Ekstase in Zuffenhausen: Porsche konnte sich beim Saisonfinale der Formel E in London zum ersten Mal zum Team- und Herstellerweltmeister in der Elektroweltmeisterschaft küren. Den beiden Werksboliden von Antonio Felix da Costa und Pascal Wehrlein reichten in einem wilden Rennen die Positionen sechs und acht, um sich gegen die Konkurrenz aus dem Hause Nissan durchzusetzen. "Es ist ein fantastisches Resultat", freute sich Porsche-Teamchef Florian Modlinger. "Ich bin wirklich stolz auf das ganze Team, die zwei Fahrer und die Fabrik zuhause. Es wird heute sicherlich eine große Feier geben."

Für Nissan fiel das Rennen ab der 10. von 36 Rennrunden auseinander. Innerhalb nur weniger Sekunden wurde Fahrerweltmeister Oliver Rowland erst bei einem Überholversuch von Nyck de Vries angefahren, sodass sich ein Teil seines Frontflügels löste und schräg von seinem Auto Abstand. De Vries bekam für die Aktion von der Rennleitung die schwarz-weiße-Flagge geschwenkt.

Nissan-Desaster in London: Team-WM schon zur Halbzeit entschieden

Daraufhin kollidierte sein Teamkollege Norman Nato mit dem McLaren-Nissan von Taylor Barnard und kam kurzzeitig zum Stillstand. Beide Piloten kamen an die Box, Nato fuhr aber weiter, während Barnard das Rennen beendete. Untersucht wird aktuell aber ein Kontakt zwischen Barnard und Günther, was den Verdacht nahelegt, dass Nato möglicherweise nur auf Barnard auffuhr, nachdem er mit Günther verunfallt war. Die TV-Bilder gaben darüber zunächst keinen Aufschluss.

Die Vorfälle lösten eine Full-Course-Yellow-Phase aus. Anders als Porsche-Pilot Felix da Costa im Samstagsrennen, wurde Rowland aber trotz seines abstehenden Frontflügels nicht von der Rennleitung zu einem Wechsel desselbigen an die Box beordert. „Gebt an die FIA weiter, dass der Flügel abgefallen ist. Es ist also nicht gefährlich“, funkte Rowland in Runde 11, während der Frontflügel allerdings immer noch abstand.

Die Situation hatte sich jedoch kurz darauf ohnehin erledigt. Denn Rowland kam bei einem überambitionierten Überholversuch gegen Nico Müller im Kundenporsche von Andretti in Kurve 1 von der Strecke ab und kollidierte beim Zurückkommen auf die Strecke schließlich dem Schweizer. Beide Piloten mussten ihre Boliden in der Folge am Streckenrand abstellen. „Er hat sich beim Bremsen verschätzt und versucht auf die Strecke zu kommen, obwohl er wusste, dass ich da war“, rätselte Müller im Anschluss. Damit hatte Porsche bereits nach nicht einmal der Hälfte des Rennens zumindest den Team-Titel sicher. Nissan wurde schlussendlich in dieser Wertung sogar noch von Jaguar überholt.

Nick Cassidy siegt bei Jaguar-Abschied

In der 22. Runde fiel schließlich plötzlich auch Sam Bird im Kunden-Nissan von McLaren zurück und kam am Ende der Runde an die Box. Damit waren mit Rowland, Barnard und Bird drei von vier Nissan-Boliden ausgeschieden. Für die Hersteller-Wertung blieb somit Nato die einzige Hoffnung des japanischen Autobauers, noch 23 Punkte auf Porsche aufzuholen, der zu diesem Zeitpunkt nur auf P15 lag. Nato verpasste auch im Ziel als Elfter die Punkteränge, womit Porsche auch den Hersteller-Titel erklomm. Kurioserweise ging auch in dieser Wertung Jaguar noch an Nissan vorbei und wurde Vizeweltmeister.

Das Rennen gewann schlussendlich wie am Samstag Jaguar-Werksfahrer Nick Cassidy, der damit vier der letzten sechs Saisonrennen für sich entscheiden konnte, sich an Wehrlein in der Gesamtwertung vorbei schob und Vizeweltmeister wurde. Für Cassidy war es das letzte Rennen mit Jaguar, der Neuseeländer kehrt dem britischen Hersteller den Rücken zu. Rang zwei ging an de Vries vor Sebastien Buemi im Envision-Jaguar.

