Happy Hour bei BMW M Motorsport: Mit der Verpflichtung des Erfolgs-Teams WRT hat der Autobauer automatisch keinen Geringeren als Valentino Rossi als 'Zugabe' erhalten. Der neunmalige Motorrad-Weltmeister wird 2023 erstmals in einem BMW an den Start gehen, geplant sind wie im Vorjahr Einsätze in der Sprint- und Endurance-Wertung der GT World Challenge Europe.

Wichtig dabei zu wissen: Rossi hat keinen Vertrag mit BMW. Den hatte der Italiener auch nicht mit Audi, als er im vergangenen Jahr auf einem Audi R8 LMS GT3 erstmals eine volle Saison in einer Vierrad-Meisterschaft bestritt. Stattdessen verhandelt das Rossi-Lager direkt mit WRT und dessen langjährigem Teamchef sowie cleveren Geschäftsmann Vincent Vosse.

Valentino Rossi beim Test in Valencia Anfang Oktober, Foto: BMW Motorsport
Valentino Rossi beim Test in Valencia Anfang Oktober, Foto: BMW Motorsport

Gut für Rossi, der mit dem Rennfahren schon lange kein Geld mehr verdienen muss: Durch seinen Vertrag mit dem Team ist er nicht an die Marketing-Maschinerie eines großen Herstellers gebunden. Gut für WRT: Mit Rossi im Gepäck hat man ein mächtiges Werkzeug, um die eigenen Vorstellungen bei einem Autobauer durchzudrücken oder sich gut bezahlen zu lassen.

Nach dem Ende seiner langen MotoGP-Karriere wollte Rossi vor allem eines: Rennen fahren. Die auch im Motorsport übliche Marketing-Mühle sollte im neuen Abschnitt seiner Karriere höchstens eine untergeordnete Rolle spielen. Vor den 'PR-Karren' spannen lässt sich Rossi heute nur noch, wenn es seine ganz eigene Entscheidung ist.

Entsprechend will auch BMW in Form von Motorsportchef Andreas Roos mit der Causa Rossi umgehen: "Valentino Rossi wird weder bei BMW noch bei WRT als Marketing-Tool gesehen, sondern wirklich als Rennfahrer. Deshalb hat er auch Freude daran, mit WRT zusammenzuarbeiten und jetzt in einem BMW zu sitzen. Er will einfach Rennen fahren und schnell sein. Jetzt hoffen wir mal, dass unser BMW M4 GT3 schnell genug ist, damit er gute Rennen fahren kann."

Wenn einer der berühmtesten und erfolgreichsten Rennfahrer aller Zeiten im 'eigenen' Produkt sitzt, freut sich natürlich auch der Hersteller. Kaum ein anderer Pilot erzielt weltweit eine derart große Aufmerksamkeit. Rossis erste Saison im GT3-Sport verfolgten Millionen Fans und unzählige Medien rund um den Globus. "Für uns ist das eine Win-Win-Situation", wusste Roos, der Vertrags-Inhalte mit Neuzugang WRT nicht kommentieren wollte.

Und der frühere Audi-Mann räumte mit Blick auf 'BMW-Fahrer' Rossi offen ein: "Für uns ist das ein schönes Zuckerl, das wir mit dem WRT-Deal dazubekommen. Es wäre falsch, wenn ich sagen würde, dass uns das nicht interessiert. Das ist für uns natürlich ein Riesen-Multiplikator und wir erreichen eine wahnsinnige Reichweite nach außen. Auf der anderen Seite muss man auch sagen, dass Valentino in der GT World Challenge bewiesen hat, dass er Stück für Stück den Speed aufbaut. Der fährt ja nicht hinten rum."

Superstar auf vier Rädern: Valentino Rossi, Foto: Michele Scudiero
Superstar auf vier Rädern: Valentino Rossi, Foto: Michele Scudiero

Tatsächlich schlug sich Rossi - auch wegen der Unterstützung durch seine erfahrenen und schnellen WRT-Teamkollegen Nico Müller sowie Frederic Vervisch - beachtlich. Auf gewisse 'Anfängerfehler' folgten starke Ergebnisse wie drei fünfte Plätze in den Sprint- und Endurance-Rennen (Paul Ricard, Hockenheim, Misano) der SRO-Serie. Beim prestigeträchtigen 24-Stunden-Rennen von Spa-Francorchamps fuhren Rossi/Müller/Vervisch auf den 17. Gesamtplatz und P14 im Pro-Cup bei 23 GT3-Boliden.

Wenn WRT nach dem Abschied von Audi in Folge einer zehnjährigen Partnerschaft ab der kommenden Saison mit BMW-Rennwagen an den Start gehen wird, ist Rossi dabei. Der Superstar bezifferte die Chancen auf eine Fortsetzung des WRT-Projekts selbst auf 90 Prozent und saß bei einem GT3-Test bereits am Steuer. Es fehlt nur noch die offizielle Bestätigung des Rennstalls.

BMW-Chef Roos beobachtete Rossis Leistungen in der abgelaufenen Saison sowie in der Vergangenheit: "Er hatte ja auch schon Formel-1- und DTM-Class-1-Tests und hat sich auch dort nie schlecht angestellt. Dafür, dass er in hochkarätige Rennwagen gestiegen ist, hat er sehr gute Leistungen abgeliefert. Ich war nicht überrascht, dass er relativ schnell auf einem guten Level fahren kann. So oft Weltmeister in der MotoGP zu werden, das passiert nicht einfach so. Da gehört viel harte Arbeit dazu. Wenn man das so lange und so intensiv macht, nimmt man das automatisch mit, wenn es auf vier Räder geht."

Und über den nötigen Ehrgeiz verfüge Rossi ohnehin, war Roos überzeugt: "Wenn man Motorsportler ist, will man gewinnen. Er fährt da nicht mit, um einfach nur dabei zu sein." Wohin Rossis Reise im Automobilsport mittel- und langfristig führen kann, ist noch nicht bekannt. Sicher ist aber, dass WRT sich ab kommendem Jahr mit dem neuen BMW M Hybrid V8 auf Einsätze in der WEC ab 2024 vorbereitet. Die Belgier setzen den Münchner LMDh-Prototypen in der Langstrecken-WM und bei den 24 Stunden von Le Mans ein.

Ob Rossi Lust darauf hätte, in Le Mans mit einem der schnellen Prototypen an den Start zu gehen? Alternativ könnte er das berühmteste Rennen der Welt ab 2024 auch mit einem GT3-Auto bestreiten, wenn diese Kategorie die bisherige GTE-Klasse ablöst. BMW hätte jedenfalls für beide Sparten das nötige Material im Portfolio...