Nick Cassidy (Envision-Jaguar) hat das letzte Rennen der Formel-E-Saison 2023 in London gewonnen. Es war gleichzeitig das erste Regen-Rennen des Jahres und damit das erste mit dem neuen Gen3-Auto. Mitch Evans (Jaguar) und der bereits feststehende Weltmeister Jake Dennis (Andretti-Porsche) komplettierten das Podium beim Saisonfinale, das wegen Dauerregens mit einer Verspätung von 90 Minuten begann. Pole-Setter Cassidy beendet die Saison als Vize-Weltmeister.

Der eigentlich für 17:00 Uhr Ortszeit geplante Rennstart in die letzte Elektro-Schlacht musste nach einigen 'Testläufen' hinter dem Safety Car mehrfach nach hinten verschoben werden. Die schlechte Sicht und die Streckenbedingungen auf dem ungewöhnlichen Stadtkurs, der zu Teilen durch eine überdachte Messehalle führte, waren zu schlecht für eine Freigabe durch Renndirektor Scot Elkins.

London: Samstag Chaos, Sonntag Langeweile

Um 18:30 Uhr Ortszeit hatte der US-Amerikaner schließlich ein Erbarmen mit den tapfer ausharrenden Zuschauern und ließ grüne Flaggen schwenken. Mit Rundenzeiten, die rund 10 Sekunden langsamer waren als bei den trockenen Bedingungen im chaotischen Samstagsrennen mit zwei Rot-Unterbrechungen, hielt sich die Renn-Action arg in Grenzen.

Die 22 Fahrer waren in erster Linie darauf bedacht, ihre bis zu 350 kW (476 PS) starken Rennwagen auf der durchweg regennassen Piste und einem Untergrund mit acht unterschiedlichen Bodenbelägen an einem Stück zu lassen. Das gelang dem Feld überraschend gut, sodass alle Autos wie an der Perlenschnur aufgezogen ihre 31 Rennrunden (plus insgesamt sieben hinter dem Safety Car) drehten.

Für die einzige Positionsveränderung im Spitzenfeld sorgte der neue Weltmeister Jake Dennis, der in der Anfangsphase den von P3 gestarteten Norman Nato überholte und seinen elften Podestplatz einsackte. Sieger Cassidy hatte beim Zieleinlauf einen komfortablen Vorsprung von 4,9 Sekunden auf den Zweitplatzierten Evans. Dennis überquerte mit weiteren 11 Sekunden Rückstand die Ziellinie als Dritter.

Regen in London: Nick Cassidy beim Start hinter dem Safety Car beim Formel E Finale
Das Sonntagsrennen in London begann hinter dem Safety Car, Foto: LAT Images

Kundenteam Envision gewinnt Team-WM vorbehaltlich

Die Regen-Prozession dürfte dem Team Envision ziemlich egal gewesen sein. Das private Jaguar-Kundenteam gewann dank Cassidys viertem Saisonsieg zum ersten Mal die Team-Meisterschaft in der Formel E - vorbehaltlich angekündigter Einsprüche von Porsche und NIO 333 aus dem Samstagsrennen.

Am Samstag wurde der Neuseeländer Cassidy ausgerechnet von Teamkollege Sebastien Buemi aus dem Rennen geschossen und hatte damit seine letzten Fahrer-Titelchancen verloren. Vom Envision-Crash profitierte Jake Dennis, der sich als Zweiter hinter Rennsieger Evans vorzeitig zum neuen Weltmeister kürte. Damit gingen die Titel dieses Jahr in beiden Wertungen ausgerechnet an Kundenteams.

Hinter den Top-3 tat sich im Verlauf des Regen-Rennens ebenfalls nicht allzu viel. Nissan-Fahrer Nato, Ex-Weltmeister Stoffel Vandoorne (DS Penske) und Sebastien Buemi (Envision-Jaguar) liefen auf den Plätzen vier, fünf und sechs ein. Sam Bird (Jaguar), Nico Müller (Abt-Mahindra), Dan Ticktum (NIO 333) und Pascal Wehrlein (Porsche) komplettierten die Punkteränge. Rene Rast (McLaren-Nissan), Maximilian Günther (Maserati-DS) und Andre Lotterer (Andretti-Porsche) blieben mit den Plätzen 12, 14 und 21 ohne Punkte.

