Boxenstopp-Poker in Japan: Stoffel Vandoorne hat das erste von zwei Rennen der Formel E in Tokio an diesem Wochenende für sich entschieden. Für den 33-Jährigen, der von Rang 14 ins Rennen gegangen war, ist es der erste Sieg seit dem Monaco ePrix 2022 – und damit sein erster Triumph seit dem Gewinn der Weltmeisterschaft im gleichen Jahr. Insgesamt ist es der vierte Sieg für Vandoorne in der Elektroweltmeisterschaft.

In einem chaotischen Rennen benötigte der Belgier jedoch das Glück einer Roten Flagge, um seinen Triumph mit einer riskanten Strategie verwirklichen zu können. Zum Zeitpunkt derselbigen hatte Vandoorne nämlich als einziger Pilot bereits seinen verpflichtenden Pit Boost absolviert, bei dem die Fahrer bei einer Mindeststandzeit von 34 Sekunden 3,85 Kilowattstunden zusätzliche Energie erhalten, was etwa zehn Prozent eines vollen Akkus entspricht. Der Pit Boost kam in Tokio erst zum dritten Mal überhaupt zum Einsatz.

Stoffel Vandoorne: Sieg trotz Dreher und Mauereinschlag

Dadurch, dass die Rote Flagge das Feld wieder neutralisierte und Vandoorne als einziger Pilot seinen Pit Boost bereits absolviert hatte, erhielt der ehemalige Formel-1-Pilot einen unschlagbaren Zeitvorteil. Zuvor war Vandoorne sogar aus der Führungsrunde gefallen, durfte sich entsprechend dem Prozedere bei einer Roten Flagge aber zurückrunden. Als der lange Rennführende Pole-Setter Oliver Rowland nach 23 von schlussendlich 38 Rennrunden seinen Pit Boost absolvierte, hatte der Brite mehr als 25 Sekunden Rückstand auf Vandoorne. Diese konnte der WM-Führende (jetzt 60 Punkte Vorsprung) zwar bis ins Ziel auf 8,140 Sekunden reduzieren, kam somit aber nie in Schlagdistanz. „Ich bin super glücklich, dass unser Plan tatsächlich aufgegangen ist“, so Vandoorne.

Dass der Sieg Vandoornes unausweichlich war, schien dabei bereits früh klar, selbst ein eigenverschuldeter Dreher inklusive leichtem Mauereinschlag in Kurve 2 konnte diesen nicht mehr verhindern. „Ein Auto hat natürlich jetzt ein Riesen-Vorteil“, kündigte Porsche-Teamchef bereits während der Unterbrechung der Roten Flagge am ServusTV-Mikrofon an. „Ich brauche hiernach ein Safety-Car, um ihn schlagen zu können“, funkte auch Rowland bereits dann an sein Nissan-Team.

Oliver Rowland bei der Formel E in Tokio.
Rowland musste sich Vandoorne geschlagen geben, Foto: IMAGO / PsnewZ

Nachahmer Jake Dennis scheitert und wird disqualifiziert

Das Glück Vandoornes zog im Anschluss einen wenig erfolgreichen Nachahmer nach sich. Jake Dennis versuchte noch von der Roten Flagge zu profitieren, indem er seinen Pit Boost beim Restart absolvierte. Anstatt in die Startaufstellung zu fahren, bog der Weltmeister von 2023 direkt in die Boxengasse ab und sparte so ebenfalls einiges an Zeit beim Pflicht-Boxenstopp. Doch dieser Trick zog bittere Konsequenzen nach sich. Denn die Boxengasse war zu diesem Zeitpunkt in Folge der Roten Flagge noch geschlossen. Entsprechend den Regularien disqualifizierten die Stewards Dennis wenig später. „Die Boxengasse war offen“, zeigte sich Dennis mit der Entscheidung nicht einverstanden. „Mein Team hat alles richtig gemacht.“

Hinter Rowland musste sich Taylor Barnard im McLaren-Nissan knapp seinem Landsmann geschlagen geben und komplettierte das Podest. Barnards Team McLaren, das sich nach dem angekündigten Abschied zum Ende der Saison 2025 auf Formel-E-Abschiedstour befindet, tritt unter schwierigen Bedingungen in Tokio an. Am Donnerstagabend war es auf einem ehemaligen Stützpunkt der britischen Royal Air Force zu einem Großbrand mit mehreren Explosionen gekommen. Zwei Feuerwehrleute sowie eine weitere Person kamen dabei ums Leben.

Von dem Gelände aus führt auch McLaren sein Formel-E-Programm durch. Wie das Team mitteilte, seien zwar keine Teammitglieder betroffen gewesen, dennoch zeigte sich die Mannschaft um Teamchef Ian James zutiefst bestürzt. Die McLaren-Mannschaft, die das Team vor Ort in Japan von der Basis in Großbritannien aus unterstützt, wurde aufgrund des Brandes temporär an einen anderen Ort verlegt.