Besonders freuen über den Sieg dürfte sich Jaguar-Teamchef James Barclay, der neun Saisons lang als Leiter des Jaguar-Werksteams fungierte und nun zum Hypercar-Programm von McLaren wechselt. Im Interview mit Motorsport-Magazin.com blickte der Brite auf seine erfolgreiche Zeit in der Formel E zurück, das ihr hier nachlesen könnt:

David Beckmann holt ersten Formel-E-Punkt, Jaguar-Ärger um Mitch Evans

Die Top-5 wurden von Jake Dennis (Andretti-Porsche) und Cassidy-Teamkollege Mitch Evans abgeschlossen. Dieser hatte zwar die Ziellinie auf Rang zwei überquert, fiel jedoch durch eine 5-Sekunden-Zeitstrafe zurück, da er zu schnell während der FCY-Phase gewesen war. Evans wünschte sich während des Rennens zwar Unterstützung von Teamkollege Cassidy, um eine Lücke zu den hinterherfahrenden Autos aufzubauen. „Ich habe ihm heute geholfen. Ich werde nicht noch ärgerlicher werden, aber meine Nachricht ist klar“, funkte Evans sieben Runden vor Schluss an Jaguar und bezog sich dabei auf das Qualifying, in dem er Cassidy im Halbfinale kampflos den Weg zur Pole geebnet hatte. Dies blieb jedoch unerhört.

Felix da Costa, Maximilian Günther (DS Penske) und Wehrlein belegten die Positionen sechs bis acht. Mit Lucas Di Grassi gelang auch einem der Piloten von Lola Yamaha Abt rund um das deutsche Team Abt Sportsline der Sprung in die Top-10. Diese wurden von David Beckmann im Kundenporsche von Cupra Kiro abgeschlossen. Beckmann gelingt damit im letzten Rennen der Saison sein langersehnter erster Punkt in der Meisterschaft.

Lucas Di Grassi im Lola
Lucas Di Grassi konnte zwei Punkt für Abt mitnehmen, Foto: IMAGO / PsnewZ

McLaren mit letzten Start in der Formel E

Für Mahindra-Werkspilot Edoardo Mortara war das letzte Saisonrennen bereits nach wenigen Kurven beendet. Nachdem der Italo-Schweizer schon im Qualifying von einem technischen Problem ausgebremst wurde, kam er schon auf Start/Ziel nur äußerst langsam vom Fleck und rollte wenig später aus.

Beim Saisonfinale in London war Barclay bei Jaguar nicht der einzige Abschied. Das McLaren-Team ging zum letzten Mal bei einem Formel-E-Rennen an den Start. Nach dem Ausstieg der Marke im April konnte kein Käufer für das ehemalige Mercedes-Werksteam gefunden werden, das somit die Pforten schließen muss. „Das Gefühl ist ein bisschen komisch“, sagte Teamchef Ian James in der Startaufstellung zu Motorsport-Magazin.com. „Aber wir sind mit dem Kopf im Hier und Jetzt, aber danach wird es schwierig und emotional.“ Nach Rennende waren in der McLaren-Box tatsächlich Tränen bei einigen Teammitgliedern zu sehen.

Formel E: So geht es weiter

Nach dem Ende der Formel-E-Saison geht es für die zehn verbleibenden Teams nun in die Sommerpause. Die zwölfte Saison der Formel E beginnt am 6. Dezember 2025 im brasilianischen Sao Paulo. Insgesamt stehen 18 Rennen an zwölf Austragungsorten an, wovon zwei aber noch nicht bekanntgegeben wurden. Der Double Header in Berlin findet nächste Saison am 2./3. Mai 2026 statt.

Formel E 2025: Team-Weltmeisterschaft Endergebnis

Pos.TeamPunkte
1Porsche256
2Jaguar230
3Nissan207
4Mahindra186
5DS Penske184
6McLaren-Nissan143
7Andretti-Porsche141
8Envision-Jaguar107
9Maserati-DS102
10Cupra Kiro83
11Lola Yamaha Abt32