielen, meinte Seebach und sie sei "die wichtigste Botschaft für unsere Fans".

Ende April 2021 gab Audi Sport weitere Details zur Rückkehr in den Sportprototypen-Rennsport bekannt. Der Nachfolger des erfolgreichen Audi R18 würde in enger Zusammenarbeit mit der Konzernschwester Porsche entstehen und die Konzeptphase sei weitgehend abgeschlossen.

"Eine große Stärke des Volkswagen-Konzerns ist die Zusammenarbeit der Marken bei der Entwicklung von Serienmodellen", sagte Seebach. "Dieses bewährte Modell übertragen wir nun auch auf den Motorsport. Das Reglement erlaubt den weltweiten Einsatz faszinierender Rennfahrzeuge bei prestigeträchtigen Rennen. Zudem nutzen wir mit unserer Partnerstrategie (Porsche, d. Red.) Synergien im Volkswagen-Konzern."

Dakar-Mannschaft von Beginn an unter Zeitdruck

Der Sportprototyp für die neue LMDh-Kategorie wird bei Audi Sport parallel zum SUV für die Rallye Dakar entwickelt, beide Projekte "mit höchster Priorität", wie es hieß. Die Dakar-Mannschaft stand von Beginn an unter einem höheren Zeitdruck, weil bis zum Start der Wüstenrallye nur knapp acht Monate zur Verfügung standen.

Ein ambitioniertes Zeitfenster, dass bei bisherigen Werks-Projekten in den letzten zwei Jahrzehnten kaum denkbar gewesen wäre. In beiden Projekten wird viel Personal gebunden, um die Weiterentwicklung der Dakar- und LMDh-Prototypen voranzutreiben.

Dabei geht es wohl auch wegen vieler Überstunden an die Belastungsgrenze aller Beteiligten, was wiederum Folgen haben dürfte und ein Zeichen dafür sein könnte, dass eines der beiden Audi-Werksprojekte zumindest ins Stocken geraten ist.

Laut unseren Recherchen soll es bei Porsche angeblich sogar schon Planspiele geben, was ein möglicher Audi-Ausstieg für die eigene Sportabteilung bedeutet. Stichwort: 'Synergien'. Einen Einfluss auf die Porsche-Aktivitäten beim LMDh-Projekt hätte solch eine Entscheidung dem Vernehmen nach aber nicht.