Formel-E-Finale London: So lief das Rennen am Sonntag

Die Startaufstellung: Die beiden Neuseeländer und Ex-Titelanwärter Nick Cassidy sowie Mitch Evans teilten sich die erste Startreihe. Mit ihren Jaguar-Motor-angetriebenen Boliden hatten sie schon im Qualifying am Samstag die ersten beiden Plätze belegt, allerdings ging Evans mit einer 5-Platz-Gridstrafe ins Rennen. Norman Nato und der neue Weltmeister Jake Dennis teilten sich Startreihe zwei. Stoffel Vandoorne, Sam Bird, Sebastien Buemi und Nico Müller komplettierten die Top-8 der Startaufstellung. Die Porsche-Werksfahrer Pascal Wehrlein und Antonio Felix da Costa kamen nicht über die Plätze 10 und 2o hinaus.

Das Wetter: Pünktlich zum Saisonfinale erlebte die Formel E das erste Regen-Rennen mit dem neuen Gen3-Auto und den Hankook-Allwetterreifen. Rund eine Stunde vor dem Rennstart (17:00 Uhr Ortszeit) begann es ordentlich zu regnen über dem ExCel-Messegelände im Hafengebiet der britischen Hauptstadt. Aus der trockenen Halle ging es heraus in den strömenden Regen. Angesichts der Wassermassen startete das Rennen hinter dem Safety Car. Die Lufttemperatur lag bei kühlen 18 Grad (Strecke: 23 Grad) und damit einige Grade weniger als am Samstag.

Der Start: Nach eineinhalb Stunden bangen und zwischenzeitlichen Safety-Car-Phasen, um die Streckenbedingungen zu testen, ging das Rennen schließlich um 19:34 Uhr deutscher Zeit bei 8 bereits absolvierten Runden los. Positionskämpfe zu Beginn des Rennens blieben aus. Nick Cassidy behielt also seinen ersten Platz vor Mitch Evans und Norman Nato.

Erste Rennhälfte: Viele Fahrer wie Stoffel Vandoorne, Sam Bird oder auch Jean-Eric Vergne fuhren bereits nach zwei Runden für den Attack Mode eine weitere Linie bei Kurve 15. Auch die anderen Piloten zogen im Verlauf der folgenden Runden nach. An der Spitze war es zuerst Mitch Evans, der sich die Zusatzleistung abholte. Wenig später reagierte Nick Cassidy allerdings und konnte seine Führung dabei behalten. Überholvorgänge gab es in dieser Phase des Rennens, auch aufgrund der Bedingungen, kaum. Dan Ticktum machte hierbei eine Ausnahme, als er den Fehler vom vor ihm auf nasser Oberfläche strauchelnden Edoardo Mortara ausnutzte und an diesem vorbeiging.

Zweite Rennhälfte: Das vordere Ende des Feldes zog sich langsam aber sicher auseinander. Bei 20 gefahrenen Runden hat Cassidy seinen Vorsprung auf den Jaguar von Mitch Evans bereits auf über zwei Sekunden ausbauen können. Zwischen Evans und dem Dritten, Jake Dennis, klafften bereits über 7 Sekunden. Positionskämpfe nahmen langsam zu. Vor allem Kurve 9 schien eine beliebte Stelle für Attacken zu sein.

In der Schlussphase des Rennens mauserte sich Mitch Evans allerdings wieder langsam an den Führenden Cassidy heran, der drauf und dran war, sich den zweiten Platz in der Fahrerwertung zurückzuholen. Da Sebastien Buemi im Kampf um Platz 6 an Sam Bird im zweiten Jaguar vorbeigehen konnte, hielt Envision auch die Team-Meisterschaft fest in der Hand. Das sollten die grünen Renner auch nicht mehr aus der Hand geben, auch weil Nick Cassidy das Tempo wieder ein wenig anheben konnte. Mit einem Sieg in London konnte der 28-jährige Neuseeländer sein Wochenende noch retten. Evans fuhr als Zweiter, Dennis als Dritter über die Ziellinie.

Formel-E-Tabelle 2023 nach 16/16 Rennen (Top-5)

Fahrer-Weltmeisterschaft

PositionFahrerPunkteTeam
1Jake Dennis229Andretti-Porsche
2Nick Cassidy199Envision-Jaguar
3Mitch Evans197Jaguar
4Pascal Wehrlein149Porsche
5Jean-Eric Vergne107DS Penske

Team-Weltmeisterschaft

PositionTeamPunkteFahrer
1Envision-Jaguar304Nick Cassidy/Sebastien Buemi
2Jaguar292Mitch Evans/Sam Bird
3Andretti-Porsche252Jake Dennis/Andre Lotterer
4Porsche242Pascal Wehrlein/Antonio Felix da Costa
5DS Penske163Jean-Eric Vergne/Stoffel Vandoorne