Romain Grosjean ist zurück im Rennauto. Der Franzose gab am vergangenen Dienstag in den USA sein Comeback in Folge des schweren Feuerunfall der Formel 1. Im Barber Motorsports Park absolvierte er drei Monate nach dem Horrorcrash beim Bahrain GP 2020 seinen ersten IndyCar-Test. Das Debüt für den neuen Arbeitgeber Dale Coyne Racing war für ihn nach der langen Verletzungspause ein Kulturschock der besonders schönen Art.

"Es hat sich sehr normal angefühlt", verkündet Grosjean im Gespräch mit der offiziellen IndyCar-Website, dass die Nachwehen des 29. Novembers 2020 schnell vergessen waren. 86 Tage lagen zwischen dem schweren Unfall und seiner Rückkehr ins Cockpit. An diesen erinnert wurde er dabei nur ein Mal. Die Brandverletzungen sowie der Bänderriss im linken Daumen machten sich bemerkbar.

"Eigentlich lief es ganz gut. Ich hatte in einem Run ein plötzliches Übersteuern, das hat etwas Schmerzen bereitet. Aber das war zu erwarten. Es ist noch nicht ganz verheilt und sehr empfindlich", erklärt er. Mental schüttelte der Routinier das dunkle Erlebnis seiner letzten Fahrt problemlos ab, und machte auch gleich Bekanntschaft mit den Eigenheiten der IndyCar-Boliden.

Grosjean freut sich über Schmerzen und Konsequenzen

"Nach meinem ersten Run hat mein Bizeps ein bisschen weh getan und ich dachte mir nur: Ok, alles klar, das ist doch mal etwas", so Grosjean über seine ersten Erfahrungen mit dem neuen Arbeitsgerät. Dem IndyCar-Rookie steckte nicht nur die Pause seit seinem Unfall in den Knochen. Der 34-Jährige war in der Formel 1 seit 2012 stets mit Servolenkung unterwegs.

"Du kannst das Auto richtig fühlen", erklärt er. Im Gegensatz zu den ihm in Fleisch und Blut übergegangenen F1-Boliden verfügt das Dallara-Einheitschassis über deutlich weniger Abtrieb. Dieser Umstand macht das Fahren nicht nur physisch anspruchsvoller. "Ich denke, du kannst hier deinen eigenen Fahrstil mehr anwenden, was das Anbremsen und das Einlenken angeht", so der 179-fache Grand-Prix-Teilnehmer. "Du kannst verschiedene Linien wählen. In der Formel 1 bist du wegen der Aerodynamik dazu gezwungen, dich an eine Ideallinie zu halten."

Der fehlende Anpressdruck hat allerdings auch seine Tücken, wie Grosjean früh feststellen musste. "Ich habe am Morgen einen Fehler gemacht und mich gedreht", gesteht er einen Ausrutscher in Kurve eins. Und anders als in der Formel 1 erwartete ihn dort keine asphaltierte Auslaufzone, die ihn vor den Folgen dieses Fehlers bewahrte.

Doch auch diesem Negativerlebnis gewann er noch etwas Positives ab. "Ich steckte im Kiesbett fest. Das hat hier wirklich Konsequenzen. Du musst die Limits der Rennstrecke respektieren, das macht mir wirklich Spaß", sagt er. Noch vor seinem Unfall hatte er sich in Richtung IndyCar orientiert, nachdem sein Vertrag in der Formel 1 mit Haas nicht verlängert wurde.

Umstellung von Formel 1 auf sofort IndyCar geglückt

Anfang Februar erfolgte nach langen Verhandlungen die Bekanntgabe seines Deals mit Dale Coyne Racing, wo er 2021 bei allen Rundstrecken- sowie Stadtkursen den Dallara-Honda mit der Startnummer 51 pilotieren wird. Die drei Ovalrennen im Kalender, darunter auch das legendäre Indy 500, lässt der 34-Jährige aufgrund des Vetos seiner Familie in der Debütsaison aus.

Im Krankenstand hatte sich Grosjean in den vergangenen Wochen intensiv damit beschäftigt, sich IndyCar-Rennen anzuschauen und die Vorfreude auf das neue Abenteuer zu steigern. Der erste Test bestätigte ihn: "Der mechanische Grip der Autos ist wirklich gut. Ich verstehe jetzt, warum das Racing hier so gut ist."

Das Fazit des ersten Tests fiel für ihn positiv aus. Über ein Jahrzehnt im Formel-1-Kosmos machten sich bei der Umstellung nicht negativ bemerkbar. "Es ist einfach nur ein anderes Auto. Aber abgesehen davon, hat sich alles toll und normal angefühlt", freut er sich. "Es erinnert mich an die Zeit, als ich von der Formel Renault in die Formel 3 und dann in die GP2 aufgestiegen bin. Bis jetzt bin ich sehr glücklich damit."

IndyCar-Atmosphäre entzückt Rookie Grosjean

Neben der Eingewöhnung im neuen Auto gab es für Grosjean auch abseits des Cockpits viel Neues zu entdecken. Nicht nur, dass er nach fünf Jahren bei Haas ein neues Arbeitsumfeld vorfand. Auch die Gepflogenheiten in den USA verblüfften ihn. "Als ich ankam, war ich ziemlich überrascht, wie die Autos hier stehen. Es gab keine geschlossenen Garagen oder Zelte", sagt er.

Der Charme dieser zugänglichen Atmosphäre wirkte bei ihm schnell. "Ich mag das. Wir waren alle in der Boxengasse und ich habe mit Sebastien Bourdais gesprochen, und dann kam Takuma [Sato] vorbei und wir haben an seinem Auto geplaudert", so Grosjean. "Auf der Rennstrecke wird ernst gemacht, aber sobald du den Helm abgezogen hast, sind alle sehr freundlich und es wird sich untereinander ausgetauscht."

Bis es für Grosjean ernst wird, gehen noch etwa zwei Monate ins Land. Mitte April gibt er an Ort und Stelle seines ersten Tests sein Debüt in der US-amerikanischen Formelserie. Die Vorfreude auf das neue Kapitel seiner Karriere steigt weiter: "Das Team arbeitet wirklich gut. Es ist anders, aber es gefällt mir. Ich habe mich relativ mühelos eingefunden. Ich denke, je mehr Tests wir haben, umso besser ist es. Aber ich freue mich auch schon sehr drauf, am 17. und 18. April hier Rennen zu fahren."