Pascal Wehrlein vergrößert WM-Rückstand, Nyck de Vries bestraft

Die Top-5 wurden von Monaco-Sieger Sebastien Buemi (Envision-Jaguar) und Dan Ticktum im Cupra-Kiro. Es folgten Mahindra-Werksfahrer Edoardo Mortara und Antonio Felix da Costa im Porsche. Sein Teamkollege, der amtierende Weltmeister Pascal Wehrlein, verpasste auf P13 hingegen die Punkteränge und verliert somit weiter den Anschluss in der WM an Rowland. Der Porsche-Werksfahrer ist nun nur noch Vierter und hat ganze 67 Zähler Rückstand auf Rowland. Für Wehrlein ist es das erste Mal seit dem Saisonauftakt ohne Zähler.

Hinter Felix da Costa reihte sich in der vorläufigen Klassifikation Nyck de Vries im zweiten Mahindra auf der achten Position ein. Diesen durfte der Niederländer jedoch nicht behalten. In der 19. Runde traf der ehemalige Formel-1-Pilot in Kurve zwei Mitch Evans im Jaguar am Heck und drehte diesen. Evans schlug mit der Hinterachse leicht in die Mauer ein, konnte noch kurzzeitig weiterfahren, musste anschließend aber mit einem durch den Unfall verursachten Getriebe-Problem das Rennen aufgeben. Damit ist Evans weiterhin seit seinem Sieg beim Saisonauftakt in Sao Paulo punktlos. Für die Kollision erhielt de Vries eine 5-Sekunden-Zeitstrafe, die ihn auf den elften Platz zurückwarf..

Jean-Eric Vergne (DS Penske), Robin Frijns im zweiten Envision-Jaguar und Jaguar-Werksfahrer Nick Cassidy profitierten und schlossen die Top-10 ab. Die beiden Fahrzeuge von Lola Yamaha Abt rund um das deutsche Team Abt Sportsline blieben hingegen ohne Zähler. Rookie Zane Maloney und Routinier Lucas Di Grassi blieben schlussendlich nur die Positionen 16 und 17.

Maximilian Günther entscheidet Rennen mit Roter Flagge

Für den Allgäuer Maximilian Günther, der im Vorjahr den Tokio ePrix gewonnen hatte, war das Rennen vorzeitig beendet. In der 13. Runde verlangsamte der DS-Penske-Pilot und stellte seinen Boliden bei der Anfahrt auf Kurve 15 ab, nachdem auf seinem Lenkrad ein Bremsdefekt gemeldet wurde. An seinem Auto leuchtete das rote Warnlicht, was auf ein elektrisches Problem hindeutet und das Fahrzeug potenziell für das Streckenpersonal unsicher macht. Aufgrund dieses Umstandes, sowie der Tatsache, dass Günther nicht in der Lage war, sein Auto selbst von der Strecke zu bewegen, wurde kurzzeitig die rennentscheidende Rote Flagge ausgerufen. Anschließend wurde das Rennen erneut mit stehendem Start wieder aufgenommen.

Regenchaos in Japan verzögert Rennstart

Die Bedingungen in Japan machten es den 22 Piloten am Samstag nicht gerade einfach. Nach starken Regenfällen musste zunächst das Qualifying abgesagt werden. Folglich hielt das Ergebnis des zweiten Freien Trainings als Grundlage für die Startaufstellung her. Anschließend musste auch der Start ins Rennen um zehn Minuten nach hinten verschoben werden. Dabei fuhren die Boliden vorerst vier Runden hinter dem Safety-Car, bevor der achte Saisonlauf regulär mit stehendem Start begonnen werden konnte.

Formel E 2025: So geht es weiter:

Anders als beim Premierenrennen im Vorjahr ist das Formel-E-Wochenende in Tokio nicht bereits am Samstag beendet. Zum ersten Mal stellt das Event im Land der aufgehenden Sonne einen Double Header dar. Folgerichtig findet morgen noch einmal das gleiche Programm statt. Nach einem Freien Training nachts um 01:00 Uhr folgt um 03:20 Uhr das Qualifying. Anschließend steht um 08:00 Uhr das neunte Saisonrennen an.

Formel E: Steigt Opel ein?

Neben Action auf der Strecke, geht es in der Formel E aktuell auch abseits zur Sache, besonders im Hinblick auf die Positionierung der Rennserie für die Gen4-Ära, die 2027 beginnt. So ranken sich etwa auch Gerüchte um einen Einstieg der deutschen Traditionsmarke Opel. Alle Details lest Ihr in diesem Artikel:

Formel E 2025: WM-Stand nach 8/16 Rennen

PositionFahrerTeamPunkte
1Oliver RowlandNissan133
2Antonio Felix da CostaPorsche73
3Taylor BarnardMcLaren-Nissan69
4Pascal WehrleinPorsche66
5Nyck de VriesMahinra56