Der größte Motorsport-Star sitzt beim DTM-Gastspiel in Spielberg gar nicht selbst im Rennwagen! Stattdessen schlendert Jorge Lorenzo mit Kommentator und Kumpel Eddie Mielke ganz entspannt und interessiert durchs Fahrerlager der Traditionsserie und verfolgt später das Rennen aus der Box des KÜS Team Bernhard.

Der fünfmalige Motorrad-Weltmeister hat ganz offenbar Gefallen gefunden an seinem ersten Besuch der DTM. Eine ganze Weile nach dem Samstagsrennen trifft Motorsport-Magazin.com den Spanier, der Ende 2019 seine äußerst erfolgreiche Karriere in der MotoGP beendet hat, zum exklusiven Interview in der schicken Hospitality von DTM-Serienpartner Schaeffler.

Jorge, wie gefällt dir die DTM bei deinem ersten Besuch hier in Spielberg?
Jorge Lorenzo: Sehr gut. Eddie Mielke ist ein Freund von mir, wir kennen uns aus der MotoGP. Und Gerhard Berger habe ich zuletzt beim MotoGP-Rennen hier in Spielberg getroffen. Sie haben mich hierher zur DTM eingeladen. Ich fand es sehr cool, hier herrscht ein großer Wettbewerb. 24 Autos innerhalb einer Sekunde - das ist verrückt! Die haben eine sehr gute Meisterschaft aufgebaut.

Foto: DTM
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Du hast das Rennen aus der Box des KÜS Team Bernhard von Teamchef und Porsche-Ikone Timo Bernhard verfolgt. Warum?
Jorge Lorenzo: Ich starte dieses Jahr im Porsche Carrera Cup Italia. Aktuell bin ich also ein Porsche-Mann!

Und da läuft es inzwischen ziemlich gut bei dir...
Jorge Lorenzo: Ja, am vergangenen Wochenende sind wir in Vallelunga gestartet und im zweiten Rennen bin ich Achter geworden. Das war großartig! Als ich angefangen habe, fehlten mir gut zwei Sekunden auf die Spitze. Inzwischen bin ich nur noch rund eine halbe Sekunde langsamer als die schnellsten Fahrer. Ich habe wirklich gute Fortschritte gemacht.

Wie kommst du mit dem 510 PS starken Cup-Porsche zurecht?
Jorge Lorenzo: Das ist wirklich kein einfach zu fahrendes Rennauto. Wir haben ja weder ABS noch Traktionskontrolle. Du brauchst viel Erfahrung, um ein echter Experte auf dem Auto zu werden und um die maximale Performance rausholen zu können. Ich merke, wie ich mich Schritt für Schritt und Rennen für Rennen verbessere. Ich hatte auch ein paar private Tests mit Simone Iaquinta, der zweimal den italienischen Carrera Cup gewonnen hat und aktuell im Porsche Supercup startet. Dadurch habe ich noch mehr über das richtige Bremsen und das Einlenken in Kurven gelernt.

Foto: LAT Images
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Hättest du erwartet, dass du so schnell Fortschritte machst und bei der Pace bist?
Jorge Lorenzo: Vielleicht nicht so schnell. Ich wusste aber, dass ich ein Talent für Präzision habe. Auf dem Motorrad habe ich die maximale Performance abgeliefert, weil ich das seit meinem dritten Lebensjahr gemacht habe. Ein Rennauto ist natürlich eine andere Geschichte. Aber als ich zuhause am Simulator saß, habe ich gespürt, dass da auch was gehen kann und dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis ich an die Schnellsten heranreiche.

Macht dir das Fahren eines Rennautos ähnlich viel Spaß wie die Bikes zu deiner aktiven Karriere in der MotoGP?
Jorge Lorenzo: Ich liebe es! Für mich ist es sogar noch besser.

Wie bitte?
Jorge Lorenzo: Klar, ich hatte immer viel Druck durch mich selbst, mein Team, Sponsoren und so weiter. Das war ja mein Hauptberuf. Du musstest immer sehr gut abschneiden. Ich habe deshalb jeden Tag trainiert und das Motorrad war mein Leben. Jetzt ist es sehr anders. Ich genieße das Leben und trainiere nicht mehr ganz so viel. Trotzdem kann ich weiter den Wettbewerb genießen und Schritt für Schritt besser werden, aber mit weniger Risiko.

Foto: LAT Images
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Gehst du heute mit einer anderen Herangehensweise in die Rennen als früher?
Jorge Lorenzo: Schau, wenn ich früher ein MotoGP-Rennen nicht gewonnen habe, war ich eine Woche lang schlecht gelaunt. Wenn ich aber heute ein Autorennen nicht gewinne, dann ist das egal.

Wirklich? Schwer vorstellbar für einen langjährigen Profi-Rennfahrer...
Jorge Lorenzo: Ich bin schon weiterhin wettbewerbsorientiert und will auch im Rennwagen mein Bestes geben, aber zehn Minuten nach einem Rennende denke ich schon nicht mehr darüber nach. Das ist der große Unterschied.

Kannst du dir vorstellen, in Zukunft auch Rennen in einem GT3-Auto zu fahren?
Jorge Lorenzo: Ich müsste mal einen Test in einem aktuellen GT3-Auto bestreiten und schauen, wie ich mich da schlage. Und danach wäre es eine Frage der Möglichkeiten, die sich bieten. Es ist zwar schon lange her, aber ich bin 2014 das 12-Stunden-Rennen in Abu Dhabi mit einem GT3-Ferrari von Kessel Racing gefahren. Diese und nächste Saison starte ich im italienischen Porsche Carrera Cup. Schauen wir mal, ob ich noch was anderes fahren werde.

Jorge, die Frage müssen wir natürlich stellen: Verfolgst du, wie sich dein alter Teamkollege Valentino Rossi in der GT World Challenge schlägt?
Jorge Lorenzo: Ja, ich schaue mir seine Ergebnisse an. Seine Leistungen haben sich sehr verbessert, genau wie bei mir. Wir starten in verschiedenen Meisterschaften und mit sehr unterschiedlichen Autos. In seinem hat er ja ABS und Traktionskontrolle, während ich diese Hilfen nicht habe.

Foto: LAT Images
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Zu früheren Zeiten herrschte mehr Rivalität zwischen euch...
Jorge Lorenzo: Ja, jetzt kämpfen wir um nichts Wichtiges mehr. Wir sind keine Feinde mehr.

Unzählige Motorsport-Fans träumen von einem Duell Lorenzo gegen Rossi im Rennauto. Dürfen sie weiter hoffen?
Jorge Lorenzo: Haha, ich glaube, das würde wirklich viele Leute interessieren! Sie würden bestimmt nur zu gerne herausfinden, wer von uns schneller auf vier Rädern ist.

Und, wer wäre deiner Meinung nach schneller?
Jorge Lorenzo: Das hängt von der Übung ab. Wer mehr testen und üben kann, ist schneller.